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FILM.
Inzwischen ist bekannt, dass sich die Filme von Terrence Malick erst im Schnitt finden. Quasi nach dem Motto: Wir drehen, was wir können, und was wir damit machen: schau'n mer mal. Die PARADIES-Trilogie des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl weist eine nicht unähnliche Vorgeschichte auf, sollten die drei Handlungsstränge doch eigentlich in einem einzigen Spielfilm enthalten sein. Erst in der Postproduktion habe sich Seidl entschlossen, die Geschichte zu dritteln. Wie gut, dass scheinbar ausreichend Material gedreht worden ist, haben die drei Filme doch in ihrer Summe eine Laufzeit von über fünf Stunden. Im Mittelpunkt des Projektes stehen eine 50-jährige Wienerin, ihre jugendliche Tochter und ihre eigene Schwester sowie das Urlaubserlebnis einer jeder dieser Frauen.
PARADIES: LIEBE machte dabei den Anfang und erzählt die Reise der 50-jährigen Teresa (Margarethe Tiesel) nach Kenia. Dort angekommen schwärmen ihre Freundinnen von den Vorzügen der kenianischen Beachboys, die für materielle Gegenleistungen den älteren Frauen ihre sexuellen Dienste anbieten. Zuerst widerstrebend lässt sich auch Teresa schließlich auf einen der Kenianer ein. Als dieser vermehrt nach finanzieller Unterstützung für seine Familie fragt und irgendwann ganz verschwindet, nimmt Teresas Urlaub andere Bahnen als von ihr gewünscht. Dass sie ihre Tochter nicht ans Handy bekommen kann und diese ihren Geburtstag vergisst, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Speziell zu Beginn des Films scheint die TV-Doku-Drama-Ästhetik von Seidl noch besonders durch, wenn die Handlung in Wien und im normalen Umfeld von Teresa beginnt. Mit dem Landschaftswechsel an die farbigen Strände Kenias hebt sich jedoch der Film deutlich von den beiden in Österreich spielenden Kollegen ab. Teresa manövriert zwischen Strand, Hotel und afrikanischen Dörfern und verleiht PARADIES: LIEBE somit einen globalen Touch. Das Culture-Clash-Element trägt seinen Teil dazu bei, wenn Teresas erste Handlung im Hotel ist, die Toilette und das Bad zu reinigen oder wenn sie und ihre Freundinnen sich einen Spaß daraus machen, einen kenianischen Barmann Wiener Frotzeleien beizubringen. In Seidls langen Einstellungen evoziert das anhaltende Gegackere dann fast schon Fremdscham.
Geprägt ist die Handlung - wie der Titel bereits andeutet - von Teresas Streben nach Liebe. Entsprechend mag sich ihre Naivität im Umgang mit den Beachboys erklären, die fast den gesamten zweiten Akt ausmacht. Prinzipiell lässt Seidl manche Szene vielleicht einen Tick zu lange laufen oder wiederholen - beispielsweise wenn Teresa mal ihrem Beachboy erklärt, wie sie ihre Zungenküsse haben will und dann wiederum ein anderes Mal ihr Petting -, als Ausbruch aus dem Alltag funktioniert der Film aber auch ohne dass der Zuschauer diesen eingangs en detail erfährt. Zugleich geben PARADIES: LIEBEwie auch PARADIES: GLAUBE minimale Einblicke in eine Parallelwelt zu denen ihrer weiblichen Protagonistinnen. Hier zur kenianischen Kultur abseits des Tourismus und dem Austausch von körperlicher Zuneigung und Wertschätzung gegen eine finanzielle Absicherung und Unterstützung.
Über weite Strecken verkommen die Kenianer für die weiblichen Figuren dabei zu bloßen Objekten, auf die teils sogar rassistisch herabgeblickt wird (darunter, wenn ihre dunkle Haut für ihren Duft nach Kokos gelobt wird und man sie versucht, wie Tiere zu dressieren). Dass die Männer wirklich Geld für ihre Familie benötigen, steht dabei außer Zweifel und rechtfertigt ihre Motivation. Die Tragik des Films liegt im Missverständnis von Teresa, was die Transaktion angeht und die Identifikation des Beziehungsverhältnisses. Als wirklichen Sozialkommentar sollte das Publikum das Drehbuch von Seidl, das dieser mit seiner Gattin Veronika Franz verfasst hat, aber nicht deuten. Wie das biblische Paradies ist auch das der (wahren) Liebe für Teresa (noch) nicht zu greifen. Aber wäre es sonst ein Paradies?
DVD.
Der Bildtransfer überzeugt speziell in den Afrika-Szenen und hebt sich über TV-Ästhetik ab, die Tonspur kommt in Stereo (2.0) und Surround (5.1) daher. Extras gibt es keine.
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