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GEDRUCKTES IST TOT

FILM & LICHT (2011, 2. Auflage)
von Lutz Granert

Original Titel. FILM & LICHT. DIE GESCHICHTE DES FILMLICHTS IST DIE GESCHICHTE DES FILMS
Seiten. 264

Autor. RICHARD BLANK

Review Datum. 2012-07-13
Erscheinungsdatum Deutschland. 2011-05-01
Verlag. ALEXANDER VERLAG BERLIN

Erscheinungsformat. BROSCHIERT
Sprache. DEUTSCH

Die Entwicklung einer ganzen Kunstform und eines bestimmten zentralen Elements in ihr verlief symbiotisch. Frühe "Galerien", in denen diese Werke ausgestellt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurden, trugen nicht ohne Grund das Essenzielle im Namen. Kinos hießen früher "Lichtspielhäuser", damals, als die Bilder, die auf die Leinwand projiziert wurden, noch schwarz-weiß waren, die Dichotomie und das Wechselspiel von Licht und Schatten stärker verdeutlichten als im Zeitalter des Farbfilms. Umso erstaunlicher, dass sich dem Thema der Beleuchtung und Lichtsetzung im Film bisher nur wenige Autoren fernab eines Handbuchs angenommen haben, bedenkt man ihre außerordentliche Wichtigkeit, auch wenn man Josef von Sternbergs Analogie von Auge und Kameralinse, sein Aphorismus um Licht und Ursprung des Lebens im Hinblick auf den Film als ontologisch aufgeladenes Medium schlechthin nicht teilen möchte.

Film & Licht. Die Geschichte des Filmlichts ist die Geschichte des Films von Regisseur und Autor Richard Blank macht schon im Titel deutlich, wie sehr die Entwicklung und Veränderung der Beleuchtung im Laufe der Zeit zu einer Entwicklung und Veränderung des Kinos beigetragen hat. Ausgehend von der Hauptregel der filmischen Lichtsetzung, dass das Hauptlicht eine natürliche Lichtquelle aufweist oder imitiert (S. 15), kommt er auf den "realistischen Anspruch" innerhalb des klassischen Hollywoodkinos zu sprechen, der jedoch schon aufgrund seiner Produktionsbedingungen im Studio diesem nicht gerecht werden kann. Folglich kommt er zu dem Schluss, dass die Filme des italienischen Neorealismus - hier führt er, wie könnte es anders sein, Rosselinis Quasi-Trümmerfilm ROM, OFFENE STADT als Beispiel an - in Sachen Realismus trotz zahlreicher Regelverstöße in Hinblick auf eine "natürliche Beleuchtung" ein neues Stadium erreichten. Nicht, was die ästhetische Komponente, sondern was die Produktionsumstände angeht. Blank begibt sich hier in der Vergleichsebene aufs Glatteis und es wirkt argumentativ etwas hilflos, wenn er konstatiert: "Der Ablauf der Bilder wird gestört, und man merkt, dass es sich hier nicht um die Realität, sondern um einen Film handelt" (S. 145). Hier spricht trotz Blanks Doktortitel nicht ein Akademiker aus dem Bereich der Filmgeschichte oder Medienwissenschaft, sondern der erfahrene, nicht immer stichhaltig begründende Praktiker aus dem Tagesgeschäft des Filmbusiness.

Blank folgt auch im weiteren Verlauf einer präzisen technisch-analytischen Kausalität, wodurch er die große wenn auch sehr ambitionierte Chance, einen Bogen von der Beleuchtung im Stummfilm bis ins Kino der Gegenwart zu spannen, leider nicht nutzt. Dies wäre auch gar nicht zu leisten gewesen. Spätestens jedoch, wenn er zu Coppolas Meisterwerk APOCALYPSE NOW sein vor allem durch die Lichtsetzung und Stimmung des Films geprägtes Geschmacksurteil abgibt ("Ich habe genauer hingeschaut und mag den Film nicht mehr.", S. 171) und "ein Fest fürs Auge, eine Qual fürs Hirn" (S. 172) konstatiert, regen sich leise Zweifel an der Objektivität von Blanks pauschalisierenden Ausführungen, die das Studiosystem Hollywoods auch fernab der Lichtsetzung zu verdammen scheinen. Dies wird insbesondere in einer mit zwei Seiten beinahe lächerlich kurzen Zusammenfassung deutlich, in der er noch einmal die "ökonomische Notwendigkeit" (S. 215) betont, unter der sich die "realistischen" Beleuchtungsregeln Hollywoods ausgeprägt haben. Bis dahin jedoch liefert er interessante Erkenntnisse, stellt die inhaltlich-narrative Bedeutung des Lichts insbesondere in der Nouvelle Vague oder dem New Hollywood heraus, also in Filmbewegungen, in denen es mit der Kausalität der Narration eigentlich nicht mehr so weit her war, Stildramaturgie eine Drehbuchdramaturgie ablöste.

Der Parforceritt durch die Filmgeschichte bleibt aufgrund stichprobenartiger Beispiele erwartungsgemäß aus. Blank zeigt aber deutlich die Chronologie auf zwischen "klassischen Stil" der Beleuchtung, der sich im Hollywoodfilm der 20er Jahre ausprägte, über - kurz angerissen - den expressionistischen Film hin zum Film Noir. Was allerdings den "Gegenwartsfilm" angeht, sind nur IN THE MOOD FOR LOVE und DOGVILLE zu finden, auf die er ausführlicher eingeht. Das ist etwas schade, auch weil er von Vornherein die Willkür seiner Auswahl betont und keine plausible und stichhaltige Begründung für sie findet. Das wirkt unter akademisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten wiederum wenig seriös.

Das Gesamtfazit fällt ungleich des Anteils an negativen, vielleicht auch überkritischen Worten in dieser Rezension jedoch durchaus positiv aus. Richard Blank gelingt ein lehrreicher, wenn auch wenig Originelles zu Tage fördernder Beitrag zu filmgeschichtlicher Literatur, die bisher erschienene, prestigeträchtige Publikationen im Alexander Verlag gut ergänzt. In einer beigelegten DVD findet sich zudem auch Anschauungsmaterial, was bei einer zum Teil arg in die Tiefe gehenden, beschriebenen Analyse bestimmter Filmszenen auch dringend erforderlich ist. Ein gutes Buch für die Exploration eines vernachlässigten Forschungsfeldes, an dem auch der Laie seine Freude haben wird. Zu einer filmhistorischen Theoriebildung taugt dieser kursorische, zusammenfassende Überblick über sich historisch gewandelte Beleuchtungstechniken, die nur wenige Fachtermini bemüht, jedoch nicht.


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