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FILM.
Man muss es wohl, so schrecklich es ist, Liebe auf den ersten Blick nennen: Großgrundbesitzersohn Heibei kehrt Anfang der 30er Jahre aus dem mandschurischen Krieg zurück, die Beine verkrüppelt, in den Augen eine schläfrig entrückte Grausamkeit, wie sie nur dem japanischen Kinski Tatsuya Nakadai gegeben war. Eins dieser Augen wirft er auf die schöne Bauerstochter Sadako (Hideko CARMEN KEHRT HEIM Takamine), die einem anderen zwar längst versprochen ist, sich trotzdem aber Knall auf Fall, eine Vergewaltigung und eine Erpressung später, als Frau des mächtigsten Mannes im Dorf wiederfindet. Die Ehe ist fruchtbar, mit den Jahren kommen drei Kinder, und obwohl Sadako dem anderen, Takashi (Keiji Sada), im Herzen stets die Treue hält, wird der Gedanke an eine gemeinsame Zukunft, nach Bovary-mäßigem Fluchtversuch, sehr schnell an den Nagel gehängt. Zu leicht fügt es sich in die Ausweglosigkeit.
EINE UNSTERBLICHE LIEBE, unsterblich wie ein Hund, der nicht krepieren will. Der rohen Form nach ist dieser Film eine erzklassische Angelegenheit: 30 Jahre umfasst elegisch die Handlung, sauber getrennt in fünf Akte, die sich strukturell spiegeln und ergänzen. Am Anfang steht je eine Kutschfahrt ins Dorf, am Ende ein Abschied bei Nacht und Nebel. Dazwischen: Intrigen, Erbflüche, Binnentragödien. Auf Sparflamme köchelt allzeit der Hass, im Hintergrund qualmt dazu fotogen der Aso, Japans größter aktiver Vulkan. Leitmotivisch werden immer wieder dieselben Einstellungen angesteuert, wie Szenenwechsel auf einer Drehbühne: Haus und Hof, Feldweg und Dorfstraße. Der Fortschritt wird Spuren hinterlassen in diesen Bildern, erst heimlich, dann unübersehbar. Betonpflaster, Strommasten und Kühlschränke sind jedoch nur äußere Anzeichen dafür, dass etwas im Innern des Films sich stemmt gegen die Geistesstarre seiner Figuren, etwas, das graduell zum Bruch mit der scheinbar unverbrüchlichen Tradition drängt.
Unter den Klassikern des japanischen Kinos war Keisuke Kinoshita gewissermaßen der Modernist, der mit nie versiegendem Erfindungsreichtum Keile unter die Deckel seiner luft- und zeitdichten Stoffe trieb. Denkbar radikal seine Auslegung des Auteur-Konzepts, das sich einer festen Handschrift zugunsten auffälliger Einweg-Manierismen verweigert und so kein geschlossenes Werk produziert, sondern eine Filmografie aus lauter Unikaten. Auch EINE UNSTERBLICHE LIEBE besitzt ein solches Alleinstellungsmerkmal, nämlich: einen Flamenco-Soundtrack. Das erzeugt zunächst eine recht banale Irritation, wenn ein wehender Kimono plötzlich von rasselnden Gitarren umspielt wird, tritt aber bald in eine höchst eigenwillige Kommunikation mit dem Film als Ganzem. Wie ein gegenpoliger Magnet tanzt die Musik über den Bildern, hält mal mit dem Rhythmus der Holzschuhe Schritt, scheint sich dann wieder abzukoppeln und eigene Wege zu gehen. Hin und wieder kommentiert ein Chor das Geschehen, wird sich aber über die moralische Wertigkeit nie einig. Ob gute oder böse Leidenschaften: unbefangen klappern die Kastagnetten.
Nun haftet ja dem Flamenco, schon aufgrund seines zigeunerischen Ursprungs, etwas Klassenkämpferisches an, was nicht ganz belanglos erscheint in einem Film über eine großbürgerliche Gewaltheirat. Dennoch greift es zu kurz, Kinoshitas Verhältnis zur Kriegsgeneration als ein bloß aufrührerisches zu betrachten. Obwohl merklich auf Sadakos Seite, wird auch gerechter Mutterhass mit der Zeit schal und sauer, schwillt zu einem ähnlichen Symptom sozialer Malaise wie Heibeis dumpfe Brutalität. Die theatrale Distanz, aus der heraus sich anfangs komfortabel über die Figuren richten lässt, hebt Kinoshita mit schwebenden Zooms bald auf, erzeugt eine Nähe, in der bildsprachliche Gegensätze verschwimmen: Die zunächst von Schwarzflächen eingekesselte Herrenstube gewinnt etwas Behagliches, die prachtvolle Weite der bäurischen Felder eine beklemmende, abstrakte Leere. Kinoshitas malerischer Umgang mit Landschaftsgeometrie erinnert dabei an Kaneto Shindos in der Hinsicht unübertroffenen THE NAKED ISLAND; brillant etwa eine Aufnahme des Vulkans, dessen Kratergefälle den Bildraum perfekt diagonal zerschneidet.
Äußerlich wahrt der Film, aller inneren Spannungen zum Trotz, freilich stets den Anstrich von Respektabilität; als erster und einziger Kinoshita war EINE UNSTERBLICHE LIEBE immerhin für den Oscar nominiert. Es finden sich aber, je weiter er sich aus dem historischen Korsett herausschält, Fingerzeige in Richtung eines jüngeren, wilderen, gegenwärtigen Kinos. Wenn im letzten Akt der jüngste Sohn des Ehepaares in Tokio gegen den US-japanischen Sicherheitspakt demonstriert, ist beinahe so etwas wie eine Brücke geschlagen zu Nagisa Ôshima, der zeitgleich mit anderen Mitteln dieselben Themen beackerte. In gewisser Weise schließt sich damit auch für die Reihe 'Japanische Meisterregisseure' der Kreis: Was mit dem Aufbruch der Kinder begann, geht jetzt mit der Resignation der Eltern zu Ende.
DVD.
Trotz gelegentlicher Undifferenziertheit im niedrigen Kontrastbereich ist das Bild, dem Alter des Films gemäß, as good as it gets. Gleiches gilt für den Ton, der Soundtrack perlt glockenklar aus den Boxen. Von den üblichen Trailern abgesehen: Keine Extras.
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