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KAPITELWAHL

KIND 44 (USA 2015)

von Hasko Baumann

Original Titel. CHILD 44
Laufzeit in Minuten. 137

Regie. DANIEL ESPINOSA
Drehbuch. RICHARD PRICE
Musik. JON EKSTRAND
Kamera. PHILIPPE ROUSSELOT
Schnitt. DYLAN TICHENOR . PIETRO SCALIA
Darsteller. TOM HARDY . NOOMI RAPACE . GARY OLDMAN . JOEL KINNAMAN u.a.

Review Datum. 2016-05-15
Erscheinungsdatum. 2014-10-22
Vertrieb. CONCORDE

Bildformat. 2.40:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DTS/DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Als ich im Winter 2011 den Auftrag erhalte, mit dem britischen Schriftsteller Tom Rob Smith für Arte "Durch die Nacht" zu drehen, bin ich zunächst unbeeindruckt - von Smith habe ich noch nie was gehört, richtig begeistert bin ich dafür von seinem Partner für die Sendung, Stanley Tucci! Der wiederum ist richtig begeistert von Tom Rob Smith, so daß ich mir Smiths Erfolgsroman CHILD 44 geben lasse, um mir meinen eigenen Eindruck zu verschaffen. Bis heute bin ich dankbar für diese Fügung des Schicksals! Das Buch erweist sich nicht nur als vielschichtiges Seelenportrait eines zerrissenen Mannes und als doppelbödige Liebesgeschichte, sondern darüber hinaus auch noch als lebendige, niederdrückende Darstellung des Lebens im Stalinismus, ohne dabei jemals die Sowjets an und für sich zu diffamieren. Und dann ist CHILD 44 auch noch ein unfaßbar spannender Psychokrimi, dessen Seiten sich quasi von selbst umblättern, während man bibbernd an den Nägeln kaut!

Regisseur Daniel Espinosa (SAFE HOUSE) und Drehbuchautor Richard Price haben von all dem so gut wie nichts übrig gelassen. Über die völlig bekloppte Angewohnheit der Amis, Schauspieler mit absurd doofen (hier: russischen) Akzenten radebrechen zu lassen, will ich mich gar nicht auslassen; sprechen wir mal nur von der Story. Selbst ein renommierter Schreiber wie Price, der immerhin THE COLOR OF MONEY und SEA OF LOVE genauso verantwortet hat, wie weite Teile der Über-Serie THE WIRE, geht vor der Komplexität des Romans in die Knie. Zugegeben, den sich nur langsam entwickelnden Charakterzügen des MGB-Offiziers Leo Demidow und dem sich ebenso schleichend zuspitzenden Thrillerpuzzle wäre wohl nur eine Miniserie heutiger Fernsehqualität Herr geworden. Aber Price rumpelt sich über Gebühr ungeschickt durch die erste halbe Stunde des Films, in der er und Espinosa verzweifelt versuchen, Charaktere und Setting einzuführen. Ratlos wird ein verstolpertes Aufeinanderfolgen von Szenen mit klischeehafter Bratschenmusik auf Russendisko getrimmt; mehrfach hat man das Gefühl, hier oder da fehle etwas (daß etwa das ältere Ehepaar, das Leo besucht, seine Zieheltern sind, muß sich der des Buches unkundige Zuschauer selbst zusammenreimen).

Dann findet CHILD 44 langsam zu sich. Das liegt nicht zuletzt an der bemerkenswerten Darstellungen vom sonst als Bumskopp verrufenen Tom Hardy und der herausragenden Noomi Rapace, die als Leos Ehefrau zwischen Resignation und Auflehnung schwankt. Der Kriminalfall, nämlich eine unerklärliche Mordserie an Kindern (das 44. Opfer ist der Sohn eines Kollegen von Leo), bringt den Film in Gang. Aber leider nicht lange, denn auch hier darf man sich mitunter fragen, warum Leos Vorgesetzte - und nicht nur sein Intimfeind Wassilli, von "Robocop" Joel Kinnaman sehr robomäßig gespielt, ihn unbedingt an seinen Ermittlungen hindern wollen. Oder warum sein einziger Verbündeter (Gary Oldman) so sang- und klanglos aus dem Film verschwindet.

Keine Antworten. Stattdessen lassen Espinosa, Price und wer auch immer diesen Wahnsinn zu verantworten hat, komplett die Hosen runter. Die Auflösung der Mordfälle, also das Motiv des Killers, das den Roman durchgehend in Rückblenden durchzieht und der Story erst die perfide Spannung gibt, wird im Film komplett weggelassen. Showdown, bums, aus. Die Geschichte ergibt nun in der Tat überhaupt keinen Sinn mehr - nicht nur bezüglich des Kriminalfalls als solchem, sondern als erzählerisches Ganzes. So ist ein leidlich unterhaltsamer, gut gespielter, bis auf das übliche Cello-Geschubber zumindest okay inszenierter Film zu einer himmelschreienden Unverschämtheit geworden, die nicht nur das Buch und dessen Autor, sondern auch den denkenden Zuschauer verhöhnt.

DVD.
Handelsübliche Ausstattung mit käsigem Making Of. Technisch ist das alles in Ordnung. Positiv hervorzuheben ist die deutsche Sprachfassung, in der niemand mit absurd doofem Akzent spricht und die sich als heute selten gewordene, durchaus liebevolle Synchronisation erweist.








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