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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
Durch die Nacht mit... James Gunn & Michael Rooker
von Fabian Olbrich

Durch die Nacht mit... James Gunn & Michael Rooker

Fabian Olbrich im Gespräch mit James Gunn

Gleich am Anfang der DURCH DIE NACHT MIT...-Folge sagst Du, dass man die Menschen in L.A. entweder hassen oder lieben kann und dass es stark davon abhängt, mit welchen Leuten man sich umgibt. Seit wann lebst Du in L.A. und hast Du seitdem schlechte Erfahrungen mit den Leuten dort gemacht?
    Ich lebe seit Ende 1998 in L.A. Ich hatte auch einige schlechte Erfahrung, aber wir mir scheint, nicht mehr als an anderen Orten auch. Ja, es gibt viel Leute in L.A., die halsabschneiderisch und opportunistisch sind und die Dinge nach oberflächlichen Maßstäben beurteilen. Aber ich bin im Mittleren Westen unter Provinzialismus, Bigotterie und viel religiöser Einfalt aufgewachsen. Ich bin nicht sicher, ob das eine schlimmer ist als das andere. Und außerdem gibt es überall, wo man ist, auch gute Leute. Ich denke, ich habe ein Talent dafür entwickelt, solche zu finden. Das sind die einzigen Menschen, die ich auch nah an mich heran kommen lasse. Ich distanziere mich aber auch bewusst von vielen Leuten.

Als ihr das Filmset des Independent-Thrillers THE ADVOCATE besucht, sagst Du, Michael Rooker sei zum einen Dein Lieblingsschauspieler zum anderen aber auch der schwierigste, mit dem Du bisher gearbeitet hast.
    Ich kenne Rooker seit er beim Casting für SLITHER war - Ich denke, das war 2005. Er ist schwierig, aber nur deswegen, weil er ein tasmanischer Teufel in Menschengestalt ist, der überall, wo er ist, ein riesen Gewese macht und weil er sturköpfig ist und für das kämpft, woran er glaubt. Aber er ist vor allem ein guter Kerl und das macht die Arbeit mit ihm alles in allem zu einer großartigen Erfahrung. Aber lass ihn bloß nicht wissen, dass ich das gesagt habe. Schreib lieber, dass ich meinte, er sei unglaublich schwierig.

Michael Rooker ist vor allem für sein "Bad Guy"-Image bekannt. Er ist in der Lage, eine bestimmte, verrückte Aura um seine Charaktere herum zu gestalten. Hast Du ihn wegen seiner Fähigkeit, dieses bestimmte Gefühl des Irrsinns auf der Leinwand darzustellen, in Deinen Filmen besetzt?
    Nein, tatsächlich habe ich das nicht deswegen getan. Ich denke, Rooker ist einfach ein großartiger Schauspieler und wahnsinnig gut vor der Kamera - Ich liebe es, interessante Gesichter wie seines zu filmen. Sein Gesicht erzählt eine Geschichte - eine total fertige Geschichte - selbst ohne dass er überhaupt etwas machen muss. Die Wahrheit ist, dass ich Rooker immer als "Good Guy" besetzen wollte, weil ich denke, dass er so am interessantesten rüber kommt. Es scheint aber so, dass ich ihm weiterhin die "Bad Guy"-Rolle zuschiebe wie alle anderen auch. Wie auch immer, ich will behaupten, dass sowohl Grant Grant in SLITHER als auch Abe in SUPER nicht total böse Typen waren - sie sind ziemlich komplex angelegt, so dass, vor allem durch Rookers Performance, wir Mitleid mit ihnen haben können.

Außer des Ausflugs zum Schießplatz habt ihr vor allem Ort ausgesucht, die sich ums Filme machen drehen. Siehst Du L.A. vor allem in Hinsicht auf Deine Arbeit als Filmemacher?
    Moment mal! Zuerst mal haben wir auch einen Comicbuchladen besucht, Meltdown Comics, das wurde aber rausgeschnitten. Und wir haben das Edendale besucht, das Restaurant und die Bar, wo Rooker und ich waren. Und dann war da eine Party bei mir zu Hause! Die Mehrheit der Sachen betraf also nicht die Filmindustrie! Meine Arbeit ist sicherlich das wichtigste für mich, ja, aber gleich danach kommen meine Freunde und selbstverständlich Frauen. Ich werde sogar oft abgelenkt und meine Arbeit hat so nicht immer den Stellenwert, den ich ihr einräumen möchte!

