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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
Durch die Nacht mit... Franco Nero & Fred Williamson
von Jan Zeleny

Durch die Nacht mit... Franco Nero & Fred Williamson

Jan Zeleny im Gespräch mit Hasko Baumann

Franco Nero & Fred Williamson Erzähl doch bitte erstmal was darüber, wie die Folge zustande gekommen ist. War es z. B. in irgendeiner Weise problematisch, diese Paarung durchzukriegen? Vor allem Williamson ist ja nicht unbedingt eine Ikone des Bildungsbürgertums...
    Das sind ja eigentlich zwei Fragen. Zunächst einmal ist es so, daß wir bei Avanti Media recht unterschiedliche Leute mit entsprechend unterschiedlichen Vorlieben und Interessen sind. Das ist, denke ich, für DURCH DIE NACHT MIT... ideal, weil das Format deswegen auch so abwechslungsreich ist und die Leute immer wieder überrascht sind, wer dieses Mal wieder dabei ist. Und dann ist es einfach so, daß wir einen wunderbaren Redakteur bei Arte haben, der uns großes Vertrauen entgegenbringt. Man sollte allerdings schon schlüssig erklären können, warum man wen zusammenbringen will.
Bei Nero und Williamson war es so, daß ich zunächst Williamson angefragt habe, ohne mir überhaupt einen Partner ausgedacht zu haben. Ich mag Fred und finde immer wieder Leute großartig für uns, die von sich und ihrer Arbeit überzeugt sind und einen dementsprechend selbstsicheren Auftritt haben. Man denke nur an die unvergeßlichen Performances von Friedman oder Lüpertz! Ihm gefiel die Idee sofort. Er wollte es gern in Rom machen, was mir natürlich sofort gefiel, und er wollte Enzo Castellari treffen. Das wäre dann aber zu sehr Fanveranstaltung gewesen, also mußte ich ihm sagen, daß wir das so nicht machen können. Er sagte: "Just throw names at me. I can make any asshole look good!" Also dachte ich, okay, wer ist in Rom, hat einen großen Namen und paßt. Da kam ich auf Franco Nero. Und Fred sagte: "Ah ja, mit dem habe ich ja TOUGH GUYS von Duccio Tessari gedreht!" Also mußte ich ihm sagen "Nein, Fred – das war Lino Ventura..."
Franco Nero bzw. seine Agentin mußte ein wenig überzeugt werden, aber das hat dann ja auch geklappt.

Mit welcher Erwartungshaltung bist Du an die Folge gegangen? Die Inszenierung legt ja nahe, dass da einiges an persönlichem Enthusiasmus mitgeschwungen sein muss... Bist Du u. U. sogar ein bisschen enttäuscht?
    Enttäuscht bin ich nicht, ich mag das Ergebnis sehr. Natürlich auch, weil ich mich hier in einem Gebiet bewegen konnte, das mich sehr begeistert – Sleaze und Action der 70er und 80er – und das ich dementsprechend auch ein wenig in meine Inszenierung einfließen lassen wollte. Es ist allerdings schon so, daß meine Hoffnungen, zwischen den beiden würde sich sofort so etwas wie Männerfreundschaft entwickeln, ziemlich schnell den Bach runtergingen. Aber es war mir klar, daß es hier darum gehen würde, wer den längeren hat, und das finde ich auch sehr amüsant. Daher habe ich diesen Aspekt auch herausgearbeitet. Enzo Castellari bringt Franco und Fred dann wieder zusammen. Das gefällt mir. Ich weiß ja nun, daß Du dem Film sehr kritisch gegenüber stehst, aber ich finde, das ist tolle Unterhaltung mit so einer leicht flirrenden, heißen Atmosphäre. Franco Nero & Fred Williamson

Man gewinnt ein wenig den Eindruck, dass Williamsons Selbstwertgefühl bis heute darunter leiden würde, dass er es nie so wirklich geschafft hat, aus dem Schatten von Roundtree, Kelly, O'Neal usw. zu treten. Glaubst Du, dass sein permanentes Platzhirschtum daher rührt?
    Nein. Ich glaube, daß Fred Williamson keinerlei Zweifel an Fred Williamson hat. Und mal ehrlich: Roundtree macht Fernsehen, Jim Kelly ist seit Ewigkeiten weg vom Fenster, und O'Neal hat vor seinem Tod auch keine großen Rollen mehr gespielt. Fred macht sein Ding, kompromißlos, und wird immer gutes Geld damit verdienen und ab und zu seinen Kopf in Big Budget-Produktionen wie STARSKY & HUTCH halten.

