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Reportage.
GIMME DANGER - Ein Preview-Abend am 20.04.2017 im Kino International, Berlin
von André Becker

GIMME DANGER - Ein Preview-Abend am 20.04.2017 im Kino International, Berlin

Es ist kalt in Berlin. Arschkalt, um genau zu sein. Das ist natürlich noch lange kein Grund dem exklusiven Preview-Screening von GIMME DANGER am 20.04. fern zu bleiben. Auf dem Weg zum Kino International, wo an diesem Abend der Film eine Woche vor dem regulären Kinostart gezeigt wird, steckt einem die Kälte dann aber doch ganz schön in den Knochen. Egal, der Verleih Studio Canal und die Musikzeitschrift Intro haben einen Tag vor dem Geburtstag von James Osterberg, dem "Godfather of Punk" aka Iggy Pop, eingeladen um die Dokumentation über die wegweisende Rockband The Stooges (in deren Zentrum natürlich Frontmann Iggy Pop steht) gebührend zu feiern und das sollte man sich freilich nicht entgehen lassen. Insbesondere da anschließend in den Räumlichkeiten des alteingesessenen Kinos in den Geburtstag von Iggy reingefeiert werden soll.

Am Kino International, diesem architektonisch durchaus beeindruckenden DDR-Bau, angekommen gilt es zunächst einmal die Besuchermassen am Eingang zu überwinden und das Publikum drinnen in Augenschein zu nehmen. Ein paar Berliner Promis und Iggys Sohn sind eingetrudelt und geben der anwesenden Presse fleißig Statements zum Schaffen von Iggy. Irgendwas von "total authentischer Typ, der die Musikwelt wie kein Zweiter geprägt hat", wird da gemurmelt. Derlei eher schmalspurig daher gefachsimpelte Statements wird man an diesem Abend noch öfter hören, aber die Fernseh-Leute freuts, werden die jeweiligen Aussagen doch einen Tag später im Vorabend-Programm zu einer wild zusammengefummelten Kurz-Reportage im RBB verwurstet. Zwischendurch posiert die mittlerweile recht ansehnliche Schar von (B)-Promis vor der Promotion-Wand, was wiederum die Fotografen freut, die z.B. einen der Ochsenknecht-Sprösslinge vor die Linse nehmen können. Wem das noch nicht ausreichend Entertainment ist, kann an einer Fotoecke lustige Perücken aufsetzen und sich von einem Typ, der aussieht wie Tech-Nick aus der Saturn-Werbung, ablichten lassen.

Okay okay, solche Spielereien gehören wohl dazu und die Intro zeigt sich an diesem Abend sehr großzügig und spendiert sowohl für den Film als auch für die Party danach Freigetränke. Bevor es dann so richtig losgeht gibt es noch ein Interview mit dem Tontechniker Eduard Meyer, der damals in den Hansa-Studios (O-Ton: am Arsch der Welt) mit Iggy zusammengearbeitet hat. Die Anekdoten die währenddessen zum Besten gegeben werden sind dann tatsächlich durchaus interessant und Meyer erweist sich als sehr sympathischer Zeitgenosse. Schön ist vor allem der Moment als er ein wenig abschweift und erzählt was er jetzt gerade so treibt. Es war, glaube ich zumindest, eine Tour mit Musikern anlässlich des Luther-Jahres, was Meyer mit sonorer Stimme ausführlich erläutert und den Intro-Redakteur nach einer Weile dazu bewegt ihn darauf hinzuweisen, dass dies doch etwas weit weg vom eigentlichen Thema sei.

GIMME DANGER - Ein Preview-Abend am 20.04.2017 im Kino International, Berlin

GIMME DANGER, gedreht von Jim Jarmusch, schießt einen zwar nicht komplett aus den Latschen, unterhält als launige Musiker-Doku (mit erstaunlich wenigen bewegten Bildern aus der Stooges-Zeit) aber ganz ordentlich. Die ausgegebenen Freigetränke haben allerdings unübersehbare Folgen. Vielleicht täusche ich mich, aber selten habe ich so viele Leute während einer Filmvorführung auf die Toilette stiefeln sehen. Kurz vor Mitternacht öffnet sich schließlich der Vorhang und nun soll gefeiert werden. Vor dem Film hieß es dabei noch, dass doch bitte alle nach dem Ende die Ausgänge im unteren Bereich des Saals benutzen sollen, um gleich direkt zum Ort der Geburtstags-Fete zu kommen. Irgendwie scheint das Publikum diese Bitte aber komplett überhört zu haben, denn ca. 90% tingeln in aller Seelenruhe durch den oberen Ausgang wieder raus Richtung Party-Location.

Die Party selbst war dann ein wenig ernüchternd, da es die DJs irgendwie nicht durchgängig schafften die Besucher zum Tanzen zu animieren. Dennoch hatte der Großteil der Leute ihren Spaß. Das Publikum zeigte sich dabei als reichlich durchmischter Haufen. Hipster, die ihre ganz vorzüglich gestutzten Schnauzbärte spazieren führen, junge Punks, Frauen in Abendkleidern und jede Menge Lederjacken und Kutten sind zu bestaunen. Dazwischen Bela B. von den Ärzten, ein paar Alt-Hippies und Presse-Leute sowie last but not least zahlreiche Besucher, die man eher in einer Indie-Disco als im Berghain vermuten würde. Die Einstufung einiger Personen als "Normalos" spare ich hier mal bewusst aus.

Kurz vor Schluss führt einen der Weg durch die Lobby vorbei an der Foto-Wand, die nun seltsam deplatziert, weil komplett vereinsamt, anmutet. Draußen ist es noch kälter geworden. Die Hauptstadt wirkt an diesem Ort und zu diesem klirrend-frostigen Zeitpunkt irgendwie wie das vollkommen entrückte Berlin aus Andrzej Zulawskis POSSESSION. Das mag kein naheliegendes Kompliment sein, ist aber genau so gemeint. Am 21.04. wurde Iggy Pop 70 Jahre alt. GIMME DANGER startet am 27.04. bundesweit in den Kinos. Allen, die Iggy dabei zuhören möchten, wie er in unverwechselbar locker-schnodderiger Art und Weise u.a. in einer Art Waschraum (!) über die good old days spricht, oder ihn generell für den geilsten Typ auf dieser Erde halten sei ein Besuch im Arthouse-Kino der Wahl dringend ans Herz gelegt. Und ja, allen anderen vielleicht auch.

 



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