Bilder und Szenen für einen Film "zu schießen" und Zielschießen auf dem Schießplatz sind dem Wortlaut nach ähnliche Vorgänge. In einer anderen DURCH DIE NACHT MIT...-Folge gehen die Filmemacher Gaspar Noé und Harmony Korine auf einen Schießplatz in Nashville, Tennessee. Michael Rooker sagt hinter her zu Dir, dass Du ein Naturtalent bist. Ist das Filmdrehen mit einem schmalen Budget und dem damit verbundenen Zeitdruck vergleichbar mit dem Zielschießen auf dem Schießplatz?
    Ich habe eine gute Augen-Hand-Koordination und habe daher wohl eine Art Gabe für allerhand Sachen, die mit Schießen zu tun haben, ob das Videospiele sind, oder was auch immer. Ich denke, man muss gleichzeitig fokussiert und ruhig am Schießstand sein, ebenso wenn man einen Film rechtzeitig fertig kriegen muss - aber das gilt sicherlich für alle Dinge, bei denen man erfolgreich sein will!

In Deinem neuesten Film SUPER benutzt der Superheld "The Crimson Bolt" eine Rohrzange als Waffe. Das ist vielleicht das absolute waffentechnische Gegenteil zu einer Pistole. Am Ende benutzt auch Feuerwaffen und läuft beinahe Amok. In einem Interview hat Rainn Wilson, der Frank spielt, Travis Bickle in Martin Scoreseses TAXI DRIVER als seinen Lieblingssuperhelden bezeichnet - eine Figur, die Pistolen benutzt, um "den Dreck der Stadt von den Straßen zu spülen", was in einem furchtbaren Blutbad endet. Letztendlich ist seine Motivation persönlichen Ursprungs ähnlich die Franks in SUPER. Ist das Adjektiv "super" eine Metapher für ein solches unbestimmbares Gefühl von Macht und das Superheldenkostüm eine Art Maskerade, um die eigenen moralischen Fehlhandlungen nicht sehen zu müssen?
    Ich denke, der Titel SUPER bedeutet, das jemand versucht, etwas zu machen, dass über das menschliche Maß hinaus geht. Frank ist ein durchschnittlicher Typ, der versucht, etwas Außergewöhnliches zu tun und zu sein. SUPER spielt aber auch im Kontext des "Übernatürlichen" und Franks Verhältnis zu etwas, was er als Gott wahrnimmt. An uns ist es, festzustellen und zu hinterfragen, ob Frank geistig gesund oder verrückt ist und ob sein Verhalten den Film hindurch moralisch oder amoralisch ist. Ich denke, es ist absolut zulässig zu glauben, dass Franks Moralverständnis am Ende des Films mangelhaft ist. Ich hingegen denke das nicht.

In Deinen beiden Filmen SLITHER und SUPER aber auch in zweien Deiner Kurzfilme SPARKY & MIKAELA und HUMANZEE erscheint Gewalt in einem abstrakten, comichaften Stil. Explizite Gewalt erreicht in Comicbüchern die vielleicht extremste Darstellung, denkt man beispielsweise an "Ichi the Killer", bei dem die Verfilmung von Takashi Miike den grotesken Level des Originals trotz seiner Extreme nur ansatzweise erreicht hat. Bietet die Art der expliziten Gewaltdarstellung in Comicbüchern, die Du in Filmen einsetzt, eine Möglichkeit, Gewalt den Anschein des Komischen zu geben?
    Ich denke, die Gewalt in SLITHER und SUPER ist unterschiedlich. SLITHER ist einfach over the top und cartoonartig in der Art sehr blutiger Horrorfilm aus den 80er Jahren. Es ist lustig, weil es schon lächerlich wirkt - genau so ist es bei SPARKY & MIKAELA, HUMANZEE und so war es auch schon bei TROMEO & JULIET. SUPER ist das Gegenteil - der Film ist ziemlich realistisch in den meisten Teilen, hässlich, und, wenn er lustig ist - was nicht immer der Fall ist - hält sich der Humor immer die Waage mit der Brutalität, was uns hoffentlich das Komische hinterfragen lässt. Rookers Tod ist beispielsweise ziemlich entsetzlich. Ich bin mit Comicheften aufgewachsen - ich liebe sie und sie haben mich inspiriert, aber die Gewalt in meinen Filmen ist größtenteils von den blutigen Horrorfilmen beeinflusst, mit denen ich aufgewachsen bin oder den gewalttätigen Regisseuren, die ich liebe - Scorsese, Cronenberg, Peckinpah, Leone, Tarantino etc. - nicht unbedingt Comics. Und, was noch wichtiger ist: Ich sah eine Menge Gewalt als Kind, ich habe mich oft geprügelt und wurde sogar mal von einem Auto die Straße hinunter geschliffen und habe dabei einen großen Teil meiner Zähne und einen Teil meiner Oberlippe verloren. Die Gewalt, die ich selbst erfahren habe, hat mich wahrscheinlich am meisten beeinflusst. Filme zu machen ist meine Art, das alles zu verarbeiten.

