|
FILM.
"Ich habe eine Hassliebe zu George Lucas", verrät der Podcaster Matt Cohen zu Beginn von THE PEOPLE VS. GEORGE LUCAS und gibt dem Dilemma George Lucas zugleich seinen verdienten Namen. George Lucas, das ist jener Mann, dem wir STAR WARS zu verdanken haben. Und der uns wiederum sein Privatvermögen von über 3 Milliarden Dollar verdankt. Millionen von Menschen wuchsen mit der STAR WARS-Trilogie auf, die seither fester Bestandteil der Pop-Kultur geworden ist. "Sein Werk entfachte die Phantasie einer gesamten Generation", heißt es an einer anderen Stelle im Film. Groß war daher die Vorfreude, als Lucas für 1999 THE PHANTOM MENACE ankündigte. Endlich wieder STAR WARS! Das Ergebnis, ein Kinderfilm, war für die Fans eine riesige Enttäuschung, wie auch die folgenden Filme der neuen Trilogie in Fankreisen eher moderat aufgenommen wurden. "Wir sagten nie, wir wollen gute STAR WARS-Filme", ruft Cohen ins Gedächtnis: "Wir sagten, wir wollten STAR WARS-Filme".
Alexandre Philippe widmet sich in seinem Dokumentarfilm nun dieser besonderen Beziehung zwischen George Lucas und seinen Fans. Deren Ärgernis ist neben der misslungen Prequel-Trilogie - bei den Fans oft reduziert auf ihren Hass bezüglich Jar Jar Binks - Lucas' kontinuierliches "Verbessern" der Original-Filme. Diesbezüglich teilt sich THE PEOPLE VS. GEORGE LUCAS in seinen knapp anderthalb Stunden so gesehen in zwei Themenkomplexe. Ersterer befasst sich mit den Prequels. Entstanden aus Obi-Wans Bemerkung in A NEW HOPE, dass sich Anakin Skywalker in den Klonkriegen der dunklen Seite zuwandte, haben die Prequels zumindest narrativ keine wirkliche Funktion im STAR WARS-Universum. Denn die Original-Filme funktionieren weitaus besser, ohne einen 6-stündigen Prolog - speziell, wenn er jenem "Ich bin dein Vater"-Moment den Wind aus den Segeln nimmt.
Marketingstrategisch sind die Prequels dagegen ein Geniestreich. Weshalb Filmkritikerin Wendy Ide von der britischen The Times George Lucas durchaus treffend als "das böse Genie des Marketings" beschreibt. Schließlich hat Lucas sein Vermögen nicht so sehr mit den STAR WARS-Filmen, wie dem STAR WARS-Merchandise gemacht. So erklären sich auch nervige Figuren wie die Ewoks in THE RETURN OF THE JEDI oder jener Jar Jar Binks in THE PHANTOM MENACE - sie lassen sich gut kleinen Kindern verkaufen. Völlig zu recht hält Francis Ford Coppola, Lucas' alter Weggefährte aus den Siebzigern, eine Trauerrede, in welcher er den Verlust des Künstlers George Lucas bedauert, der zu einem Entrepreneur geworden ist. Auch Lucas selbst merkt in Archivmaterial an, zu dem geworden zu sein, dass er bekämpfen wollte. Zu seinem eigenen Darth Vader. Und hier liegt auch der Schmerz der Fans. "Er war einer von uns", blickt Matt Cohen betrübt zurück.
Die Prequels gehören also nicht zu dem "Sozialphänomen" STAR WARS, das unzählige Fan-Filme und Parodien inspirierte wie den Ewok-Exploitationer DON'T GO IN THE ENDOR WOODS. Auszüge aus einigen dieser Fan-Filme finden sich in Philippes Dokumentarfilm wieder und stellen populäre Szenen der Original-Trilogie nach. Was wiederum zum anderen Thema führt: Lucas' Zwang, die Originalfilme inhaltlich wie visuell mit jeder DVD-Veröffentlichung zu verändern. Von der ewigen "Han Shot First"-Diskussion über digitale Verbesserungen von Jabba bis hin zu Luke wie er im Finale von THE EMPIRE STRIKES BACK mal schreiend und dann wieder nicht schreiend in seinen vermeintlichen Tod stürzt. Hier betritt THE PEOPLE VS. GEORGE LUCAS nun Gefilde, ob solche Änderungen erlaubt sind - weniger legal denn kulturhistorisch. Immerhin sagte eine große Kinopersönlichkeit 1988 vor dem US-Kongress: "Unsere Kulturgeschichte darf nicht umgeschrieben werden". Diese Kinopersönlichkeit war George Lucas.
