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KAPITELWAHL

TALES OF THE BLACK FREIGHTER (USA 2009)

von Björn Lahrmann

Original Titel. TALES OF THE BLACK FREIGHTER
Laufzeit in Minuten. 24

Regie. DANIEL DELPURGATORIO . MIKE SMITH
Drehbuch. ZACK SNYDER . ALEX TSE
Musik. TYLER BATES
Kamera. -
Schnitt. JAKE PATTON
Darsteller. GERARD BUTLER . CAM CLARKE . SIOBHAN FLYNN . JARED HARRIS u.a.

Review Datum. 2009-09-14
Erscheinungsdatum. 2009-08-20
Vertrieb. PARAMOUNT

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1) . FRANZÖSISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH . FRANZÖSISCH . NIEDERLÄNDISCH . TÜRKISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Es gibt ziemlich genau zwei Dinge, die gut sind an TALES OF THE BLACK FREIGHTER: Der Name des Regisseurs und der Abspannsong. Daniel DelPurgatorio! Wer die Vorhölle schon im Namen trägt, scheint geboren für diese Geschichte eines Schiffbrüchigen, der auf einem Floß aus Leichenteilen am Rande des Wahnsinns gen Heimathafen schippert, um seine Lieben vor Dämonenpiraten zu bewahren. Und Nina Simone! Ihre Version der Brecht/Weill'schen Ballade von der "Seeräuber-Jenny" ist an blutdampfender Ironie nicht zu übertreffen und bildet, da sie die Story maßgeblich inspiriert hat, also auch deren folgerichtigen Schlusspunkt.

Grundsätzlich aber ist diese Veröffentlichung eine rechte Schnapsidee. Eingebettet in den Kontext der WATCHMEN Graphic Novel, fungieren die BLACK FREIGHTER-Comics als Metakommentar auf die Haupterzählung, als Spiegelung der feinen Linie zwischen Heldentum und Verblendung, die zumindest ein Teil der maskierten Vigilanten – insbesondere Rorschach, Comedian und Ozymandias – in Richtung des letzteren übertritt. Zugleich bilden sie einen vitalen Bestandteil jener Multimedialität, die die WATCHMEN-Welt so reichhaltig und in sich geschlossen erscheinen lässt. Ihre Signifikanz gewinnen sie überhaupt erst im thematisch-stilistischen Widerstreit mit der Situation, in der sie gelesen werden: In einer Comicwelt voller Comichelden müssen Comics, um aus dem Alltag herauszustechen, zwangsläufig auf ältere literarische Topoi zurück greifen – im Falle des BLACK FREIGHTER eben auf ein saftiges Pulp-Amalgam aus Coleridge, Melville und Poe, das in der Realität von 1985 (oder auch 2009) unmodischer kaum sein könnte.

Aus der Verankerung des narrativen Rahmens gerissen, treibt die Geschichte indes kieloben, wie die hier vorliegende zwanzigminütige Tickfilmfassung beweist. Was ursprünglich happenweise über alle zwölf Bände verteilt und situationsgenau auf die Haupthandlung abgestimmt war, verliert als Erzählung eigenen Rechts an Zugkraft und Spannung. Die Tragik des vom Schicksal verfluchten Captains, die in Gerard Butlers sonor-getragener Off-Narration eine schöne Entsprechung findet, wird von Tyler Bates' überwuchtigem Score unnötig karikiert, ganz zu schweigen von der reduzierten (sprich: kruden) Animationstechnik, die die derbe Groschenheft-Koloration der Vorlage konventionell eindüstert und vage an die Spielfilm-Parodien der SIMPSONS erinnert. Unfreiwillig entschärft wird so auch die morbide Brutalität, arg verknappt die Einsamkeit des ziellosen Treibens auf See. Damit zeigt TALES OF THE BLACK FREIGHTER geradezu beispielhaft, wie man einer Geschichte ihren Ernst nimmt, indem man sie zu ernst nimmt.

