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UNENDLICHE TIEFEN

Special.
AVATAR – Avatar Day Screening
von Stefan Mader

TERMINATOR. ALIENS. TERMINATOR 2. TRUE LIES. TITANIC. James Cameron kann eine wahrlich beeindruckende Reihe hervorragender und/oder kommerziell einträglicher Filme vorweisen. Seit dem schier unfassbaren Erfolg von TITANIC 1997 herrscht jedoch, zumindest was Spielfilme angeht, Funkstille im Hause Cameron. Würde der Meister fortan nur noch IMAX-Dokus drehen und Fernsehserien produzieren?

AVATAR
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Natürlich nicht. Bereits im Juni 2005 fand sich im Manifest-Forum die Ankündigung eines neuen Films Camerons unter dem zugegebenermaßen wenig aussagekräftigen Arbeitstitel PROJECT 880.
Geheimnisvoll blieb dieses Projekt jedoch auch nach der Bekanntgabe des tatsächlichen Titels, AVATAR, da über den Inhalt erstaunlich wenig an die Öffentlichkeit drang. Auch Bildmaterial gab es lange Zeit nicht und selbst Konzeptskizzen waren und sind Mangelware. Das ist ungewöhnlich, man kann sich heutzutage der unzähligen vorproduzierten making ofs, set reports und behind the scenes featurettes für so ziemlich jeden x-beliebigen Käsefilm kaum erwehren, erzeugte andererseits aber auch eine enorme Erwartungshaltung unter Sci-Fi-Fans. Diese wurde durch die spärlichen Kommentare jener wenigen Auserwählten, denen ein kleiner Einblick in AVATAR gewährt wurde, nur noch weiter angeheizt – von nichts Geringerem als einem neuen Kapitel der Filmgeschichte war die Rede. Angesichts dieser erstaunlichen Geheimhaltung könnte es einem fast wie ein zynischer publicity stunt erscheinen, dass das groß angekündigte AVATAR-Panel auf der diesjährigen San Diego Comic Con zu einem guten Teil von "Sitzenbleibern" des vorangegangenen Panels des zweiten TWILIGHT-Teils frequentiert wurde, während sich Hundertschaften an AVATAR interesssierter Besucher vor der Halle vergeblich die Beine in den Bauch stehen mussten.
Mehr oder weniger zeitgleich wurde jedoch der 21. August von der Fox zum weltweiten "Avatar Day" erklärt, an dem nicht nur der Trailer veröffentlicht, sondern in ausgewählten Kinos auch etwa eine Viertelstunde an Filmmaterial zu sehen sein würde, ehe der Film im Dezember die Kinokassen klingeln lassen soll. Das kann durchaus als Zugeständnis an die lange hingehaltene geek community verstanden werden (Camerons kurze Einleitung vor dem Screening richtet sich eindeutig an ein Publikum, das eine ungefähre Ahnung hat, was es erwartet), soll AVATAR darüber hinaus aber bestimmt auch im Bewusstsein einer breiteren Zuseherschicht verankern – denn dass ein grandioser Internethype nicht automatisch einem grandiosen Flop am Box Office vorbeugt sollte spätestens seit SNAKES ON A PLANE erwiesen sein. Bei einem kolportierten Produktionsbudget AVATARs von 300 Millionen Dollar ist eine solche Bruchlandung selbstredend keine Option.
Ein weiterer Grund für den "Avatar Day" liegt freilich in der angemessenen Präsentation, die das Material verlangt, wie die eher durchwachsenen Reaktionen auf den im Internet veröffentlichten AVATAR-Teaser beweisen. Ein popeliger Computerbildschirm kann es eben doch nicht mit einer Kinoleinwand aufnehmen, schon gar nicht wenn die Erwartungshaltung Großartiges fordert.

AVATAR
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Doch widmen wir uns zunächst einer Frage, die in allen Diskussionen um AVATAR bislang sträflich vernachlässigt wurde – worum geht's eigentlich?
Sehr viel mehr als was aus diversen Pressemeldungen bereits bekannt ist lässt sich leider auch nach dem Screening (bei dem – dankenswerterweise spoilerfrei – nur Szenen aus der ersten Hälfte des Films präsentiert wurden) nicht sagen. Demnach reisen im 23. Jahrhundert Menschen auf den fernen Planeten Pandora, der der urzeitlichen Erde nicht unähnlich erscheint. In den für zivilisationsgeschädigte Menschen durchaus unwirtlichen Dschungeln Pandoras lebt neben riesenhaften Pflanzen und haushohen, furchteinflößenden Raubtieren auch eine Spezies katzenhafter Humanoider, die Na'vi. Diese werden von den terrestrischen Militärs als "gefährliche Primitive" angesehen und um Informationen über diese zu erhalten unterziehen sich die Biologin Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver), der querschnittgelähmte Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) und ein paar andere Menschen einer neuartigen Prozedur, während der sie Na'vi-Körper erhalten (daher vermutlich der Titel). In weiteren der gezeigten Szenen wird dem zunächst wenig subtilen und nur bedingt sympathischen Jake von Neytiri (Zoe Saldana) der für die Na'vi typische Respekt vor dem Leben und der rücksichtsvolle Umgang mit dem eigenen Lebensraum näher gebracht, ohne dabei penetrant die Moralkeule zu schwingen. Zum Abschluss gab's einen Filmausschnitt, in dem Jake eine Art Na'vi-Intiationsritus zu bestehen hat, bei dem er eine Flugechse zähmen und sich auf eine Art geistiger Verbindung mit dem Wildtier einlassen muss.
Wenn das gezeigte Material als repräsentativ für den ganzen Film gewertet werden darf, so sollte AVATAR seine zwischen Sci-Fi und Fantasy pendelnden Handlungselemente gut mit rasanter Action ausbalancieren und dies dabei zu jeder Zeit in atemberaubende Bilder packen können, denn optisch war jeder der Ausschnitte beeindruckend.

