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Nach den teils etwas banal daherplänkelnden Begegnungen der letzten Monate erwartet den geneigten DURCH DIE NACHT MIT...-Seher im November ein beherzter Griff ins Eingemachte, in diesem Fall Körperflüssigkeiten aller Art. Eine der bislang interessantesten Konstellationen in der Geschichte des Formats: Brian Yuzna, der nimmermüde Hippie des phantastischen Films, trifft im spätsommerlichen Prag auf den französischen Pornotycoon Pierre Woodman.
Beide legen zunächst eine sympathisch bescheidene Selbsteinschätzung vor, dann trifft man sich auf Woodmans Yacht und lernt sich bei einer Fahrt über die Moldau kennen. Schnell entdecken die beiden erste biographische Gemeinsamkeiten und erzählen, wie sie erst nach zahlreichen Umwegen zu den Tätigkeitsfeldern gefunden haben, die sie letztlich berühmt gemacht haben, Woodman erzählt, daß SOCIETY ihn schockiert habe und Yuzna kontert mit kindlicher Freude, er schätze die "künstliche Eigenschaft" von Filmen. Überhaupt zeigt sich Yuzna von Anfang an bemerkenswert neugierig, aufgeschlossen, aber stets kritisch, während sich an Deck zwei tschechische Schönheiten räkeln und ein Ausflugsschiff voller, von süßem Unwissen erfüllt, freudig winkender Touristenfamilien vorbeizieht.
Mit einbrechender Dämmerung begeben sich die beiden mit Handstrahlern zu einem ehemaligen Irrenhaus, das auch als Set für HOSTEL herhalten musste. Yuzna blüht weiter auf, schiebt sich durch Löcher im Mauerwerk und erkundet mit kindlicher Freude die verfallene Ruine, wohingegen Woodman eher etwas besorgt um sein Hemd wirkt. Spätestens wenn Yuzna, im wahrsten Sinne des Wortes ganz in seinem Element, von seinen aktuellen Projekten in Indonesien erzählt und - als wäre es das selbstverständlichste der Welt - verkündet, er würde gegenwärtig an einem Film auf Bahasa über einen "gigantischen, amphibischen Skorpion" arbeiten ("A scorpion that swims!") und Woodman könne gern nach Jakarta kommen um dort in seinem Film zu sterben, wird deutlich, was für ein wundervoller Spinner Yuzna eigentlich ist.
Beim abschließenden Essen in einem Restaurant gewinnt die Begegnung noch mal an Tiefe, als Yuzna den zu alter Souveränität auflaufenden Woodman auf charmante Weise ins Kreuzverhör über sein Metier und seine Methoden nimmt und zu dem Schluß kommt, Woodman sei lediglich ein Casanova und seine Pornographie genauso künstlich wie Yuznas eigene Ergüsse; während Woodman seinerseits dagegen hält und postuliert, Sex sei lediglich Technik und Technik zwischenmenschlichem Gefühl überlegen. Und nachdem Yuzna ihm schließlich sein "2000 Jahre altes" Zwei-Finger-Orgasmus-Geheimnis abgerungen hat und selbst "Bastard" (Selbsteinschätzung) Woodman sich angesichts der zukünftigen Entwicklung der Pornographie besorgt zeigt, klingt der Abend mit Yuznas entwaffnendem Fazit "You're a mainstream porn guy!" und einer Verabredung für den nächsten Tag zum gemeinsamen Mittagessen und anschließendem Besuch des Prager Foltermuseums aus. Diese beiden haben sich noch lange nicht alles erzählt...
Der Film selbst setzt die Begegnung und den sich ergebenden Diskurs in gewohnter Klasse ins Bild, besonders die äußerst pointiert gewählten und gesetzten Ausschnitte aus den Arbeiten der beiden stechen ins Auge und zeigen immer wieder die teils durchaus nahe liegenden und doch überraschend bizarren Parallelen zwischen dem Werk der beiden auf. Wunderbar auch das cold opening, daß den kulturbeflissenen Arte-Zuschauer in der Tat kalt erwischen dürfte und in Großaufnahme die Gestik der beiden einfängt, während sie sich angeregt über Woodmans (mindestens) Zwei-Finger-Orgasmus-Geheimnis unterhalten. Überhaupt dürfte diese Folge mit ihrer nur zu begrüßenden, unverhohlenen Offenheit des öfteren an die Toleranzgrenzen zartbesaiteterer Zuschauer stoßen. Angesichts der bedauerlichen Tatsache, daß dieser hochinteressante, frei-, aber nicht immer einmütige Austausch über die Konventionen des Horrorgenres und der Pornoindustrie, ihre Parallelen und Überschneidungen der Produktionsfirma selbst zu heiß war und deshalb um eine Sequenz beschnitten werden musste, bleibt in freudiger Erwartung der Begegnung des trio infernales Asia Argento mit dem low brow-Künstler Joe Coleman in New York unter der Regie von Jörg Buttgereit zu hoffen, daß dieses innovative und spannende Format auch in Zukunft innovativ und spannend bleibt und nicht im Interesse von Popularität auf Schoßhündchenformat zurechtgestutzt wird.
• Kritik von Jan Zeleny
• Gespräch mit Regisseur Hasko Baumann
• Gespräch mit Pierre Woodman
• Gespräch mit Brian Yuzna
• Special zur Folge PIERRE WOODMAN & BRIAN YUZNA
• Durch die Nacht mit... Forum
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