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GESPRÄCHE

Björn Eichstädt und Thorsten Hanisch im Gespräch mit Hisayasu Sato

Hisayasu Sato In hiesigen Gefilden ist er noch immer ein großer Unbekannter: Hisayasu Satos Filme sind im Westen kaum erhältlich - nicht einmal die einschlägigen Versandhändler führen mehr als ein oder zwei seiner Werke. Dabei ist der 1959 geborene Regisseur ein klassischer Auteur, einer, der in seinen Filmen eine durchgängige Vision verfolgt und von Kennern nicht selten mit David Cronenberg verglichen wird. Grund dafür ist wohl wieder einmal das Label Body Horror, denn sowohl Cronenberg als auch Sato betrachten in ihren zentralen Werken die Technologie, den durch sie ermöglichten Voyeurismus und den kalten Stahl, der sich ins Fleisch bohrt, mit einer ihnen jeweils ganz eigenen Bildsprache. Und die unterscheidet den Japaner Sato natürlich von dem Kanadier Cronenberg.

Lange Zeit war es ruhig um Hisayasu Sato. Erst 2005 kam er nach fast zehnjähriger Abstinenz als einer von vier Regisseuren des Films RAMPO NOIR wieder zurück auf die große Leinwand. Der Film war bei Kritikern und Kennern des japanischen Films ein riesiger Erfolg und lässt auf weitere Arbeiten in hoffentlich näherer Zukunft hoffen. Einen Hinweis auf die Konstanz der Rückkehr gab es bei der Nippon Connection 2006 in Frankfurt, die Sato als einen der japanischen Gäste begrüßen konnte. Zwischen Tür und Angel gab uns der gut gelaunte Regisseur dort ein kurzes Interview.

Das Gespräch.

Bedroom Herr Sato, das beinahe fotografische Bild ist das zentrale Element in Ihren Filmen. Wie sehr hat das Thema Fotografie Ihre Vorstellung von Film beeinflusst?
    Sehr. Als wir noch Kinder waren hatte mein Bruder eine Kamera. Ich bin häufig in der Gegend herum gestreift und habe Fotos gemacht - aber nur in meiner Vorstellung, denn ich konnte mir noch keinen Film leisten. Als ich mir dann schließlich einen Film gekauft habe, musste ich mit Enttäuschung feststellen, dass die Bilder in meinem Kopf viel besser waren als die, die ich schließlich auf Papier vor mir liegen hatte. Das ging mir genauso als ich mit den Filmen anfing. Zunächst auf 8 Millimeter. Aber auch hier war es so, dass mir das fertige Material nicht gefiel, weil es nicht meiner Vorstellung entsprach. Ich versuche bis heute, die Fotos aus meinem Kopf mittels Technologie auf die Leinwand zu bekommen. Leider ist mir das noch nie eins zu eins gelungen.

Bedroom Die Technologie, die Sie als unvollkommen empfinden, - etwa Videokameras - spielt ja trotzdem eine bedeutende Rolle in Ihren Filmen. Wieso?
    Ich stelle in meinen Werken vor allem durch Technologie vermittelte mediale Inhalte dar. Mir geht es dabei vor allem um mediale Information, die vermittelt wird. Es gibt ja auf der Welt durch die heutige Technologie sehr viel Informationen, die meisten sind leider kaum etwas wert. Junge Menschen streben immer mehr nach Information, doch das was sie erhalten, entspricht leider nicht dem, was sie sich erwarten. In Japan gibt es einen Trend sich Medien in großen Mengen einzuverleiben, gerade bei jungen Menschen. Sie suchen das Glück, wollen sich eine eigene Welt erschaffen, doch ob sie es auf diesem Weg erlangen können, das ist eine große Frage, der ich in meinen Filmen versuche nachzugehen.

