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DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI - DAS GEHEIMNIS DER EINHORN (Neuseeland 2011)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. THE ADVENTURES OF TINTIN
Laufzeit in Minuten. 107

Regie. STEVEN SPIELBERG
Drehbuch. STEVEN MOFFAT . EDGAR WRIGHT . JOE CORNISH
Musik. JOHN WILLIAMS
Kamera. JANUSZ KAMINSKI
Schnitt. MICHAEL KAHN
Darsteller. JAMIE BELL . DANIEL CRAIG . ANDY SERKIS . SIMON PEGG u.a.

Review Datum. 2011-10-25
Kinostart Deutschland. 2011-10-27

Nach unzähligen amerikanischen Superhelden-Verfilmungen schafft nun auch die vielleicht bekannteste franko-belgische Comicreihe den Sprung auf die große Leinwand. Verantwortlich für den mit dem Motion Capture-Verfahren realisierten DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI - DAS GEHEIMNIS DER EINHORN sind keine geringeren als Steven Spielberg und Peter Jackson. Während erstgenannter Regie führte, ist letzterer für die Produktion (mit-)verantwortlich - bei der geplanten Fortsetzung sollen die Rollen dann getauscht werden. Mit Edgar Wright (SCOTT PILGRIM GEGEN DEN REST DER WELT, Joe Cornish (ATTACK THE BLOCK und Steven Moffat (DOCTOR WHO) wurden gleich drei talentierte Autoren mit dem Schreiben eines Drehbuchs basierend auf drei Geschichten von TIM UND STRUPPI-Erfinder Hergé beauftragt.

Jungreporter Tim (Jamie Bell) kauft auf einem Flohmarkt ein Schiffsmodel mit dem Namen Einhorn. Wie sich bald herausstellt birgt das Modell einen Teil eines Rätsels, das zum Schatz des Piraten Rackham der Rote, eines Vorfahren von Kapitän Haddock (Andy Serkis) führen soll. Darauf hat es jedoch auch Schurke Iwan Iwanovitsch Sakharin (Daniel Craig) abgesehen, sodass ein Wettlauf um die ganze Welt beginnt.

Wo uns bei amerikanischen Comichelden, und seien sie noch so ikonisch, meist zunächst eine ausführliche Origin-Story präsentiert wird, verlassen sich Spielberg und seine Autoren auf den enormen Bekanntheitsgrad ihrer Figur und stürzen Held und Zuschauer direkt ins Geschehen. Man hat den Eindruck, dass Spielberg sich auch in Bezug auf seine Erzählweise bei Co-Autor Edgar Wright hat inspirieren lassen, denn das hohe Erzähltempo und die sprunghaften, angenehm comic-ähnlichen Szenenübergänge erinnern gelegentlich an das Werk des Briten. Die unzähligen Location-Wechsel und Rückblenden in die Vergangenheit von Captain Haddock werden dabei nahtlos und organisch in die Handlung integriert, sodass der Film trotz allem nie überladen wirkt.

Abstriche machen muss man dagegen bei den Dialogen, deren einzige Funktion (mit Ausnahme von Haddocks Flüchen) es meist ist, den nicht unbedingt komplexen Plot (auch für Kinder) verständlich zusammenzufassen. Das ist manchmal unfreiwillig komisch, oft genug auch ein Bisschen nervig, aber meist schnell angesichts der vielen visuellen Ideen vergessen.

Denn die vielleicht interessanteste Frage, die man sich im Vorfeld stellte, ist doch: Wie geht Blockbuster-König Spielberg mit dem Motion Capture-Verfahren um (man denke nur einmal an die eher misslungenen mit diesem Verfahren umgesetzten Werke eines Robert Zemeckis)? Und obwohl zumindest der Look der Figuren am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig ist (die Kombination der comichaften Proportionen mit realistischen Texturen wirkt zunächst etwas befremdlich) lautet die Antwort unterm Strich doch, dass DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI - DAS GEHEIMNIS DER EINHORN von seiner Technik profitiert. Die Bewegungsabläufe der Figuren, obwohl noch immer etwas zu geschmeidig, sind deutlich lebensechter als in gewöhnlichen Animationsfilmen und auch ihre mimische Ausdrucksstärke ist durchaus beeindruckend. Hinzu kommen kräftige Farben, wunderschöne Panoramas und teils spektakuläre Kamera-Fahrten - eine Verfolgung in den Straßen einer arabischen Stadt dürfte allein deshalb um den Titel der besten Action-Szene des Jahres konkurrieren - , die den Film optisch zu einem absoluten Genuss machen. Auch der wirklich zündende Humor ist meist visueller Natur - wenn beispielsweise Tim in einem schwankenden Schiff beim Versuch, einen Schlüssel zu stehlen, den umher rollenden schlafenden Matrosen ausweichen muss, ist das um einiges unterhaltsamer als die doch oft recht kindlichen Kabbeleien der Polizisten Schulze und Schultze (Simon Pegg und Nick Frost).
Die dritte Dimension nutzt dagegen auch Spielberg kaum: Ein wenig Tiefe gewinnt das Bild schon, doch wirklich nötig hat der Film den Effekt nicht - immerhin beeinträchtigt er hier aber nicht die Farben und die Helligkeit.

Natürlich kann man anmerken, dass Plot und Charaktere aus heutiger Sicht etwas altbacken wirken und dass besonders Tim eigentlich gar kein richtiger Charakter ist, sondern vielmehr ein Stand-In für das Publikum. Eine emotionale Basis für Tims Abenteuer fehlt im Grunde völlig (Haddocks Backstory wird erst recht spät eingeführt) und nur stellenweise hat man das Gefühl, dass für Tim und Co. wirklich etwas auf dem Spiel steht. Das zu kritisieren, bedeutet aber letztlich, die Vorlage selbst in Frage zu stellen, denn DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI - DAS GEHEIMNIS DER EINHORN ist eine äußerst werkgetreue Verfilmung. Dass diese dennoch nicht nur für Kinder und Nostalgiker funktioniert, ist der enormen visuellen Fantasie und der packenden Inszenierung zu verdanken - Steven Spielberg beweist also einmal mehr, dass ihm in Sachen Blockbuster kaum jemand das Wasser reichen kann.











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