Anders herum erreichst Du in SUPER eine Grenze, wo Gewalt nicht mehr lustig ist. Der Witzige daran verschwindet als Frank einen Kerl und seine Freundin, die sich in einer Schlange vor dem Kino vordrängeln, mit seiner Rohrzange niederschlägt. Später zermatscht sein Sidekick "Bolty" beinahe den Schädel von einem Typen, den sie wegen irgendeiner Lappalie verdächtigt. Glaubst Du, dass es die dunkle Fantasie eines tatsächlichen Superhelden im traditionellen Sinne ist, die moralischen Implikationen des Superheld-Seins zu missbrauchen?
    Da haben wir es! Du warst mir einen Schritt voraus. Ich denke, in den meisten Superheldenfilmen findet die Gewalt Off-Screen statt - wir sehen Leute, die sich prügeln, sich gegenseitig k.o. schlagen und in die Luft jagen - aber wir sehen Tod und Gewalt nie wirklich. Ich denke, da ist irgendetwas Unmoralisches dabei. Das ist die wahre Verherrlichung von Gewalt - du kannst so brutal sein, wie du willst, aber du wirst nie jemanden damit verletzen. Die großen Studios mögen es, gewalttätig zu sein, aber sie wollen nie die wirklichen Konsequenzen von Gewalt zeigen. SUPER ist eine Antwort darauf. Wir zeigen wie diese Gewalt wirklich ist, im Gegensatzu dazu, wie sie sonst in der Pop Kultur dargestellt sehen.

Ihr besucht auch das Special Effects Studio MastersFX, das auf prothetische Effekte spezialisiert ist. Denkst Du, dass es wichtig ist, Gewalt realistisch wirken zu lassen oder eher zu überzeichnen wie in Splatterfilmen und den Body-Horror-Filmen der 80er Jahre?
    Ich denke, dass hängt vom Ton des Films ab. Unterschiedliche Filme bedürfen unterschiedlicher Arten der Gewalt.

In der DURCH DIE NACHT MIT...-Folge sehen wir auch einige kurze Szenen aus "Lollipop Chainsaw", einem Videospiel, für das Du die Story geschrieben hast. Hier tauchen viele Aspekte auf, die auch in Deinen Filmen behandelt werden: drastische Gewalt, ein an die Pornofilm-Ästhetik angelehnter visueller Stil, missgebildete Kreaturen und eine comicbuchhafte Narration. Sind Videospiele das beste Medium, um die teils verschiedensten Elemente zu vereinen ohne dabei deren grotesken und lustigen Reiz zu verlieren?
    Ja, möglicherweise. Ich denke, Videospiele sind toll, da sie groß angelegt sind und es so lang dauert bis man durch ist. Du hast dabei viel Zeit, verschiedene Elemente zu spielen. "Lollipop Chainsaw" ist absolut over the top - es ist sogar noch kitschiger und alberner als mein erster Film TROMEO & JULIET. Alles worum es dabei ging, war etwas Witziges zu kreieren. Wir haben dazu jedes uns verfügbare Mittel genutzt - Sex, Gewalt, Comedy, Rock and Roll und so ziemlich alles andere auch.

Durch die Nacht mit... James Gunn & Michael Rooker
Durch die Nacht mit... James Gunn & Michael Rooker


Kritik von Fabian Olbrich
Gespräch mit James Gunn
Special zur Folge James Gunn & Michael Rooker



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