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Der Zusammenhang zwischen den drei Filmen von Seidls Trilogie wird bereits im ersten Teil PARADIES: LIEBE hergestellt. Die Hauptdarstellerin dort gibt ihre Tochter bei einer Bekannten ab, eben jener Figur, gespielt von Maria Hoffstätter, um die sich in GLAUBE alles dreht. Die Tochter wiederum wird im Abschlussfilm HOFFNUNG in den Mittelpunkt gerückt.
Gleich in der ersten Szene geißelt sich jene Anna Maria und tut Buße für ihre verkommene, sexbesessene Umwelt. Doch mit der Zeit wird immer klarer, dass diese Frau, der es vordergründig darum geht, dass "Österreich wieder katholisch wird", von ihren eigenen Obsessionen geplagt wird. Somit verwischen sich das übliche Motiv eines masochistisch-katholisch-extremistischen Leidenswahns mit einem inneren Schuldkomplex. Der Charakter wird, je schizophrener er dargestellt wird, umso stimmiger, ja wahrhaftiger, was natürlich zu einem großen Teil der ganz wunderbaren Hoffstätter zu verdanken ist, die ganz und gar in dieser Rolle aufgeht.
Neben ihr lässt Ulrich Seidl wie so oft Laiendarsteller agieren. Er hat seine eigene Methode, sie natürlich wirken zu lassen, indem er allen Schauspielern die Information vorenthält, wie der Gegenpart in der Szene reagieren wird. Durch diese Form der Improvisation, gelöst vom stichwortgeprägten Schauspiel bleibt ihr Spiel stimmig.
Nicht so ganz geht dies allerdings diesmal bei Rene Rupnik auf, den Seidl bereits 1997 im Dokumentarfilm DER BUSENFREUND portraitiert hat. Rupnik kann man als "Wiener Original" klassifizieren, die Billeteurinnen des Metrokinos haben ihm den Spitznamen "Sackerlkaiser" verpasst. Fast jedem Wiener, der einigermaßen regelmäßig die örtlichen Programmkinos aufsucht, wird er schon mal aufgefallen sein, wenn er mit seinen Unmengen an Plastiksackerln meistens zu spät kommend sich laut raschelnd in eine der vorderen Reihen setzt.
In PARADIES: GLAUBE geleitet er die auf Bekehrungstour befindliche Anna Maria in Unterhose in eine (aller Wahrscheinlichkeit nach seine) Messiebude. Sein Auftrag in der Szene ist offensichtlich, die arme Frau nach allen Regeln der Kunst zu frotzeln. Das klappt auch ganz gut, wenn er die Marienstatue auf einem Müllberg platzieren will oder sich gegen das Niederknien auflehnt. Doch als er das "Vater Unser" in seine eigenen Worte kleiden will, scheitert er damit dann doch. Das wirkt weder komisch noch natürlich sondern leidlich aufgesetzt und gestelzt. Doch letztlich zeigt wohl auch das ein wenig von seiner Art. Dass er sich gerne und etwas zwanghaft in den Mittelpunkt stellt, hat man auch sonst bald mal den Eindruck.
LIEBE und GLAUBE haben allerdings mehr miteinander gemein, als die erwähnte lose inhaltliche Klammer und die Seidlsche Handschrift mit den perfekt kadrierten ruhigen Einstellungen, die so kontrastreich sind zu den gängigen Versuchen, Spielfilmen einen dokumentarischen Anschein zu geben. Beide Filme geben am Anfang einen ganz kurzen Einblick in den beruflichen Alltag ihrer Protagonistin, die kurze Zeit später in den Urlaub geht. In beiden geht es auch um interkulturelle Beziehungen. So werden sie als Gegenstücke eingeführt, auch wenn sie sich schon bald ganz unterschiedlich entwickeln. LIEBE ist über die gesamte Laufzeit betrachtet einen Tick unterhaltsamer, GLAUBE hat doch vereinzelte Längen. Dafür überrascht der zweite Film der Trilogie umso mehr, erwischt einen unvorbereitet und bricht mit den Erwartungen. Die Handlung in LIEBE verläuft weitgehend so ab, wie man es sich nach Etablierung des Settings vorstellt. Gesehen haben muss man aber beide Filme, wenn auch nicht aus Verständnisgründen.
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