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FILM.
Wenn Bob Hoskins zu Francis Monkmans göttlicher Titelmusik durch die Flughafenhalle läuft, stellen sich die Härchen zur Gänsehaut auf und die Tränen wollen kullern vor Glück über diese Sternstunde britischen Kinos. Der knallharte Gangsterfilm THE LONG GOOD FRIDAY gehört zum Besten, was - nicht nur in diesem Genre - jemals von der Insel kam. Dank Sunfilm und ihrer wunderbaren Handmade-Reihe ist dieser Brecher jetzt auch hierzulande in adäquater Form zu haben.
Harold (Bob Hoskins) ist ein wohlhabender Londoner Gangster, der davon träumt, der absolute King zu werden. Ein Deal mit amerikanischen Mafiosi soll ihm das ersehnte Ziel bringen: In einer Mischung aus Größenwahn und Vaterlandsliebe plant er, London zum Zentrum Europas unter seiner Ägide zu machen, mit allem drum und dran. Penibel hat er darauf geachtet, daß seine Konkurrenz nichts von seinem Vorhaben weiß, damit der karfreitägliche Besuch der Amis reibungslos abläuft. Kaum aber sind Charlie (Eddie Constantine) und Tony (Stephen Davies) eingetroffen, fliegen Autos und Häuser in die Luft, und unter Harolds Leuten geht der Body Count in die Höhe. Die amerikanischen Freunde haben keine Lust, ihren Unmut zu verhehlen, und Harolds Freundin Victoria (Helen Mirren) kann sie auch nur notdürftig bei Laune halten. In der Zwischenzeit wütet Harold durch Londons Unterwelt, um rauszufinden, wer ihm da die Tour vermasseln will, doch alle Spuren führen ins Nichts. Als er endlich die Antwort findet, ist der Schock groß und die Zeit zur Reaktion vielleicht schon abgelaufen...
Bob Hoskins, dessen superbreiter London-Akzent zugunsten amerikanischer Zuschauer zunächst nachsynchronisiert wurde (erst Hoskins' Protest und der Wechsel der Lizenz von Lion's Gate zu Handmade verhinderte das Schreckliche), steht unter Dauerdampf. Der kompakte kleine Wüterich stampft mit einer Vehemenz durch die Unterwelt, die ihresgleichen sucht und ihm den verdienten Leinwanddurchbruch brachte. Hoskins schafft es, daß man Harold einerseits für seinen beherzten Lokalpatriotismus liebt und ihn andererseits für sein ultrabrutales Vorgehen haßt - wenn er am Ende die Mafiosi mit einer flammenden Rede für sein Vaterland düpiert, möchte man ihm applaudieren; wenn er einen Drogendealer aufschlitzen läßt, eher die Bullen rufen. Hoskins als Harold muß man gesehen haben. In den letzten zwei Minuten des Films, die komplett ohne Dialog auskommen, vermittelt er nur über sein Gesicht alles, was in einem Mann vorgeht, wenn der Vorhang fällt: Verzweiflung, Wut, die Suche nach einem Ausweg. Ganz großes Kino.
In dem auch ansonsten ausgezeichnet besetzten Film setzt Helen Mirren erste Glanzpunkte in ihrer Karriere, Eddie Constantine läßt vergessen, daß seine Filme einst EDDIE KRAULT NUR KESSE KATZEN hießen, und Paul "Belloq" Freeman darf sich von Pierce Brosnan erst befummeln und dann abstechen lassen. Brosnans Rolle war ursprünglich stumm geplant, aber einen Satz hat sich der spätere Remington Stelle dann doch keck reinimprovisiert. Nicht unbedingt richtungsweisend, aber die Visage kann man sich schon mal merken, auch wenn seine größte Szene aussieht wie aus "Smalltown Boy" von Bronski Beat. Dazu paßt auch die etwas zu dicke Duschszene mit Hoskins, die man sich bei entsprechender Neigung in den Spind kleben kann.
Barrie Keeffes hervorragendes Drehbuch ist auf den Punkt getimt, limitiert das Geschehen auf zwei Tage und rollt mit ordentlich Dampf übers Gleis. Lokführer John MacKenzie, der nach diesem Meisterstück seltsamerweise nur noch Durchschnittsware abgeliefert hat, zeigt einen effizienten, angenehm schnörkellosen, aber einfallsreichen Inszenierungsstil: Die Schlachthausszene etwa bleibt hängen, wortwörtlich, und die Sequenz, in der Harolds Vertrauter Jeff (Derek Thompson) Victoria angraben will, knistert in der Ambivalenz der Situation und gipfelt in einem wunderbaren Ich-geh-aufs-Ganze-Satz.
THE LONG GOOD FRIDAY stand bis vor kurzem in Deutschland auf dem Index - das ist ein schlechter Witz und begründet sich vermutlich in der Schlüsselszene mit dem abgebrochenen Flaschenhals. Ein hartes Brot, aber bester Beleg für inhaltlich motivierte Filmgewalt. Auch ansonsten ist der Film angemessen rüde und wirkt in seiner Konsequenz noch lange nach. Ein Klassiker.
DVD.
Das Bild hat mich begeistert. Anständig scharf und mit satten Farben - so habe ich diesen geliebten Film noch nie gesehen. Der deutsche Ton ist annehmbar, aber (trotz der akzeptablen Synchronisation) gerade bei der Thematik des Films (Engländer vs. Iren vs. Amis) zu vernachlässigen. Der Originalton macht froh, schon die gottgleiche Musik von Francis Monkman knallt schön (wenn jemand weiß, ob es den Soundtrack käuflich zu erwerben gibt, bitte mich anmailen); Stereo gibt's hier nicht, daher ist mir der Sinn der 5.1-Version auch schleierhaft, zumal diese zumindest bei mir heftige Phasendreher aufwies. Bild mit 2.0-Ton ist aber spitze. Die deutschen Untertitel orientieren sich an der Synchronisation, was ich immer etwas schade finde.
Der willkommene Audiokommentar von John Mackenzie ist sehr aufgeräumt, interessant und sympathisch, zumal er sich gerade auf die Schlüsselszenen bezieht, zu denen man was hören will. Die biographischen Schrifftafeln zu Hoskins, Mirren, Constantine und Mackenzie sind erneut erfreulich informativ und nicht zu knapp ausgefallen. Dazu kommt noch der reißerische Originaltrailer und das - wie ich auch schon bei MONA LISA beklagte - enttäuschende Feature DIE HANDMADE-STORY, kaum mehr als eine Aneinanderreihung von Fotos und Trailern zu Filmen aus George Harrisons Produktionsschmiede.
Alles in allem stellt diese DVD ein absolutes Muß dar.
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