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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
Durch die Nacht mit... Harmony Korine & Gaspar Noé
von Björn Lahrmann

Durch die Nacht mit... Harmony Korine & Gaspar Noé

Björn Lahrmann im Gespräch mit Bruce LaBruce

Du hast schon zweimal bei DURCH DIE NACHT mitgewirkt, zuerst als Gast (2006, mit Jörg Buttgereit), jetzt als Regisseur. Hat die Erfahrung vor der Kamera deine Tätigkeit hinter der Kamera beeinflusst? Gab es Dinge, die du ändern oder vermeiden wolltest?
    Wenn man bei DURCH DIE NACHT zu Gast ist, bemerkt man die Kameras, den Produktionsapparat und die Anwesenheit des Regisseurs seltsamerweise kaum. Man konzentriert sich hauptsächlich auf den jeweiligen Partner und die vorbereiteten Etappen des Treffens. Dass der damalige Auftritt meinen Regiestil beeinflusst hat, glaube ich eher nicht; allerdings habe ich mir im Vorfeld einige Folgen der Show angesehen und Dinge bemerkt, die ich vermeiden wollte. Zum einen sollten die Herrschaften nicht allzu schnell betrunken werden! Das war kein großes Problem, weil Harmony sowieso nicht trinkt und Gaspar erst nach der Übung auf dem Schießstand zur Flasche greifen durfte. Zum anderen wollte ich nicht zu viel Zeit an ein und demselben Ort verbringen.

Das merkt man der Folge an, sie läuft deutlich schneller ab als gewöhnlich. War das von vornherein geplant oder hat sich das spontan ergeben?
    Mein Vorhaben war, die Episode als eine Art Mini-Spielfilm zu gestalten - ein Buddy Movie, um genau zu sein. Deswegen habe ich versucht, das Tempo eher am Erzählkino zu orientieren. Zwischen einzelnen Szenen gibt es Parallelmontagen, Dialoge und Musik überlappen sich, Songs gehen ineinander über. Ganz allgemein ist der Soundtrack sehr dominant. Ein mood piece sollte die Folge werden, das aber zugleich mit hoher Geschwindigkeit von statten geht.

A propos Buddy Movie: Hast du aktiv dafür gesorgt, dass Harmony und Gaspar sich an ihre jeweilige "Rolle" halten?
    Oh ja, das war Absicht. Sie haben natürlich einerseits sich selbst gespielt; zugleich habe ich ihnen aber nahegelegt, dass sie sich ein bisschen so verhalten sollen wie Jon Voight und Dustin Hoffman in ASPHALT-COWBOY. Deswegen musste Gaspar auch den Cowboyhut die ganze Zeit aufbehalten! (Er stellt natürlich Jon Voight dar.) Hin und wieder habe ich den beiden auch konkrete Anweisungen gegeben; etwa zu Beginn, wenn Harmony beim Einsteigen in die Limo Gaspar den Hut vom Kopf schlägt. Und das Ende der Episode, das ist pures Hollywood.

Nashville birst ja förmlich vor popkulturellem Ballast. Die großen musikalischen Sehenswürdigkeiten lässt du aber außen vor; am Grand Ole Opry z.B., wo seit 1925 wöchentliche Radiokonzerte stattfinden, schwenkst du nur kurz vorbei. Was für ein Bild der Stadt wolltest du vermittel?
    Für mich ist Nashville in erster Linie Robert Altmans NASHVILLE! Deswegen habe ich auch den Schrottplatz als Drehort gewählt: Das war eine Hommage an die Szene in NASHVILLE, in der Geraldine Chaplin über den Schulbusfriedhof irrt - eine Figur, verloren in weiter Landschaft. Das Parthenon, das in Altmans Film ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, ist aus demselben Grund in der Folge. Für Country-Musik interessiere ich mich eigentlich auch, aber das Grand Ole Opry stand kürzlich unter Wasser, deswegen konnte man dort nicht drehen. Ich habe dann privat noch das alte Opry besichtigt, das ist mittlerweile aber eher ein Museum.

Die Szene, in der Chris Gantry in Frauenklamotten Folksongs spielt: das schien geradewegs deiner Fantasie zu entstammen. Oder nicht?
    Nun ja, nein, das entstammt eher Chris Gantrys eigener Fantasie! Offenbar verkleidet er sich abends und an den Wochenenden gerne als Dienstmädchen, so wie in Harmonys neuem Film, TRASH HUMPERS. Weil wir zufällig am Premierenwochenende in Nashville gedreht haben, schien es nur passend, einige Darsteller des Films in ihrem natürlichen Lebensraum zu besuchen! (Einer meiner liebsten Momente der Sendung ist die Einstellung auf Chris' strahlende Freundin, während er "East Nashville Girls" zum Besten gibt. Sie wirkt so stolz - und hat auch allen Grund dazu!)

Nach OTTO und L.A. ZOMBIE berfindest du dich auf dem besten Weg, der George Romero of Queer zu werden. Wie sieht deine Variation des Zombie-Mythos aus?
    L.A. ZOMBIE ist eine Art Komplementärstück zu OTTO, nur sollte es diesmal noch expliziter und gewalttätiger zur Sache gehen. Der Film handelt von einem außerirdischen Zombie, der dem Meer entsteigt und in der Umgegend von Los Angeles nach Leichen sucht, die er ins Leben zurückficken kann. Der Porno- und Gore-Gehalt ist wirklich extrem, trotzdem durfte die Softcore-Version kürzlich beim Filmfestival von Locarno gezeigt werden. In Australien, genauer: beim Melbourne International Film Festival, wurde dieselbe Schnittfassung allerdings verboten.

Deine Filme sind voll von deutschen Themen, du hast viel mit hiesigen Darstellern und Produktionsfirmen gearbeitet. Was zieht dich nach Deutschland, und speziell nach Berlin?
    Berlin ist eine der letzten westlichen Städte, wo man noch den Lebensstil der Bohème pflegen kann. Hier zu wohnen ist relativ billig (zumindest jetzt noch), und es ist eine Stadt, in der die Lebensqualität nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzt. Zudem darf man hier seine sexuellen Fantasien ohne nennenswerte Beeinträchtigungen ausleben. Diese Umstände haben eine inspirierende Wirkung auf mich und erlauben mir, so kreativ zu sein wie nur möglich.

Durch die Nacht mit... Harmony Korine & Gaspar Noé
Durch die Nacht mit... Harmony Korine & Gaspar Noé


Kritik von Björn Lahrmann
Gespräch mit Harmony Korine
Gespräch mit Bruce LaBruce
Special zur Folge Harmony Korine & Gaspar Noé

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