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KAPITELWAHL

AUSNAHMESITUATION (USA 2010)

von Florian Lieb

Original Titel. EXTRAORDINARY MEASURES
Laufzeit in Minuten. 106

Regie. TOM VAUGHAN
Drehbuch. ROBERT NELSON JACOBS . GEETA ANAND
Musik. ANDREA GUERRA
Kamera. ANDREW DUNN
Schnitt. ANNE V. COATES
Darsteller. BRENDAN FRASER . HARRISON FORD . KERI RUSSELL . MEREDITH DROEGER u.a.

Review Datum. 2010-08-10
Erscheinungsdatum. 2010-08-05
Vertrieb. CONCORDE

Bildformat. 1.85:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DTS/DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Es war 1999 und Stephen Sommers DIE MUMIE schickte sich an, zum Überraschungshit zu werden. Lediglich fünf Filme - darunter EPISODE I und MATRIX - liefen zum Ende des alten Jahrtausends erfolgreicher als das Archäologenabenteuer. Brendan Fraser übernahm die Rolle des verwegenen Kerls, der mit selbstüberschätzendem Charme das Abenteuer suche und währenddessen die Frauenherzen eroberte. Ein geborener Nachfolger für Indiana Jones, so schien es und so wurde man seiner Zeit auch nicht müde zu vergleichen. Trotz einer nicht minder erfolgreichen Fortsetzung wurde jedoch weder das MUMIEN-Franchise zur neuen INDIANA-JONES-Reihe, noch Fraser zum Harrison Ford des neuen Jahrtausends. Und dennoch hat es der Kanadier nun geschafft, in einem Film mit Ford zu landen, und diesen zum ersten Mal seit 1982 in der Vorspannauflistung von Platz Eins zu stoßen.

Natürlich nur mit Genehmigung von Ford selbst, der hier bewusst die Nebenrolle übernahm und zugleich als ausführender Produzent auftrat. Diesbezüglich ist AUSNAHMESITUATION keine Ausnahmesituation, bereits bei K-19 trat Ford auch als Produzent auf. Und eine Ausnahme ist ein Film wie AUSNAHMESITUATION für Ford und Fraser inzwischen auch nicht mehr. Wo Fraser trotz der beiden MUMIEN-Filme nicht in die Fußstapfen von Ford treten konnte, nagt an Letzterem seit über einem Jahrzehnt bereits der Zahn der Zeit. Filme wie HOLLYWOOD COPS oder FIREWALL generierten kaum ein Publikum und spielten entweder gar keinen Gewinn ein (siehe HOLLYWOOD COPS) oder einen nicht nennenswerten. Sieht man von Fords Rückkehr als Peitschen schwingender Abenteurer in KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS ab, verdingt sich der ehemalige Hollywood-Star inzwischen in kleinen Produktionen wie CROSSING OVER oder eben AUSNAHMESITUATION.

Hollywood ist nun mal wie alles andere auch. Wird etwas zu alt, wird es entsorgt. Während Kollegen wie Tom Cruise noch so viel wie möglich zu retten versuchen, wagt sich der 68-jährige Ford an ernstere Themen heran. Die Einwanderfrage in CROSSING OVER, Kinderkrankheiten in AUSNAHMESITUATION. Tom Vaughans Film erzählt von Morbus Pompe, einer Glykogenspeicherkrankheit, die dafür sorgt, dass die Zuckerform Glykogen in der Muskulatur nicht abgebaut werden kann beziehungsweise sich dort ansammelt. Die Muskulatur wird zerstört, glaubt man dem Film, beträgt die Lebenserwartung neun Jahre. Der Film basiert dabei auf dem Buch "The Cure" der Journalistin Geeta Anand und dieses wiederum auf der wahren Geschichte von John und Aileen Crowley, Eltern von zwei Kindern, die an der Pompe'schen Krankheit leiden. Mit der Einblendung und dem Verweis auf die Wahrheit der Geschichte zu Beginn, gibt Vaughan natürlich den Verlauf des Filmes vor, an dessen Ende nur das Happy End stehen kann.