Obwohl auf dem Cover in die sprichwörtlich letzte Ecke verbannt, enthält die DVD noch ein zweites, wesentlich interessanteres Feature. UNDER THE HOOD erzählt, basierend auf den gleichnamigen Memoiren des ersten Nite Owl, Hollis Mason (Stephen McHattie), die Geschichte von Aufstieg und Fall der WATCHMEN-Vorgänger Minutemen, die bereits die brillante Vorspannsequenz des Hauptfilms schlaglichtartig zusammengefasst hatte. Was in der Vorlage in Form von schriftlichen Auszügen den Einzelbänden beigeheftet war, erfährt hier eine eigenständige Bearbeitung, die dem medialen Wechsel von Papier auf Leinwand auf originelle Weise Rechnung trägt: nämlich als gefakete Fernsehreportage. In einer 1985 angesiedelten Ausgabe des Magazins The Culpeper Minute hält Moderator Larry Culpeper (Ted Friend), ein hornbebrilltes Urgestein aus der Glanzzeit des Investigativjournalismus, Rückschau auf sein zehn Jahre zuvor ausgestrahltes Interview mit Hollis Mason und anderen Vertretern aus dem Minutemen-Dunstkreis, etwa Sally Jupiter alias Silk Spectre I (Carla Gugino) oder dem knickohrigen, vom Erzböse- zum bloßen Wicht herabgestuften Edgar Jacobi alias Moloch (Matt Frewer).

Anhand klassischer Collagetechniken entwirft die halbstündige Sendung ein gewohnt detailreich ausstaffiertes Panorama aus Wochenschau-Aufzeichnungen, Zeitungsschnipseln und vergilbten Fotos, immer wieder unterbrochen von zeitgenössischen Weichzeichner-Werbeclips. Eiernde Jingles, Haarrisse im Bild und dezent ausgewaschene Farben unterstreichen den Retro-Effekt, der jedoch dank eines ausgeprägten Hangs zur Selbstironie (siehe etwa Culpepers grotesken Schnäuzer) an keiner Stelle besonders authentisch wirkt. Weit entfernt auch von bahnbrechenden Enthüllungen, die im Film nicht zumindest implizit angeklungen wären, ist UNDER THE HOOD vielmehr eine vergnügliche, selbstreflexive Erweiterung des WATCHMEN-Universums, die als reines DVD-Bonbon einen sehr hohen Standard erfüllt.

DVD.
Die technisch erwartbar hochklassige DVD bietet zwei Extras, die jedes für sich eher fragwürdig sind. Da ist zum einen das erste Kapitel der Watchmen Motion Comics, einer rudimentär animierten, mit Soundeffekten und Vorleserstimme versehenen Replikation der Originalhefte. Die einzelnen Panels sind jedoch nicht hintereinander montiert, sondern morphen flüssig und unter Hinzufügung von Tiefenschärfe-Effekten ineinander, wodurch die Illusion einer Kamerafahrt durch die Seiten entsteht. Die Figuren wirken dabei wie ausgeschnittene Gliederpuppen, die sich im Rahmen ihrer starren Posen bewegen können. Das Ergebnis sieht aufwändig und schrecklich unbeholfen aus, und außer als Dienstleistung für Legastheniker ist es von vorne bis hinten vollkommener Kokolores. Alle weiteren Kapitel lassen sich - selbstverständlich kostenpflichtig - bei einschlägigen Online-Stores runterladen.

Das zweite Extra ist ein als Hintergrundbericht getarnter Rezeptions-Leitfaden für den Rest der DVD, vorrangig TALES OF THE BLACK FREIGHTER, das ja ohne Kenntnis der Graphic Novel tatsächlich im luftleeren Raum zu hängen scheint. Haarfein wird erklärt, wie die TALES sich als Binnenerzählung in den WATCHMEN Rahmen fügen, wie das allegorische Verhältnis zur Haupthandlung aussieht und so weiter. Schön und richtig ist der Kommentar eines Schriftstellers, der die Texte-in-Texten, Comics-im-Comic, aus denen WATCHMEN aufgebaut ist, mit einem Hyperlink-Gefügen vergleicht. Damit wäre die Existenzberechtigung dieser BLACK FREIGHTER-Einzelausgabe zumindest philosophisch in Sack und Tüten: Immerhin lässt sich im heimischen DVD-Regal eine Verbindung zwischen den diversen Veröffentlichungen des Franchises herstellen. Angesichts der Spekulationen über eine etwaige Integration beider hier versammelter Features in den (garantiert pünktlich zu Weihnachten erscheinenden) Mega-Monster-Director's Cut sollte man jedoch auch als beinharter Fan lieber zwei mal überlegen, ob man sich diese Edition nicht getrost schenken (lassen) kann.








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