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KAPITELWAHL

MONA LISA (Großbritannien 1986)

von Hasko Baumann

Original Titel. MONA LISA
Laufzeit in Minuten. 99

Regie. NEIL JORDAN
Drehbuch. NEIL JORDAN . DAVID LELAND
Musik. PHIL COLLINS . MICHAEL KAMEN
Kamera. ROGER PRATT
Schnitt. LESLEY WALKER
Darsteller. BOB HOSKINS . CATHY TYSON . MICHAEL CAINE . ROBBIE COLTRANE u.a.

Review Datum. 2005-02-01
Erscheinungsdatum. 2004-11-17
Vertrieb. SUNFILM

Bildformat. 1.85:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 5.1/DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
George (Bob Hoskins) kommt nach Hause. Er war offenbar eine Weile im Knast, aber jetzt spaziert er über die London Bridge, hat ein Päckchen unterm Arm, setzt sich auf eine Parkbank. Wirkt eigentlich alles ganz zuversichtlich, zumal Nat King Coles Samtstimme bereits die titelgebende Mona Lisa preist und damit den Ohren schmeichelt. Alles trügerisch: Zuhause will Georges Frau den Ex-Knacki nicht mehr, so daß er bei seinem Kumpel Thomas (Robbie Coltrane) unterkommen muß. Also fackelt George nicht lange und heuert bei seinen alten Arbeitgebern als Fahrer an. Fortan darf er das Luxus-Callgirl Simone (Cathy Tyson) von Freier zu Freier kutschieren - zwei Welten prallen aufeinander, und der anfängliche Haß der beiden aufeinander ist so leidenschaftlich, daß Liebe unausweichlich scheint. So einfach ist es aber nicht. Als sich George bereit erklärt, Simones verschwundene Freundin Cathy zu suchen, stellt sich bald heraus, daß er zu naiv ist, Cathys wahre Bedeutung zu erkennen - oder gar die Abartigkeit des Milieus, in das er gerät.

"I'm the girl to rush home from" - Simones bittere Selbsteinschätzung ist der zentrale Satz des Films, und sie selbst eine entfernte Verwandte von DaVincis Mona Lisa - geheimnisvoll, unerreichbar und von ähnlicher Androgynität. Neil Jordans Film handelt von Einsamkeit und Sehnsüchten, von Liebe, Abhängigkeit und Sex. George möchte Teil einer anderen Welt sein, er möchte lieben und geliebt werden; er ist der einzige, der in Simones Gesellschaft nicht mal an Sex denkt. Als er ein Pornovideo mit ihr entdeckt, ist er zornig und angeekelt. Die feinen Anzüge, die Simone ihm kauft, machen ihn noch nicht ihrer Ritz Carlton-Freier ebenbürtig, und für ihren gemeinsamen Boß Mortwell (Michael Caine) ist er eh nur ein kleiner Scheißer. Die alten Nat King Cole-Songs, die er ständig im Auto hört, haben den Stil und die Grazie, die George sich nur erträumt. George kann die Konflikte von Simone, Cathy und Mortwell zur Eskalation bringen, lösen kann er sie nicht. Die Tragik Georges liegt in der Überschätzung der eigenen Rolle in einem Spiel, das er nicht begreift.

MONA LISA bringt mit Bob Hoskins und Michael Caine die Stars der beiden besten britischen Gangsterfilme, RIFIFI AM KARFREITAG und GET CARTER, zusammen. Hoskins, den man in den letzten Jahren viel zu selten sieht, spielt wie kein zweiter den Kleingangster unter Dampf; immer kurz vorm oder schon im Wutausbruch, doch selbst verletzlich und voller Sehnsucht. Hoskins hat für diese Rolle, die vielleicht die seines Lebens ist, einige Preise eingeheimst, z.B. in Cannes und bei den Golden Globes. Es ist schwer vorzustellen, daß ursprünglich Sean Connery für diesen Part angedacht war, so sehr hat Hoskins sie sich zu eigen gemacht. Ihm gegenüber steht der große Michael Caine, der immer Michael Caine, aber trotzdem nie gleich ist, und hier in seinen wenigen Auftritten einen schmierigen Widerling gibt, dessen mal latente, mal offene Brutalität Angst macht. Cathy Tyson, perfekt als Simone (Jordans THE CRYING GAME wirft schon ein paar kleine Schatten), wurde hernach rätselhafterweise nur noch in Wes Cravens THE SERPENT AND THE RAINBOW wahrgenommen und dann kaum mehr gesehen. Zu Robbie Coltrane, der als künstlerisch ambitionierter Schrauber Thomas für ein wenig (willkommenen) Humor sorgt, muß man wohl nichts sagen.

MONA LISA, ein Donnerschlag des in den 80ern so virilen New British Cinema, ist ein moderner Klassiker, den man nicht so recht dem Gangster-, aber auch nicht dem Liebesfilm zuordnen kann und auch nicht muß. Er erzählt eine wunderbare, sehr traurige Geschichte mit hervorragenden Darstellern und ist heute genauso sehenswert wie damals. Ein Juwel in Neil Jordans sehr wechselhafter Karriere, das neben THE CRYING GAME am hellsten strahlt.

DVD.
Das anamorphe Bild ist nicht schlecht, allerdings habe ich es als etwas unscharf empfunden. Der deutsche Ton ist eh zu vernachlässigen (Joachim Kerzel ist viel zu dicke für Hoskins) und klingt ein wenig blechern. Mit dem Originalton fährt man da schon besser, wobei die 5.1-Variante mehr Saft hat. Allzu große Dynamik ist insgesamt nicht zu verorten, hätte mich bei diesem Film aber auch gewundert.
Die Extras: Biographien in Texttafeln, die erfreulichweise auch mal ein bißchen was erzählen; Michael Caine einen "exzessiven Lebensstil" zu unterstellen, grenzt allerdings an Rufschädigung. Der Mann war und ist immer weit entfernt vom neureichen Fatzke, also bitte nicht rumflunkern. Der Originaltrailer ist interessant anzusehen, weil viel zu lang und zu reißerisch. Der Audiokommentar von Neil Jordan ist mit ein paar Anmerkungen von Bob Hoskins zusammengebastelt. Jordan hat zwar einiges (auch Interessantes) zu sagen, wirkt aber etwas müde. Für des Englischen nicht Mächtige ist das nicht von Belang, da der Kommentar nicht untertitelt wurde.
Die sogenannte "Handmade Story", die die Geschichte von George Harrisons Produktionsfirma beleuchten soll und auch die anderen Handmade-Veröffentlichungen von Sunfilm bestückt, ist eine herbe Enttäuschung. Es handelt sich einzig und allein um aneinandergeschnittene Fotos und Trailer einer zweifelhaft motivierten Auswahl von Handmade-Filmen. Die wenigen (deutsch eingesprochenen) Informationen finden sich komplett im Booklet abgedruckt. Wer sich hier auf eine dokumentarische Aufarbeitung einer sehr aufregenden Phase des britischen Kinos gefreut hat, wird ähnliche Veitstänze der Verbitterung aufführen wie ich. Sehr schade.
Insgesamt aber eine schöne Veröffentlichung und für jeden Filmfan eh essentiell.








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