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A CURE FOR WELLNESS (USA/Deutschland 2016)

von Thorsten Hanisch

Original Titel. A CURE FOR WELLNESS
Laufzeit in Minuten. 146

Regie. GORE VERBINSKI
Drehbuch. JUSTIN HAYTHE . GORE VERBINSKI
Musik. BENJAMIN WALLFISCH
Kamera. BOJAN BAZELLI
Schnitt. PETE BEAUDREAU . LANCE PEREIRA
Darsteller. DANE DEHAAN . JASON ISAACS . MIA GOTH . CELIA IMRIE u.a.

Review Datum. 2017-02-21
Kinostart Deutschland. 2017-02-23

Viel wurde im letzten Jahr über den Tod des US-Mainstreamkinos, mancherorts sogar über die angeblich mittlerweile eingetretene totale Irrelevanz des Kinos überhaupt, geschrieben. Klar, gejammert wird alle naselang mal wieder, aber man muss selbst als neutraler Beobachter ohne früher-war-alles-besser-Brille durchaus attestieren, dass zumindestens der US-Output seit einigen Jahren an Bodenlosigkeit kaum noch zu toppen ist, 2017 kriegen sogar Smartphone-Smilies ihren eigenen, groß budgetierten Kinofilm - noch Fragen?

Angesichts dessen mutet es fast schon wie ein von langer Hand vorbereiteter Gag an, dass ausgerechnet Gore Verbinski, der mit weltweit erfolgreichen Freizeitparkverfilmungen (PIRATES OF THE CARRIBEAN 1-3) den Weg für Smilie-Blockbuster überhaupt erst freimachte und 2013 mit Karacho den völlig aus den Ruder gelaufenen LONE RANGER gegen die Wand fuhr, mit A CURE FOR WELLNESS nicht nur eine der sehenswerten Mainstreamproduktionen der letzten Jahre fabriziert hat, sondern gleichzeitig dem - eine weitere Seuche, die seit geraumer Zeit noch zusätzlich an den immer dünner werdenden Nerven ernstzunehmender Cinephiler sägt - unsäglichen Grindhouse-Zitatenflickwerkdummquatsch von Rob Zombie, Ti West, Eli Roth und anderen Kellerkindern auf unheimlich elegante Art eine ellenlange Nase dreht.

Okay, man muss fair bleiben: Verbinski hat mit RING oder WEATHER MAN auch Titel im Köcher, die zumindestens ahnen lassen, dass der Mann anders kann, aber sein neustes Baby wirkt dennoch ein bisschen wie ein Befreiungsschlag, offenbar war erst ein Debakel wie LONE RANGER erforderlich, um A CURE OF WELLNESS möglich zu machen, denn nach dem Bombast der Bruckheimer-Produktion, mutet der Gruselthriller regelrecht intim an: Der Film spielt im Wesentlichen an gerade mal einem Setting, es gibt keine Stars, sondern Charakterdarsteller und das Hauptaugenmerk liegt nicht auf Effektgetöse, sondern auf dem Drehbuch von Justin Haythe, der ironischerweise noch für seine Überarbeitung des LONE RANGER-Scripts viel Schelte bezog, hier aber seine ursprüngliche Profession, Schriftsteller, hervorglitzern lässt und mit einer sorgfältig austarierten Dramaturgie, plastischen Charakteren und geschliffenen Dialogen begeistert.

Das gut ausgearbeitete Drehbuch ist dabei aber gar nicht mal das Entscheidende, denn die Story ist alles andere als originell: Ein junger Finanzhai muss seinen Chef aus einem abgelegenen Schweizer Wellness-Resort, dass von einem spiegelglatten Dr. Brinkmann-Verschnitt geleitet wird, wieder zurückholen, um Unheil in der Heimat abzuwenden und wird dabei in mysteriöse Vorgänge verwickelt - die Story kennt man. So klassisch wie Schnitzel mit Pommes und im letzten Drittel kippt die opulente Schaueroper dann auch tatsächlich in ein quasi Hammer-Film-Revival. Der entscheidende Punkt ist, mit welcher lässig-charmanten Arroganz, aber auch, von ekliger Klugscheisser-Ironie völlig freien, unheimlich tiefen Zuneigung zum Genre, Verbinsiki und Haythe so tun, als ob's das alles nie gegeben hat und mit Genuss ihre ganz persönliche Retro-Grusel-Oper abfeiern. Völlig frei von jeder postmodernen Hektik - man zapft satte146 Minuten Lebenszeit ab, in diesem Fall aber absolut zu Recht - gibt man der Besetzung jede Menge Raum zum Glänzen, den vor allem das Hauptdarsteller-Trio DeHaan, Goth und Isaacs auch mit Kusshand nutzt. Besonders für die Lars-Von-Trier-Entdeckung Mia Goth mit ihrer attraktiven, aber auch leicht abseitigen Erscheinung ist das hier kreierte Gothic-Horror-Umfeld wie geschaffen, die Frau wirkt wie aus einem Ann-Radcliffe-Roman gestolpert und spielt auch entsprechend.

In die Königsklasse hievt das Geschehen dann aber tatsächlich Verbinski, der inszenierfreudig seinem Drehort (Deutschland, nicht Schweiz), seinen prunkvollen Kulissen und seinen tollen Darstellern mit allerhand originellen Bildkompositionen jede Menge gewaltige Momente abgewinnt und sich überraschender- aber auch konsequenterweise alles in allem eher am Gruselfilm europäischer als amerikanischer Prägung orientiert: Die obligatorischen Jump-Scares fehlen, das Grauen kommt auf leisen Sohlen und, Verbinski nutzt die ohnehin schon außerweltliche Stimmungen von Wellness-Centern geschickt, läuft auch schon mal ins Leere - wie zum Beispiel in einer eindrucksvollen Sequenz in einem Dampfbad, das plötzlich keinen Ausgang mehr zu haben scheint. Auf der einen Seite viel Spesen, nix gewesen, auf der anderen Seite kann wohl jeder, der schon mal in einem Dampfbad war, die Anspannung in dieser Situation trotzdem nachvollziehen, definitiv eine andere Abteilung als die Standardnummer mit dem rätselhaften Geräusch im Dunklen und der streunenden Katze.

Natürlich, A CURE FOR WELLNESS ist Pastiche durch und durch, er erzählt unterm Strich nichts Neues und das wird man dem Film - ebenso wie das ruhige Erzähltempo - vermutlich auch vorwerfen, er ist aber auch eine handwerklich exzellent angefertigte Pastiche mit enorm viel Stil und Würde, geprägt von einer tiefen Zuneigung zu den Vorbildern. Ein Kino voller Liebe. Und das ausgerechnet vom Piratenkapitän Gore Verbinski, man glaubt es einfach nicht.











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