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KAPITELWAHL

STURM AUF FESTUNG BREST (Russland 2010)

von David Leuenberger

Original Titel. BRESTSKAJA KREPOST
Laufzeit in Minuten. 132

Regie. ALEKSANDR KOTT
Drehbuch. VLADIMIR EREMIN . ALEKSEJ DUDAREV . KONSTANTIN VOROB'EV . EKATERINA TIRDATOVA
Musik. JURIJ KRASAVIN
Kamera. VLADIMIR BAŠTA
Schnitt. MARIJA SERGEENKOVA
Darsteller. ALEKSEJ KOPAŠOV . ANDREJ MERZLIKIN . PAVEL DEREVJANKO . ALEKSANDR KORŠUNOV u.a.

Review Datum. 2012-02-27
Erscheinungsdatum. 2011-09-27
Vertrieb. ASCOT ELITE

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DTS/DD 5.1) . RUSSISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Der 22. Juni 1944 ist ein Datum, das in Russland jedes Grundschulkind kennt. Gemäß sowjetischem und heutigem russischen Standpunkt begann an diesem Tag der "Große Vaterländische Krieg" gegen das faschistische Deutschland. Aus der Sicht Nazi-Deutschlands war dieser Tag der Beginn eines ideologischen Kriegs zur Vernichtung des Weltkommunismus und zur Eroberung von "Lebensraum im Osten". Aus Perspektive einer globaleren europäischen Geschichte begann die Eskalation des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs und schon wenige Wochen nach dem Einmarsch die ersten Massenermordungen des Holocaust. STURM AUF FESTUNG BREST nimmt hingegen eine Mikroperspektive ein: die Stadt Brest mit ihrer historischen Festung lag an der damaligen Grenze zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich, die knapp zwei Jahre lang im gegenseitigen Einverständnis den polnischen Staat zerstört hatten und war somit eines der ersten Angriffsziele der Nazis. Der Film zeigt die knapp über eine Woche dauernde Belagerung der Festung durch die Augen eines (fiktiven) Zöglings der Armee-Kappelle sowie zweier Offiziere und eines Kommissars, die auf realen Personen basieren.

STURM AUF FESTUNG BREST erscheint in einigen Kundenrezensionen eines großen Online-Versandunternehmens als Alptraum für deutsch-tümmelnde Hobby-Geschichtsrevisionisten: die Deutschen seien, was könnte man von Russen anders erwarten, übertrieben böse dargestellt, dabei war doch die gute alte Wehrmacht so unschuldig und sauber. Wie schockierend außerdem, dass sowjetische Kommissare als Helden dargestellt werden... Ja, das Geschichts- und Russlandbild dieser Idioten treibt einem Tränen in die Augen (Wuttränen), ihre Beherrschung deutscher Grammatik ebenso (hier natürlich Lachtränen). Jeder Film, der vom deutschnationalen Pöbel so einstimmig abgelehnt wird, verdient unser besonderes Interesse.

Tatsächlich ist STURM AUF FESTUNG BREST kein wahrhaftig schlechter Film, aber auch alles andere als ein Meisterwerk. Kommen wir erst einmal zu den Stärken: "Die Spezialeffekte und die Arbeit der Schauspieler haben mir sehr gut gefallen", meinte ein befragter Zuschauer nach der Filmpremiere vom 22. Juni 2010 im weißrussischen Brest. Wie wahr! Die Action-Sequenzen sind tatsächlich überaus gelungen: packend und mitreißend, sowohl in den größeren (Gebäude-Explosionen) wie auch in den kleineren Zusammenhängen (Nahkampf-Szenen). Letztere sollte man, wie es sich bei einem Actionfilm gehört, nicht allzu sehr auf realistische Stichhaltigkeit hinterfragen. Auch das Schauspielensemble vermag insgesamt zu überzeugen, am hervorragendsten sticht aber in der Rolle des Majors Gavrilov der im Ausland weitestgehend unbekannte Aleksandr Koršunov hervor, seines Zeichens vor allem Theaterschauspieler.

Das Rohmaterial des Films, übrigens auch die Ausstattung, ist von höchster Qualität. Seine Verarbeitung weist jedoch eindeutige Mängel auf. Eher störend und befremdlich als spannungssteigernd wirken die Zeitlupen, die scheinbar nach Zufallsprinzip und ohne jeglichen erkennbaren Mehrwert eingesetzt werden. Sicher nicht gar so dämlich wie bei 300, aber auch nicht so radikal konsequent. Auch Jurij Krasavins Musik dröhnt besonders in der ersten Hälfte des Films erbarmungslos pathetisch vor sich hin, so dass mancher Moment fast schon parodistisch erscheint. Interessanterweise finden aber in der zweiten Hälfte die Grundstimmung des Films und der Musik zueinander. Weniger ist eben oftmals mehr. Neben offensichtlichen Schwächen leidet der Film aber auch unter der einen oder anderen Peinlichkeit, und damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass der Schauspieler Andrej Merzlikin im Vorspann falsch buchstabiert wird (nämlich "Merzilkin"). Vielmehr glaubt man mehrere Minuten lang, dass der völlig misslungene Epilog an Rührseligkeit kaum zu übertreffen sei, bis dann der Abspann kommt... und ihn doch übertrifft! Wer kommt auch auf die Idee, einen schmalzigen Popsong, der wie eine russische Travestie von Italo-Pop klingt, für den Filmabspann zu nutzen?

Schade. STURM AUF FESTUNG BREST hätte, mit einigen kleinen Änderungen und einer gewissen Straffung durchaus das Potential zu einem viel besseren Film gehabt. Ob er dann auf emotionaler Ebene tiefgründiger geworden wäre, sei jedoch dahingestellt. Denn dafür bleiben die vier Hauptfiguren trotz exzellenter Darstellung zu holzschnittartig. Stilistisch versucht STURM AUF FESTUNG BREST etwas oberflächlich Elem Klimovs Partisanenepos und Meisterwerk GEH UND SIEH aus dem Jahre 1985 zu folgen: die kindliche Erzählperspektive, die Sequenz der Photopose mit dem sowjetischen Gefangenen, die brutale Ermordung von Zivilisten mit Flammenwerfer, der Hörverlust beim Einschlagen der deutschen Geschosse. Die emotionale Tiefe und die fast traumatisierende, erschütternde Wirkung seines großartigen sowjetisch-weißrussischen Vorbilds erreicht STURM AUF FESTUNG BREST jedoch zu keinem Moment.

DVD.
Schöne Verpackung mit nettem Pappschuber (gütigerweise ohne FSK-Logo) und Wendecover. Zusammen mit einem viel zu langen Making-Of, der vor allem aus den üblichen Making-Of-Belanglosigkeiten besteht, gibt‘s noch den deutschsprachigen Trailer als Bonus. Bild und Ton (zumindest der russische) sind exzellent. Lediglich die Untertitel sind teilweise nicht immer ganz genau und, was weitaus störender ist, werden an mehreren Stellen bis zu einer halben Minute zeitversetzt eingeblendet (sowohl zu früh wie auch zu spät).








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