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KAPITELWAHL

CARMEN KEHRT HEIM (Japan 1952)

von Björn Lahrmann

Original Titel. CARMEN KOKYO NI KAERU
Laufzeit in Minuten. 83

Regie. KEISUKE KINOSHITA
Drehbuch. KEISUKE KINOSHITA
Musik. CHÛJI KINOSHITA . TOSHIRÔ MAYUZUMI
Kamera. HIROYUKI KUSUDA
Schnitt. nicht bekannt
Darsteller. HIDEKO TAKAMINE . SHÛJI SANJO . CHISHU RYU . KUNIKO IKAWA u.a.

Review Datum. 2010-07-08
Erscheinungsdatum. 2010-05-07
Vertrieb. POLYFILM/ALIVE

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. JAPANISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Reden wir über Fortschritt. Neue, gar revolutionäre Techniken sind und waren in der Filmgeschichte stets dem Selbstzweck zugetan. Nicht so sehr was, sondern dass man überhaupt etwas kann, soll dem staunenden Publikum präsentiert werden. Die Filme, die aus der anfänglichen Euphorie oftmals erwachsen: blanke Möglichkeitsbeschau. Das war beim frühen Tonfilm so, bei der Farbe, und ob 3D jemals über diese Phase hinaus kommt, muss sich noch zeigen.
Gemein haben die drei genannten Verfahren eines: Sie sind Versuche einer zunehmenden Wirklichkeitsannäherung. Quatschende Menschen sind "echter" als stumme, bunte echter als graue, räumliche echter als flache. Jedoch sorgt die allgemeine Innovationsbesoffenheit zunächst nicht selten für einen gegenteiligen Effekt, den nämlich des hyperrealistischen Überschusses.

CARMEN KEHRT HEIM war Japans erster Farbfilm, und was paradoxerweise sofort auffällt ist die naturalistische Unauffälligkeit, mit der der Film sich seines jungen Potentials bedient. Ein idyllisches Bergdorf ist Ort des Geschehens, im Herbst allerdings, wo karg und welk die Bäume stehen und spangrün patiniert die Weiden liegen. Das Blau des Himmels wird blockiert vom stolzen Vulkan Asama, ein grauer Klotz am Horizont, dessen Anblick wohl nicht ganz unfreiwillig das Logo des produzierenden Studios Shochiku evoziert. Auch in Kleidungs- und Einrichtungsdingen bevorzugt der Dörfler gedeckte Töne; es lebt hier ein Menschenschlag, dem ganz eindeutig daran gelegen ist, es nicht zu bunt zu treiben.

Farbe ins Spiel bringt dann aber Kin (Hideko Takamine), eine nicht sonderlich helle Bauerntochter, die es im Sündenpfuhl Tokio als tanzende Animierdame "Lily Carmen" zu zweifelhaftem Ruhm gebracht hat. In der Heimat hält sie Einzug wie eine wandelnde Bonbonniere, kreischbunt gewandet und mit hochnäsiger Freundin im Schlepptau, wirft mit Geld und englischen Phrasen um sich und zeigt, nach Geschmack des konservativen Herrn Papa jedenfalls, deutlich zu viel Bein. Sehr schnell macht ihr Verhalten im Dorf alle Hühner scheu, die Alm wird zur Bühne für spontane Tanz- und Sangeseinlagen, und die Herren der Schöpfung können kaum noch an sich halten.

Ein Film also, der wenig mehr im Sinn zu haben scheint als ein x-beliebiges Peter-Alexander-Vehikel, mit dem großen Chishu Ryu in der Theo-Lingen-Rolle des trotteligen Schulrektors. Darunter jedoch schlummert eine durchaus ernst gemeinte Reflexion der eigenen Mittel. Regisseur Keisuke Kinoshita, den weniger eine klare auteuristische Linie auszeichnet als experimentierfreudige Offenheit gegenüber Genres, Moden und Methoden, ist dafür genau der richtige Mann.
Seine Heldin – eine durch und durch eitle Ziege, der nicht einmal die übliche Romanze zugestanden wird – repräsentiert eine westlich geprägte Vulgärkultur des Bunten, Lauten, Exzessiven. Der traditionsreiche, heimatverbundene Kunstbegriff der Dorfältesten wird von Carmens Spektakel förmlich übermalt und übertönt: Ständig singt und swingt sie moderne Songs von fernen Ländern, während der Vortrag sentimentaler Volkslieder des (bezeichnenderweise blinden) Musiklehrers schon durch bloße Anwesenheit der Ladies gestört wird.

Obwohl die Sympathieverteilung innerhalb des Ensembles eine deutliche Sprache spricht, ist es Kinoshita an einer Wertung der neumodischen Einflüsse nicht gelegen. Natürlich zeigt auch er sich äußerst angetan von den Möglichkeiten der Farbtechnik, lässt bunte Bälle regnen, Wimpel flattern und Polka Dots prangen. Von poppigen Alpenkitschgranaten à la THE SOUND OF MUSIC ist CARMEN KEHRT HEIM dennoch bis zuletzt weit entfernt. Auch die erwartbare Synthese, eine Rückbesinnung Carmens etwa auf alte Werte, oder eine Öffnung des Vaters zum Neuen hin, bleibt aus. Am Ende trennen sich die Wege, der Musiklehrer singt in Ruhe seine Lieder, und Carmen fährt unter fetzigem Bigband-Sound nach Tokio zurück. Das Sequel, CARMENS REINE LIEBE, ist dann wieder schwarzweiß.

DVD.
Der Film – der erste von fünf Kinoshitas in der Reihe 'Japanische Meisterregisseure' – liegt in bestmöglicher Verfassung vor, will sagen: Das Bild ist absolut scharf und farbecht, allerdings von huschenden Schatten und leichtem Kontrastflimmern durchzogen. Der Ton ist altersgemäß muffig, die Tiefen eingeebnet. Stören tut all dies indes kaum. Bonus: Trailershow.








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