Damals sprach er sich gegen die Farbkolorierung von alten Schwarzweißfilmen aus, was es für die Fans noch unverständlicher macht, wie Lucas mit seinen eigenen Werken verfährt. So ersetzt er Oscarprämierte (!) Effekte aus den Siebzigern mit digitalen Effekten von heute - und ändert damit in gewisser Weise Filmgeschichte. Denn die Originalfilme, und das ist die größte Anklage der Fans, vertreibt Lucas nicht in ansprechender Form auf den neuen Medien. Ginge es nach ihm, würden alle die aktuellste Version von STAR WARS kaufen - schließlich ist er nicht von ungefähr ein Marketinggenie. Nur: Wie viel haben die aktuellen Versionen mit ihrer digitalen Arbeit noch mit jener Fassung gemein, die 1978 von der Academy für ihre visuellen Effekte, ihren Ton ausgezeichnet wurde? Wenn Lucas also schon nicht unbedingt eine Verantwortung gegenüber seinen Fans hat, hat er dann zumindest eine gegenüber der Kulturgeschichte?
Die Erörterung dieser Fragen überlässt Philippe den Fans, darunter auch Todd Hanson von der Satirezeitschrift The Onion, sowie einigen "Experten" wie Filmdozenten, Künstlern wie Comic-Autor Neil Gaiman oder Gary Kurtz, Produzent der Original-Trilogie. Unterbrochen werden die Talking Heads, einige selbstaufgezeichnet mittels Webcams, von Segmenten aus dem unzähligen Fan-Material. Das Ergebnis ist ein Dokument der Beziehung von George Lucas und der STAR WARS-Fans, indem jedoch die Angeklagten zum Schweigen verdammt sind. Was nicht bedeutet, dass THE PEOPLE VS. GEORGE LUCAS kein objektiver Film wäre oder zum Bash-Fest verkommt, nur schlauer ist man am Ende auch nicht. Denn die hier artikulierten Diskussionen sind zumindest den Fans seit einem Jahrzehnt vertraut. Weshalb der Film zuvorderst den Zuschauern empfohlen wäre, die sich nicht als STAR WARS-Fans sehen. Wobei dann wohl das Verständnis für alle Protagonisten fehlt, für die STAR WARS mehr ist als nur ein Film. Denn um die Hassliebe zu George Lucas nachvollziehen zu können, muss man schon einer von uns sein.
DVD.
Da teilweise Fan- oder Webcam-Material verwendet wurde, variiert das Bild, ist in seiner Summe jedoch ebenso wie der Ton zufriedenstellend. Das Bonus-Material besteht aus einer Sammlung der Fan-Submissions, die mal mehr und mal weniger nett anzusehen sind, selbiges gilt für eine 40-minütige Poetry Slam-Session zu STAR WARS. Des Weiteren gibt es vier Interviews mit Regisseur Philippe, in denen er zum einen sich und zum anderen seinen Film inhaltlich wiederholt, was ihre Inklusion etwas unnütz macht. Am interessantesten fallen noch die drei erweiterten Interviews mit Todd Hanson, sowie Gary Kurtz und Lucas-Biograph Dale Pollock aus, wobei nur Hanson wirklich etwas zum Thema des Dokumentarfilms beisteuert. In seiner Summe wäre da wohl mehr drin gewesen, beispielsweise eine Kooperation mit Mike Stoklasa vielleicht, um dessen geniale Prequel-Rezensionen zu integrieren oder ein Featurette über die von Lucasfilm an der Original-Trilogie vorgenommenen Änderungen.
|
|
|