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DER BAADER MEINHOF KOMPLEX (Deutschland 2008)

von Martin Eberle

Original Titel. DER BAADER MEINHOF KOMPLEX
Laufzeit in Minuten. 150

Regie. ULI EDEL
Drehbuch. BERND EICHINGER
Musik. PETER HINDERTHÜR . FLORIAN TESSLOFF
Kamera. RAINER KLAUSMANN
Schnitt. ALEXANDER BERNER
Darsteller. MARTINA GEDECK . MORITZ BLEIBTREU . JOHANNA WOKALEK . NADJA UHL u.a.

Review Datum. 2008-09-23
Kinostart Deutschland. 2008-09-25

Wie nah uns noch die Ereignisse um die RAF in dieser Republik sind, sieht man in steter Regelmäßigkeit. Da braucht es nur eine kapitalismuskritische Grußbotschaft, ein unbotmäßiges Wort eines inhaftierten RAFlers, und wie von Furien aufgeschreckt überbietet sich die bundesrepublikanische Meinungs- und Politikkamarilla von Hetzern wie BILD/Spiegel und Konsorten bis hin zu BDI-Präsidenten und anderen Berufenen mit lauthalsen Forderungen nach Abkehr von der Vergangenheit, Unterwerfung, Kotau vor dem System.

In diese Gefahr begibt sich Uli Edel nicht. Er hangelt sich chronologisch an den Ereignissen entlang, hakt alle wichtigen Stationen ab, vom Schah-Besuch über die Kaufhausbrandstiftung, Entführungen bis zu den Stammheim-Prozessen. Seine Inszenierung ist sicher, solide, nüchtern, und bei Gelegenheit lässt er es ordentlich krachen. Die Anschläge und Morde werden brutal deutlich gezeigt. Mätzchen hat Edel nicht im Sinn. Aber auch die damalige gesellschaftliche Geisteslage nicht, die junge Menschen in Wut und Zorn, später dann in den Untergrund treiben konnte: ein drög-lähmendes Deutschland, die Verstrickung der Repräsentanten der jungen, aufgezwungenen Demokratie mit dem abgesetzten NS-Regime, das Schweigen darüber, die Repression eines Establishments, das am Liebsten keine Fragen hören möchte, keine Antworten geben will.

DER BAADER MEINHOF KOMPLEX ignoriert diesen Zustand der Republik. Mit kleiner aber feiner Perfidie wird sogar geschickt Stimmung gegen das Aufbegehren gemacht. In einer lügnerischen Montage der Bilder brennen zuerst das Kaufhaus, die Lieferwagen der Springerpresse, danach brennt es in Vietnam. Auch bei den einschneidenden Ereignissen des Schah-Besuchs 1967 kommt erst der Wurf eines Mehlsacks aus den Reihen der Protestierenden auf die Jubelperser, dann folgt die brutale Reaktion der beanzugten Claqueure, mit Holzlatten, später mit Polizeiknüppeln. So verkommt eine Szene, die in jeder halbwegs ordentlich gemachten Doku immer noch das volle Empörungspotenzial in einem Menschen herauskitzelt, zu einem anekdotischen Moment. Ein Moment, den die Demonstranten, zumindest bildlich, provoziert und damit scheinbar selbst zu verantworten haben. Ein hässlicher, manipulativer Moment.

Schade, denn die versammelte crème de la crème der deutschen Schauspielerstarelite gibt ihr Bestes. Alle, fast alle sind dabei: Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Jan Josef Liefers (wo war eigentlich Veronica Ferres?), und sie geben sich die größte Mühe, die historischen Vorlagen exakt zu kopieren. Martina Gedeck sieht aus, hört sich an, guckt auf den Boden wie Ulrike Meinhof. Moritz Bleibtreu, entfesselt und mit Freude am "Fotze"-schreien, poltert, flucht und fährt Porsche wie man sich das von Andreas Baader zumindest vorstellen möchte. Nur Grosspolitikerkopist Bruno Ganz hat auf einen einfachen Bundeskriminalamtsleiter, Horst Herold, keinen Bock. Olle Bruno gibt trotzig eine trutschige Helmut Schmidt-Parodie. Unter einem Reichs- bzw. Bundeskanzler macht er es einfach nicht mehr. Können wir uns eines Tages wohl auf Gerhard Schröder und Angela Merkel freuen, am Besten als Doppelrolle.

Zurück zur RAF. Die relativ liberale Konsensdemokratie, in der wir uns befinden und mit der Regisseur Uli Edel und Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger auf die bleierne Zeit zurückschauen, ist nur möglich geworden durch die Umbrüche, die durch 68 erreicht wurden. Ihr Film aber ist der kalte, unreflektierte Blick zweier Kriegsgewinnler, denen der Stoff, den sie verwursten, egal ist. Kalte, kalkulierende Fische, die um den Preis guter Bilder und einer möglichst einfachen Story eine Entwicklungsphase dieser Republik denunzieren, eine Phase, die trotz aller Verwirrungen etwas zivilisatorische Qualität in ein vorher völlig dumpfes, düsteres Land gebracht hat.

DER BAADER MEINHOF KOMPLEX, keine Aufarbeitung, vielmehr der Versuch eines schäbigen Abschlusses. Aber dafür ist es noch zu früh.











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