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KAPITELWAHL

SOMMER DER LIEBE (Deutschland 1992)

von Heiko Hanel

Original Titel. SOMMER DER LIEBE
Laufzeit in Minuten. 98

Regie. WENZEL STORCH
Drehbuch. WENZEL STORCH . FRANK PETERS . IKO SCHÜTTE
Musik. DIET UND IKO SCHÜTTE . THE BUTTERFLIES . THE DETAILS
Kamera. WENZEL STORCH
Schnitt. IKO SCHÜTTE
Darsteller. JÜRGEN HÖHNE . ALEXANDRA SCHWARZT . SARA MANKAU . FRAUKE WILHELM u.a.

Review Datum. 2011-12-18
Erscheinungsdatum. 2011-01-15
Vertrieb. CINEMA SURREAL

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Oleander ist ein Reisender, der sich in den Siebziger Jahren regelmäßig in Klöstern einquartiert. Den Nonnen geht er mit Reparaturarbeiten zur Hand und macht sich damit so unentbehrlich, dass sie sich in ihn verlieben. So auch jetzt. Mit den zwei verliebten Nonnen baut er das Kloster zum Rockkloster um. Lauter Langhaarige rocken darin und essen Schmalzbrote. Oleander geht mit den Nonnen auf eine Odyssee. Dort trifft er kopulierende Käfer, Lakritzgeige spielende Ureinwohner, Igel in Spielzeugautos und kaffeetrinkende Omas. Die Seventies sind keineswegs so harmlos wie man meint und so wird die Tramperin Trixi von einem netten Onkel zu Popwurst verarbeitet. Doch das Schicksal ist gerecht und das Gesicht des Onkels endet in der Friteuse. Letztendlich verliert Oleander sein Leben und auch seine Beine weil er zu seiner Beerdigung nicht komplett in einen Römertopf passt. Trotzdem gibt es ein Happyend.

15 Jahre nach Erfindung der DVD bringt Cinema Surreal über deren Website den besten Deutschen Film überhaupt heraus. Jahrelang nur als VHS bei Jelinski / Buttgereit und dann gar nicht mehr erhältlich, erblickt diese Perle des Deutschen Kinos endlich neu abgetastet das Licht der Welt. Wie aus dem nichts kam 1992 dieser absolut einmalige hypnotische Film, den der Hildesheimer Ex-Ministrant Wenzel Storch mit Hilfe von vielen Bekannten fast ohne Geld in einem Bauernhof auf Super 8-Film herstellte und später mit einfachsten Mitteln und mit Hilfe des Europa Hörspielkassettensprechers Hans Paetsch vertonte. Während zahlreiche Kritiker die Mischung aus Musical, Lehrfilm, Petting, Langen Haaren, Stoffigeln, Römertöpfen und Kannibalismus damals als dummen Pennälerwitz abtaten und einen kleinen Obulus seitens der Filmförderung heftig kritisierten, wurde er ausgerechnet von der Bildzeitung gelobt. Völlig zu recht: stecken in der Geschichte des Klosterschrecks Oleander, der mithilfe einiger Ordensschwestern und seinem aus Pappe zusammen gebastelten Rock-Klosters die Siebziger Jahre unsicher macht, mehr Ideen als im Lebenswerk so manchen Meisterregisseurs. Die phantasievollen Animationen mit Filzstift, Puppen, Schablonen und Postermotiven legen den Vergleich zu alten Kindersendungen nahe. Es wäre jedoch schade, Storchs künstlerische Vision zu übersehen, nur weil sein Film nun mal eben auch sehr lustig ist. SOMMER DER LIEBE ist reinste Poesie. Und zwar natürlich von der wildesten und verrücktesten Art. Man kann diesen halluzinogenen Film wie ein Musikstück konsumieren und das immer und immer wieder. Storch hat nach der sehr schwierigen Produktionsgeschichte seines letzten Films REISE INS GLÜCK wenig Lust, einen neuen Film zu drehen. Das wäre allerdings eine Schande angesichts eines Genies, das fernab der Deutschen Filmindustrie mit drei Spielfilmen ein eigenständiges Universum geschaffen hat, welches den Welten eines David Lynch, der Quay Brothers oder Jan Svankmajers in nichts nachsteht. Auch wenn sich Storch nicht als Künstler sieht: das hier ist Kunst. Irrsinnig lustige Kunst. Und wer hat so was in den letzten 20 Jahren des Deutschen Kinos hinbekommen? Genau. Niemand sonst!

DVD.
Die Umsetzung auf DVD ist großartig. Das bunte Digipack dieser limitierten Erstausgabe fällt ähnlich liebevoll aus wie bei Storchs zuletzt veröffentlichter REISE INS GLÜCK. Im üppigen Booklet finden sich neben einer Stellungnahme des Regisseurs und vielen Bildern und Zeichnungen vor allem Reaktionen der überrumpelten Presse auf den Film. Wie zu erwarten, bringen die negativen Reviews nebst der Stellungnahme einer autonomen Frauengruppe den meisten Spaß. Man wundert sich ein wenig über den Insiderstatus von Storchs Werken, wenn man sieht wie viele große Deutsche Printmedien Sommer der Liebe damals ziemlich euphorisch besprochen haben. Bild und Ton sind frisch abgetastet, sehr farbig und angesichts des von Super 8 auf 16 mm aufgeblasenen Originalmaterials voll von naturbelassenem Filmkorn. Angesichts des exzessiven Gebrauchs von Filtern kommen natürliche Farben in der Zelluloidversion ohnehin nicht vor. Die geschnittenen Szenen der "Resterolle" sind schon ziemlich hinüber und ein Musikvideo mit Bela B ganz nett. Mehrere Dokumentationen über die Entstehung des Films zeigen, mit welcher Phantasie und mit wie viel Mut trotz fehlendem Geld Storch sein Projekt durchzog. Das Haus, in dem Sommer der Liebe gedreht wurde, war im Anschluss unbewohnbar. Mut hatten auch Cinema Surreal, die sich solche Mühe gegeben haben, diese Krönung des Deutschen Filmschaffens in einer großartigen DVD-Edition auf den Markt zu bringen. Ende des Jahres soll dann noch IM GLANZ DIESER TAGE folgen. Jetzt müsste sich nur noch jemand ROLLO ALLER von Henrik Peschel für den Hausgebrauch vornehmen. SOMMER DER LIEBE ist nur über die Website von Cinema Surreal zu bestellen.








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