AVATAR
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Eine gewisse Künstlichkeit der Bilder lässt sich zwar nicht leugnen, dass AVATAR allerdings, wie von manchen Kritikern mit Häme bekrittelt, wie eine XBox-Cutscene aussieht, trifft jedoch auch nicht zu, selbst wenn die im Vorfeld vollmundig angekündigte, hundertprozentig fotorealistische Qualität der CGIs nicht ganz erreicht werden konnte. In der Tat sind Cameron und sein Team ihrem ambitionierten Ziel allerdings sehr nahe gekommen und ein Teil der "Sieht aus wie'n Videospiel"-Zwischenrufe ist bestimmt auch der Tatsache geschuldet, dass wir als Rezipienten so durch und durch fremdartig aussehende Biosphären bislang ausschließlich aus eben jenem Medium kennen.
Sogar die von vielen (sicher nicht ganz zu Unrecht) als nettes aber keineswegs essenzielles Gimmick abgetane 3D-Technik macht sich in AVATAR da und dort bezahlt. So sehen beispielsweise die holographischen Computerbildschirme in 3D richtig plastisch und, ja, echt aus.
Schließlich ist natürlich noch das verbesserte Performance Capture-Verfahren zu erwähnen. Wie bereits Andy Serkis in der LORD OF THE RINGS-Trilogie Gollum seine Persönlichkeit verleihen konnte, sind auch die Na'vi in AVATAR keine generisch animierten Charaktere – so ist etwa Sigourney Weaver selbst in feliner CGI-Gestalt und inmitten einer Gruppe anderer Na'vi jederzeit an ihrer Körpersprache und Mimik zu erkennen.
Zugegeben: Das auch im Trailer enthaltene Schnittstakkato am Ende des Screenings, das inhaltlich eine Eskalation der Konflikte zwischen den Na'vi und den sich auf Rohstoffsuche wie Elefanten im Porzellanladen gebärenden Menschen vermuten lässt, erinnert aufgrund der Fluggeräte und der Mechs der Menschen mehr an Command & Conquer und Starcraft als mir lieb ist. Es steht damit in starkem Kontrast zu den zuvor gezeigten Szenen und gießt Wasser auf die Mühlen der kritischen Stimmen. Wie wir alle aus Erfahrung wissen, vermitteln Trailer aber immer wieder auch nicht ganz korrekte Eindrücke und lassen komplexere Aspekte gerne mal unter den Tisch fallen.
Im Zuge des ganzen Hickhacks über das Für und Wider technischer Aspekte sollte nicht vergessen werden, dass James Cameron neben aufwändigen Effektspielereien auch sehr gut in der Lage ist, interessante Geschichten zu erzählen und dabei Emotionen zu transportieren. Wenn Jake zu Beginn des Films, nach erfolgreichem Transfer in einen Na'vi-Körper, zum ersten Mal seit Jahren wieder seine Beine spürt, so ist dies eine bewegende Szene. Die Tatsache, dass diese Emotion ohne Dialog und vor allem und ohne "richtigen" Schauspieler (wir sehen lediglich das computergenerierte Na'vi-Gegenstück Worthingtons) transportiert wird, sickert erst irgendwann später ins Bewusstsein.

AVATAR
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Unterm Strich bleibt zu mutmaßen, dass die von diversen Persönlichkeiten im Filmbusiness postulierte revolutionäre Neuartigkeit AVATARs weitaus stärker den Prozess des Filmemachens an sich betrifft, als das Endprodukt. Ich persönlich vermute, dass SFX und 3D-Technik am Ende nur das Tüpfelchen auf dem i sein werden und die wahre Leistung Camerons bei AVATAR in der Erschaffung einer kompletten, lebendigen Welt mit eigenen Lebensformen, eigener Kultur und Sprache liegt. Vielleicht vergleichbar, wenngleich diese Anmerkung sehr spekulativ ist, mit elbischen und orkischen Sprachen sowie Jahrhunderten an fiktionaler Geschichte für Mittelerde, die Tolkien bei der Entstehung des LORD OF THE RINGS bereits ausgearbeitet hatte und die sozusagen "im Hintergrund" wesentlich zur Stimmigkeit des fertigen Werks beitragen.
Selbstverständlich sind all diese Schlussfolgerungen keineswegs in Stein gemeißelt, sondern leiten sich nur von einem sehr kurzen Einblick in den Film ab. Zwei Dinge lassen sich allerdings mit Sicherheit sagen. Erstens: James Cameron sieht den theatrical release nicht als lästigen Zwischenschritt vor der Veröffentlichung der DVD, sondern macht nach wie vor Filme explizit fürs Kino. Das an sich sollte man schon mal honorieren.
Und zweitens ist die Vorfreude auf AVATAR, gerade weil Cameron sich nicht ausschließlich auf das Effektspektakel verlässt, nach wie vor riesengroß.
Im Dezember sehen wir weiter!




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