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KAPITELWAHL

KING OF THORN (Japan 2009)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. IBARA NO OU
Laufzeit in Minuten. 105

Regie. KAZUYOSHI KATAYAMA
Drehbuch. KAZUYOSHI KATAYAMA . HIROSHI YAMAGUCHI
Musik. TOSHIHIKO SAHASHI
Kamera. MATSUHIRO SATO
Schnitt. SHUICHI KAKESU
Darsteller. SENDAI ERI . KANA HANAZAWA . TOSHIYUKI MORIKAWA . SAYAKA OHARA u.a.

Review Datum. 2011-02-19
Erscheinungsdatum. 2010-11-26
Vertrieb. I-ON NEW MEDIA

Bildformat. 1.77:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . JAPANISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
In der nahen Zukunft geht das Medusa-Virus um, das Infizierte in sechs Wochen buchstäblich versteinert. Die Herkunft ist ebenso mysteriös wie eine Heilungsmethode unbekannt. 160 zufällig ausgewählte Patienten werden auf einem entlegenen schottischen Schloss in einen langen Kälteschlaf versetzt, in der Hoffnung, zwischenzeitlich eine Heilung zu finden.
Als die Patienten aufwachen, ist klar, dass etwas schiefgelaufen ist. Statt von einfühlsamen Pflegern und hygienischer Aseptik sind sie umgeben von dicken Dornenranken und fleischfressenden Monstern. Bald ist nur noch eine kleine Gruppe Überlebender übrig, die gemeinsam einen Weg aus dem Schloss suchen. Gefahr droht dabei nicht nur von der feindlichen Umgebung. Nicht jeder Patient ist wirklich der, der er zu sein vorgibt.

KING OF THORN basiert auf einer Vorlage, dem gleichnamigen Manga von Yuji Iwahara, aber man hat das Gefühl, dass es eigentlich mehrere Vorlagen gewesen sein müssten, so wie die Geschichte durch Genres und Stimmungen und an Vorbildern vorbei hetzt. Alles beginnt wie ein melancholisches Zukunftsmärchen für Mädchen, wird in der Mitte Knall auf Fall zu einem harten Action-Horror-Thriller für Buben und endet als esoterischer Psycho-Techno-Terror-Trip für Abiturienten. Dabei wird vor allem der moderne Science-Fiction-Film fast schulisch durchgenommen, vom entspannt durchgedrehten Computer aus 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM über die Monster der ALIEN-Filme bis zum Gefängnisszenario und der Figurenkonstellation von CUBE. Aber nicht nur andere Filmwerke übten Einfluss aus. Einer der Patienten, ein kleiner Junge, vergleicht ständig die Situationen, in denen sich die Gruppe befindet, mit Situationen aus seinen innig geliebten Videospielen. Das ist mehr als ein kleiner Running Gag. Nicht nur hilft die Fachkenntnis des Jungen den Figuren öfter, brenzligen Situationen zu entkommen. Auch erinnert KING OF THORN tatsächlich häufig an Videospiele, einerseits angesichts seiner Dynamik, andererseits in seiner Atmosphäre. Am liebsten würde man mitspielen, aus sicherer Entfernung am Controller. Die Verbindung von gotischem Gruselschloss und blitzeblanken High-Tech-Laboren, die anstrengende Monsterbekämpfung und die oft daraus resultierenden kopflosen Fluchten erinnern frappierender an die RESIDENT EVIL-Spiele, als es die RESIDENT EVIL-Filme tun. Die Bezüge auf DORNRÖSCHEN derweil sind anfangs noch etwas bemüht, wenn eine der Figuren ständig bedeutungsschwanger aus dem Märchen vorliest, die Ereignisse in Text und Film sich aber allenfalls oberflächlich ähneln. Eine engere, clevere Verbindung, die dann auch nicht auf dem Silbertablett serviert wird, zeigt sich erst im überraschungsreichen Finale, nach dem einige Figuren und Geschehnisse neu bewertet werden müssen.
Diverse Charaktere sind nicht, was sie scheinen. So war es vielleicht eine bewusste Entscheidung, ihnen anfangs psychologisch nicht allzu viel Fleisch auf die Knochen zu geben, um ihre Geheimnisse möglichst lange zu bewahren. Die nur scheinbar oberflächliche Charakterisierung und die (tatsächlich) banalen Dialoge sind die einzigen ernsthaften Vorwürfe, die man KING OF THORN machen könnte, wobei man ersteren nach kompletter Durchsicht gerne wieder zurücknimmt.

Weil KING OF THORN keines der gestreiften Werke direkt zitiert (abgesehen von DORNRÖSCHEN), sondern lediglich sehr allgemeine Konzepte übernimmt und integriert, wird daraus kein abgeklatschter Patchwork-Film, sondern ein komplett eigenes, unverwechselbares Erlebnis. Grafisch präsentiert sich das in gloriosem Real-2D mit ein paar Fake-3D-Hintergründen und einer Farbpalette, die auch erwachsene, europäische Zuschauer nicht nervös macht. Damit ist man handwerklich auf der Höhe der Zeit, ohne eine Vorreiterrolle einzunehmen, was ja aber auch keine Pflicht ist. Ebenso modern ist bei allen klassischen Vorbildern die Handlung. Denn neben den genannten Werken zeigt der Film auch erstaunliche Parallelen zu ganz aktuellen Erzählungen, etwa Justin Cronins Riesenschmöker DER ÜBERGANG mit seinem Endzeit-Mythos vom auserwählten Kinde, oder INCEPTION mit seiner Verquickung von unbewältigten Traumata und der ungezügelten Macht von Unterbewusstsein und Fantasie. Das alles hat freilich ebenfalls nichts mit Diebstahl zu tun, schon rein zeitlich wäre das nicht möglich, sondern mit Zeitgeist. Geschichten wie diese, in denen sich die innere Apokalypse äußerlich manifestiert (ob real oder fantasiert), liegen dieser Jahre in der Luft. Wir werden in kommenden Jahren analysieren, woran das gelegen hat. Schon jetzt steht fest: KING OF THORN ist ein sehr gut geratenes Exemplar seiner Gattung. Vielleicht eines der besten.

DVD.
Der Film sieht gut aus und klingt auch so, sogar auf Deutsch. Das muss reichen, denn ansonsten gibt es auf der DVD nichts zu entdecken.








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