Hat Williamson seiner Show auch mal Pause gegönnt, wenn die Kameras aus waren, oder ist der wirklich so?
    Der ist so. Ob am Telefon, beim Vorgespräch oder beim kurzen Geplänkel nach dem Dreh. Wobei man wissen muß, daß professionelle Amis folgendermaßen funktionieren: Die haben ein Image, das sie pflegen und hegen, oder das von ihren Agenten bis zum Exzeß propagiert wird. Das heißt folgendes: Wenn Du "The Hammer" anfragst, bekommst Du "The Hammer". Daß Fred permanent diese Show liefert, liegt sicher auch daran, daß er denkt, daß man sie von ihm erwartet.

War der tote Punkt beim Warten auf Bouchet kritisch oder war das so relaxt wie im Film?
    Das war kritisch! Das wollte ich mit meiner kleinen Montage im Film eigentlich auch transportieren. Franco Nero hatte unseren Zeitplan nicht nur mit ausgearbeitet, sondern auch verinnerlicht und wollte unbedingt pünktlich im Restaurant sein. Wir hatten ihm nicht die ganze Wahrheit über Barbaras voraussichtliche Ankunftszeit gesagt. Sowas rächt sich. Ein paar Minuten länger, und wir hätten Probleme mit ihm bekommen.

Franco Nero & Fred Williamson Hattest Du das Treffen mit Bouchet vorgeschlagen, oder wessen Idee war das?
    Ich wollte schon, daß sie eine Frau treffen, und wir hatten verschiedene Namen jongliert. Tatsächlich hat mein Produktionsleiter vor Ort, Tommaso Colognese, irgendwann Barbara vorgeschlagen. Ich hatte sie einmal in New York erlebt, wo sie einen, sagen wir mal bleibenden Eindruck hinterließ. Und da dachte ich, perfekt. Die frage ich. War aber auch nicht so einfach.
Fred hat übrigens hinterher Franco gefragt, wieso wir nicht Ornella Muti genommen hätten.

War geplant, dass sich Bouchet und Williamson wieder erkennen?
    Überhaupt nicht! Das fand ich sehr lustig. Hat sowas Hintergründiges.

Man erwartet zwei ergraute Actionhelden, die sich nichts mehr beweisen müssen – stattdessen trifft man auf zwei hochgradig nervöse Jungs, die unentwegt damit prahlen, wer die grösseren Murmeln hat. Warst Du überrascht oder hast Du mit sowas gerechnet?
    Klar, wie gesagt: Daß die beiden sich gegenseitig die Lümmel vorführen würden, habe ich erwartet. Ich würde allerdings nicht sagen, daß die nervös sind. Da sind kleine Unsicherheiten, aber das mag auch daran liegen, daß gerade Schauspieler sich bei unserem Format immer eine Weile wundern, daß ihnen niemand Anweisungen gibt.

Ich hatte schon den Eindruck, dass die beiden ziemlich um ihr Image bemüht waren, teilweise auch auf Kosten des anderen – als Neros Geprahle mit Fassbinder nach hinten losgeht, wird der ja für ein paar Sekunden zur Schildkröte...
    Das wirkte auf mich ein wenig so, als wäre er ziemlich konsterniert, daß Williamson noch nie was von Fassbinder gehört hat. An anderer Stelle, das ist allerdings nicht im Film , sagt Williamson zu Nero, daß er ihn gern treffen wollte, weil sich ihr Image so ähnele und daß er nichts mit "serious actors" anfangen könne...

Das ist doch wunderbar. Warum ist das nicht mit drin?
    Ich finde, daß man immer aufpassen sollte, daß man nicht allzu sehr in eine Richtung abkippt. Die Sache mit Fassbinder hat dasselbe etwas subtiler klar gemacht. Und beides wäre zuviel gewesen. Franco Nero & Fred Williamson

Hat sich die Spannung zwischen den beiden während des Drehs in irgendeiner Weise negativ bemerkbar gemacht?
    Also, ein bißchen haarig war die Nummer im Jazzclub. Für uns war es eh nicht so toll, weil der Laden visuell nichts hergab, und Orte mit lauter Musik eh unbrauchbar für uns sind. Nun war aber der dargebotene Jazz auch noch so fürchterlich altbacken, daß bei Fred die Stimmung verständlicherweise ziemlich den Bach runterging. Das hat Enzo wieder aufgefangen. Solche Eventualitäten muß man vorher im Hinterkopf behalten. Deshalb habe ich das Treffen mit Enzo so spät angesetzt.

