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Die Genrenale startet in diesem Jahr gleich mit zwei Veränderungen im Gepäck. Die sechste Ausgabe findet nicht wie gewohnt in unmittelbarer Nähe zum Event-Festival Berlinale statt, sondern in den ersten Mai-Tagen. Vom 02.05. - 05.05. um genau zu sein. Darüber hinaus entschied man sich für eine neue Spielstätte. Während in den Vorjahren das schicke Babylon am Rosa Luxemburg Platz als Location genutzt wurde, gibt es im Jahr 2019 die geballte Power deutscher Genrefilm-Unterhaltung im UCI Colloseum zu bestaunen. Weg von Berlin-Mitte, rein in den schon seit Jahren komplett durchgentrifizierten Kiez im Prenzlauer Berg. Tage zuvor konnte man an der Fassade des schon einige Jahre dort ansässigen Kinos noch eine riesige Werbung für POKEMON: MEISTERDETEKTIV PIKACHU bewundern. Zum Festival-Start tauschte man den Banner dann glücklicherweise durch das knallrote Genrenale-Logo aus.
Die Genrenale selbst hat dabei weiterhin einen Sonderstatus in der mittlerweile recht umfangreichen Festivallandschaft. 100% Genrefilme aus Deutschland. Das ist nach wie vor einzigartig, ungeachtet der Tatsache, dass auf bereits etablierten Festivals wie dem Fantasy Film Fest in regelmäßigen Abständen (wenige) Genrefilme aus Deutschland gezeigt werden. Man denke an STUNG (2015), SCHNEEFLÖCKCHEN (2017), oder zuletzt LUZ (2018) die alle in den jeweiligen FFF-Städten aufgeführt wurden. Dennoch: Der Genrefilm, so schwammig diese Bezeichnung auch sein mag, hat es schwer in good old Germany. Die Gründe dafür sind vielfältig und es wäre müßig an dieser Stelle Erklärungen zu bemühen, die das Problem dann doch nur notdürftig umkreisen. Nur so viel: Die gerne beklagte Starrheit der Filmförderung hierzulande mag ein, aber nicht DER zentrale Faktor sein.
Umso wichtiger ist es, das zu würdigen was in Deutschland realisiert wird. Denn das ist, angesichts budgetärer Beschränkungen vielleicht auch notwendigerweise, oftmals mit sehr viel Herzblut inszeniert. Und wenn das, unter dem griffigen Motto New Blood kuratierte, Programm der Genrenale eins zeigt, dann das: Der schon dutzende Male totgesagte Genrefilm aus Deutschland ist quicklebendig. Die Langfilme und die als Shots betitelte Kurzfilmsektion zeigten ein enorm breites Spektrum an Themen und Stilen. Von Thrillern (INGENIUM) über düstere Mystery (der Coming-of-Age-Film der etwas anderen Art WO KEIN SCHATTEN FÄLLT) bis hin zu handfester Action (der Short-Film NO WAY OUT) oder Western in den Bergen Bayerns im 19. Jahrhundert (BLEI) blieb kaum ein Genre unangetastet. Das dabei nicht jeder Schuss ein Treffer ist, versteht sich von selbst. Dennoch muss man den Machern bescheinigen, dass sie z.B. bei den Kurzfilmen aus den, laut eigenen Aussagen am Eröffnungsabend, rund 200 Einreichungen einige wirkliche Perlen herausgefischt haben.

Und überhaupt: Der Hauptfilm der Opening Night zeigte sehr gut, dass es möglich ist auch Genrefilme mit sozialen Fragen zu würzen ohne in die hierzulande oftmals hochnotpeinlich vorgetragenen, pädagogisch wertvollen Belehrungen abzudriften. DER LETZTE MIETER, gedreht von Gregor Erler, erzählt davon, was passieren kann, wenn ein ungezügelter Kapitalismus den Mietmarkt vollkommen entmenschlicht und alteingesessene Mieter zum Spielball brutaler Verdrängungsmechanismen werden. Der Thriller setzt dabei auf eine kammerspielartige Atmosphäre und wusste mit gut aufgelegten Darstellern zu gefallen. Dass die jeweiligen Eskalationsstufen nicht immer sauber nachvollziehbar waren, sei dem Film verziehen. Ein gelungener Auftakt, in einer gut besuchten (aber nicht annähernd ausverkauften) Vorstellung.
Passend zum Zeitgeist und der nach wie vor boomenden Flut an postapokalyptischen Filmen und Serien konnte man auch auf der sechsten Genrenale ebenfalls einige düstere Zukunftsszenarien begutachten. Neben ENDE NEU (eine knackige 74 minütige Albtraum-Vision) sei hier vor allem der Langfilm ENDZEIT genannt. Klassischer Zombie-Horror, angesiedelt in Weimar und Jena und deutlich beeinflusst von Erfolgsserien wie THE WALKING DEAD oder THE RAIN.
Insgesamt zeigt die Genrenale, dass man sich um den Nachwuchs der Filmemacher und Filmemacherinnen (ja, es gab tatsächlich auch einige Filme von Regisseurinnen) eigentlich keine Sorgen machen müsste. Auch die Berührungsängste zum Genrefilm und seinen Motiven im deutschen Film- und TV-Mainstream nehmen langsam aber sicher ab (was beim Eröffnungsabend vom Organisator mit dem Verweis auf einige Tatort-Folgen vollkommen richtig eingeschätzt wurde) und bereiten somit den Weg für eine Öffnung innerhalb der Filmkultur hierzulande. Die Kinostarts der Sebastian Fitzek-Verfilmung ABGESCHNITTEN im letzten Jahr sowie aktuell DAS ENDE DER WAHRHEIT von Philipp Leinemann untermauern diese Einschätzung noch zusätzlich. Mit SKY SHARKS steht zudem ein Projekt in den Startlöchern, das als Ankündigung schon mehrere Jahre durchs Netz geisterte und dessen Trailer man bei der Genrenale auf der großen Leinwand sehen konnte.
Bleibt zu wünschen, dass die Genrenale auch im nächsten Jahr wieder die Fahne hochhält und die ganze Vielfalt des Genrefilms aus Deutschland einem aufgeschlossenen Publikum präsentiert. Den Gewinnern der verschiedenen Preise (z.B. Best Film für F FOR FREAKS von Sabine Ehrl) sind auf jeden Fall alle Daumen gedrückt, dass die Auszeichnungen ihnen den Weg für weitere Produktionen ebnen.
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