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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
Durch die Nacht mit... Uli Edel & William Friedkin
von Björn Lahrmann

Durch die Nacht mit... Uli Edel & William Friedkin
Durch die Nacht mit... Uli Edel & William Friedkin
Durch die Nacht mit... Uli Edel & William Friedkin

Es war einmal, da gehörte William Friedkin zu den Prinzen von New Hollywood. Mindestens einen Film lang war jeder der neue Orson Welles, Friedkin gleich zweimal in Folge: FRENCH CONNECTION und DER EXORZIST, künstlerisch wie kommerziell ein triumphaler Doppelschlag. In der zweiten Hälfte der 70er wurde die Klasse von '68 dann peu à peu zwangsmaturiert, gemeinsam mit Leuten wie Michael Cimino und Peter Bogdanovich landete Friedkin unsanft auf der Schattenseite der Publikumsgunst. In den 80ern noch zwei verkannte Meisterwerke, CRUISING sowie LEBEN UND STERBEN IN L.A., danach: Fernseharbeiten, dünne Thriller, Kleckerkram.

So die offizielle Variante, eine klassische Karriereniedergangsfabel, der man den sozialen Abstieg beinahe vollautomatisch hinzudichtet (Pathosformel: "einsam und verarmt"). Was freilich Kokolores ist: Friedkin residiert als saturierter Hollywoodianer höchst komfortabel in einer Villa in den Hills, mit Aussicht, Koch und cremeweißer Innenausstattung. Vom Spirit der Ex-Jungen Ex-Wilden ist nicht viel geblieben, er schwärmt vom nachbarschaftseigenen Sicherheitsdienst, inszeniert Opern und traut sich bei mitteldichtem Verkehr nicht über die Straße.

Für DURCH DIE NACHT MIT... empfängt er Uli Edel, Exilbadischer Regie-Routinier mit weit gespreiztem Stand- und Spielbein, hüben das amerikanische Fernsehen, drüben Bernd Eichinger. Im Friedkin'schen Wohnzimmer flackert wie zur Erinnerung DER BAADER MEINHOF KOMPLEX über den Plasmascreen. Eine etwas seltsame Vorstellung von Gastfreundschaft ist das: Menschen mit Produkten ihrer selbst zu umgarnen. Allerdings nur konsequent, wenn man bedenkt, wie egoman Friedkin beizeiten tickt. Ein fairer Ausgleich, sozusagen.

Zwei Register kennt sein Gespräch mit Edel: Fachsimpeln und Eierschaukeln. "Ach wie toll ist FRENCH CONNECTION" – "BAADER MEINHOF noch viel mehr." Du hast den Größten, nein Du, nein Du. Paritätisch klappert man die gegenseitigen Filmografien ab, palavert über Storyboards und Cop Movies. Nerds unter sich. Beim Dinner reminisziert Friedkin ausgiebig von einer Promo-Tour durch Deutschland und hat hinterher in der Limo Pizzareste zwischen den Zähnen. Edel, sonst ganz der höfliche Stichwortgeber, nutzt die Pause, um geschickt eine Anekdote vom RASPUTIN-Dreh unterzubringen; Friedkin fischt sich derweil geistesabwesend in der Futterluke herum.

Den Großteil der Episode nimmt ein Q&A vor Filmstudenten ein. Soeben ist im engen Hochschulkino BAADER MEINHOF zu Ende gegangen, worüber jetzt angeregt diskutiert werden soll, aber vorher, bittet der Moderator, könntest Du, Bill, vielleicht noch ganz kurz... Das lässt Friedkin sich nicht zweimal sagen. Aufblühend tapert er über die Bühne, gibt mit zunehmendem Eifer Schwänke aus seiner Laufbahn zum Besten, man merkt: tausendfach erzählt, immer wieder gut. Sehr viel fuck, es ist eine Freude, zuzuhören. Edel sitzt daneben und grinst großmütig.

Später droht es tatsächlich noch ernst zu werden, man redet über unterschiedliche Wahrnehmungen von Terror, den Wandel politischer Protestkultur. Wie es damals möglich war, mit der RAF zu sympathisieren, will Edel erklären, verkneift sich aber die Details. Für sein Land sterben würde er nie und nimmer, sagt Friedkin; daheim dient ihm trotzdem eine US-Flagge als Sofaüberwurf. Ein Anflug des Gelegenheitskonservativen, der schon beim Abendessen aufgefallen war; da hatte Edel sich als beinharter Atheist geoutet, Friedkin daraufhin den empfindlichen Agnostiker raushängen lassen. Wie Figuren in einem Woody-Allen-Film, nur auf die blasphemische Pointe wartet man vergebens.

Ein wenig undankbar gerät die Paarung für die Regie, insofern es herzlich wenig Optionen gibt, in engen Räumen lange Monologe einzufangen. Bildschön immerhin die für die Reihe charakteristischen Inserts zu Chilloutklängen, Müll im Betonbett des L.A. River, Ölpumpen im abendlichen Flamingolicht. Marode und ein bisschen abgekämpft wirkt Hollywood in diesen Momenten. "Getting old is not for sissies", schnauft Friedkin auf dem Weg zu Edels Haus, ein kernstädtisches Anwesen mit Geschichte. Baujahr 1907, Wertarbeit des alten, des ganz alten Hollywood. Friedkin bewundert die Bausubstanz wie etwas, mit dem er sich verbunden fühlt. Überm Küchentresen stößt man zum Abschied an, mit Mineralwasser.



Kritik von Björn Lahrmann
Special zur Uli Edel & William Friedkin

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