Und wie haben die beiden sich verstanden, wenn die Kameras nicht liefen?
    Solche Momente gibt es ja nicht. Die Kameras laufen immer. Als der Dreh rum war, haben sie "Tschüss" gesagt und sind in zwei verschiedene Autos gestiegen. Aber auf YouTube ist kurioserweise ein Video aufgetaucht aus dem Jazzclub, wo Fred mit Franco seinen Geburtstag begeht. Und der war einen Tag später!

Dann scheinen sie sich ja ganz gut verstanden zu haben. Williamson hat, um's mal höflich zu formulieren, anscheinend ein sehr einnehmendes Wesen. Wollte er die Nummer schonmal komplett an sich reißen und den Verlauf des Abends diktieren, oder hat er sich damit begnügt, seine Rolle zu spielen?
    Absolut. Er hat nicht einmal den Plan sehen wollen. Er sagte nur "I just go with the flow." Wenn er mitmacht, macht er mit. Franco hat hingegen mit uns den Plan ganz genau durchgesprochen, inklusive der Fahrtzeiten, und ihn dann tatsächlich auswendig draufgehabt. Also führte er ein wenig durch den Abend.

Was hat Dich bei der Vorstellung, die die beiden da abliefern, eigentlich davon abgehalten, zwischendurch auch mal was Klamaukiges aus dem Œuvre der beiden reinzuschneiden? Und komm mir jetzt nicht mit Williamsons Kampfszenen...
    Ich weiß jetzt nicht, worauf Du hinauswillst...

Franco Nero & Fred Williamson Dann will ich es mal etwas unerbittlicher auf den Punkt bringen: Du sagtest, Du würdest die Folge mögen, weil Du die Möglichkeit hattest, Deinen Enthusiasmus in die Inszenierung einfließen zu lassen. Angesichts des Gepickes, das zwischen den beiden abgeht, finde ich die extrem stylishe Inszenierung aber etwas unreflektiert...
    Ja? Ich möchte eigentlich dem Zuschauer die Möglichkeit geben, sich selbst zu entscheiden, wie sie zu den Protagonisten stehen. Und so fielen bislang auch die Reaktionen auf den Film aus – manchen geht Williamson auf die Nerven, manche finden Nero zu schlapp, manche finden beide toll. Selbst damals bei Houellebecq und Bieito habe ich mich um Offenheit bemüht, und tatsächlich gab es nicht wenige, die ihr Idol Houellebecq nach Ansicht des Films für seine Verweigerung bejubelten.

Anstatt dass die beiden in Anekdoten schwelgen, entwickelt sich das ganze stellenweise ja zu einem sehr insider-mässigen Gespräch über die Europloitation-Szene der 70er und 80er. War es mühsam, die Folge für den Durchschnittsseher nachvollziehbar zu halten, oder war das von Anfang an kein Kriterium?
    Ich wollte versuchen, sowohl den Fan wie auch den Durchschnittsseher zufrieden zu stellen. Daher sind viele Anekdoten rausgeflogen, die eigentlich Spaß gemacht haben. Ziemlich viel Geläster über ziemlich viele Leute. Und sie haben zusammen den Boxchampion Marvin Hagler angerufen, was ich ziemlich abgefahren fand. Was jetzt noch drin ist, finde ich durchaus universell verständlich.

Ich hoffe auf den Audiokommentar… Und was wollte Franco am Ende noch für eine Geschichte loswerden?
    Eine Geschichte über die Kirche und den Brunnen auf der Piazza Navona. Aber das war alles eingerüstet, und man konnte nichts erkennen. Er hat die Geschichte trotzdem erzählt, und wir hatten sie bis kurz vor Schluß auch drin, aber sie war sehr lang und nicht gerade mitreißend. Wir haben sie nur so lang behalten, weil Freds Satz "Ich hab da ne Story, die ist viel kürzer als Deine..." das sehr lustig abfing. Geht aber auch so.

Eine letzte Frage: Der Abschied war doch fake, oder was?
    Wie kommste denn darauf? Hust...


Kritik von Jan Zeleny
Gespräch mit Regisseur Hasko Baumann
Special zur Folge FRANCO NERO & FRED WILLIAMSON

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