Folglich geht es nicht so sehr um das, was passiert, sondern wie es passiert. Fraser gibt den verzweifelten Familienvater, der am achten Geburtstag seiner Tochter seine Papiere durchwälzt, in denen Vaughans Kamera die neunjährige Lebenserwartung einfängt. Ford stellt den Arzt Dr. Stonehill dar (der auf dem realen William Canfield basiert), Messias der Pompe-Forschung, aber ignoriert, weil reiner Theoretiker. Es müssen also beide Männer zusammengebracht werden, die Vorteile des jeweils Anderen erkennen und eine eigene Firma gründen, um innerhalb des nächsten Jahres zuvorderst das Leben von Crowleys Kindern zu retten und anschließend natürlich auch das der übrigen tausend Erkrankten weltweit. Das ist nie wirklich spannend, aber dank der Thematik durchaus hier und da ergreifend. Was sich hauptsächlich dem wie meist sympathisch aufspielenden Fraser verdankt, dessen warme Augen allein mehr Authentizität versprühen als ein Harrison Ford im Arztkittel.

Dieser beschränkt sich auf das, was er am Besten kann. Mürrisch schauen und gelegentlich sein legendäres Schmunzeln präsentierend. Ford ist hier in der Tat nicht mehr als eine Randfigur, ein exzentrischer Eigenbrötler, den man die ganzen hundert Minuten nicht wirklich kennenlernt und der von Vaughan auch nie als mehr eingesetzt wird, wie das personifizierte Heureka. Dass sich Ford so zurücknimmt, verdeutlicht umso mehr sein Anliegen, diese Geschichte erzählen zu wollen. Es ist eine David-gegen-Goliath-Geschichte, wenn Frasers Crowley seinem Chef (Alan Ruck in einer ziemlich verschenkten Rolle) kündigt, um alles zu riskieren für das Leben seiner Kinder. Da darf die widerborstige Pharmaindustrie nicht fehlen, die Profit über das Leben von Menschen stellt und eben der Kampf dieser beiden Männer, Ford und Fraser, eine Win-Win-Situation herauf zu beschwören.

Wer kein Herz aus Stein hat, den werden die emotionalen Szenen mit Film-Tochter Meredith Droeger bisweilen zu Tränen rühren, ansonsten ist AUSNAHMESITUATION jedoch kein wirklicher Aha-Film. Viel fällt hier bereits zu Lasten der zweifelhaften Regiewahl, holt Vaughan (der zuletzt LOVE VEGAS inszenierte) doch Mal um Mal Einstellungen aus der Mottenkiste hervor, die es nicht bedurft hätte, um diese Geschichte bewegend zu erzählen. Erklärende Kameraeinstellungen münden in langatmige Überblendungen, während eine hochemotionale Geschichte erzählt wird, die sich viel zu selten dieser Emotionalität hingibt (wie Ruck wirkt auch Courtney B. Vances Rolle des Marcus Temple verschenkt). Wenn man der Geschichte folgt, dann weil man mit den Pome-Kranken mitfühlt und mit dem Darstellertrio rund um Fraser, Ford und der überzeugenden Keri Russell sympathisiert. Generell wäre hier jedoch mehr herauszuholen gewesen und vielleicht wird es Ford in den kommenden Jahren gelingen, einen sozialen und zugleich ansehnlichen Film abzuliefern. Und wenn nicht, wartet ja immer noch INDIANA JONES 5 auf ihn. Er ist eben doch Hollywoods einziger verwegener Kerl.

DVD.
Am Ton lässt sich nicht meckern, das Bild erinnert jedoch mehr an Fernseh- wie Kinoware. Grundsätzlich ist Beides allerdings zufriedenstellend. In den Extras finden sich einige entfernte Szenen, die sicherlich zu recht der Schere zum Opfer fielen, zudem noch ein Mini-Feature über den echten John Crowley. Insgesamt jedoch nichts, was einen vom Hocker haut, zumindest ein Interview mit der treibenden Kraft Ford oder ein Feature zu Morbus Pompe hätte man sich gewünscht.








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