Bedroom Neben den Medien spielt ja auch die Gewalt eine zentrale Rolle in ihren Filmen, vor allem bei einem Film wie NAKED BLOOD. Warum sind Sie in diesem Film so explizit gewesen?
    Nun, wenn man Gewalt um ihrer selbst direkt anwendet, dann ist es wirkliche Gewalt. Im Film geht es um ein Serum, das Schmerz in Glück umwandelt. Eine junge Frau trifft einen jungen Mann, Eji, die übliche Konstellation der Liebe. Hier geht es um ein positives Gefühl und auch um Schmerz - wenn man diesen über einen gewissen Punkt hinaus verfolgt, dann kommt man eben zwangsläufig zu extremer Gewalt. Aber das Ziel ist nicht die Verletzung, das Ziel ist das Glück - so ist der Film eigentlich lediglich eine Analogie zur wirklichen Liebe, wie sie tagtäglich vorkommt. Und die Diskommunikation, die wir in der heutigen Generation überall sehen. Die jungen Leute brauchen ein Medium um ihre Gefühle auszudrücken, direkt geht das oft nicht mehr.

Auch wenn das alles symbolisch ist, Sie neigen ja schon zu Extremen. In THE BEDROOM haben Sie Issei Sagawa eine Rolle gegeben. Der Mann hatte 1981 den Franzosen Renée Hartevelt getötet und gegessen - die Besetzung hat in Japan für gehörige Furore gesorgt. Warum haben Sie ihn trotzdem in dem Film spielen lassen?
    Sagawa war Autor, als er nach Japan zurückkehrte. In diesem Zusammenhang habe ich ihn kennen gelernt. Und wir sind Freund geworden. Zunächst war die Besetzung eigentlich eine Anfrage an einen Freund, denn ich konnte kaum Gagen bezahlen. Als erstes wollte ich ein Drehbuch von Sagawa selbst, aber dann haben wir uns doch darauf geeinigt eine schon existierende Geschichte zu nehmen. Ein weiterer Grund war natürlich die Zwiespältigkeit des Charakters von Sagawa, er ist in sich zerrissen, aber vieles was über ihn erzählt wurde, war auch das Mobbing der japanischen Gesellschaft, die nicht damit umgehen kann, wenn jemand anders ist und auffällt. Er wurde in Japan von der Presse verfolgt und ich fühlte auch, dass diese Verfolgung auch ein Gewaltakt war. Diese Aspekte kamen zusammen - so hatte ich das Gefühl, dass er für die Rolle passte. Naked Blood

Diese Gedankengänge sind ja wohl nicht für jeden verständlich. Hatten Sie Ärger mit gesellschaftlichen Gruppierungen, der Politik oder der Kritik wegen dieses Ansatzes?
    Ja, mit allen, den Produzenten, den Kinos, der Gesellschaft. Das ist bei mir eigentlich bei allen Filmen so. In meinem Herzen möchte ich, dass möglichst viele meine Filme sehen können, aber damit kollidiere ich natürlich regelmäßig mit den Vorstellungen des Mainstreams, so dass ich eher eine Minderheit anspreche. Ich hoffe also, wenn ich realistisch bin, dass zwei bis drei Leute pro Vorstellung etwas mitnehmen können.

Hatte Ihre lange Abstinenz von der Leinwand - zwischen 1996 und 2005 - , die erst durch die Arbeit an RAMPO NOIR aufgebrochen wurde, auch etwas mit der Kollision Ihrer Vorstellungen und denen der Massen zu tun?
    Nein, ich habe in der Zeit ja gearbeitet. Nur waren es keine Kinofilme sondern einige Direct-to-Video-Produktionen und auch Arbeiten im Umfeld des Adult Films. Ich habe in der Zeit auch einige Drehbücher für Kinofilme geschrieben, doch diese konnten leider nicht umgesetzt werden. Aber jetzt bin ich wirklich froh, dass ich wieder Kino mache. Naked Blood

Wenn Sie auf Ihre Karriere bisher zurückblicken, bei welchem Film glauben Sie, dass Sie Ihre Kopfbilder am besten umgesetzt haben?
    Zu hundert Prozent leider bei keinem. Aber ich denke, dass ich es bisher am besten bei RAMPO NOIR, in dem ich eine von vier Episoden drehte, geschafft habe.

Wenn Sie den eigenen Vorstellungen mit Ihrem letzten Film bislang am nächsten gekommen sind, kann man sich wohl auf den nächsten freuen. SI-SEI wird gerade produziert. Worum wird es gehen?
    SI-SEI ist eine Geschichte, die sich lediglich zwischen zwei Personen abspielt - es ist quasi ein Kammerspiel. Es geht um die Suche nach der absoluten Schönheit, und diese Suche führt schließlich in den Untergang. Mehr möchte ich noch nicht verraten.




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