|
FILM.
"My film is not a movie. My film is not about Vietnam. My film is Vietnam."
Die Worte von Francis Ford Coppola auf den Filmfestspielen in Cannes 1979, als er sein neuestes Werk APOCALYPSE NOW vorstellte, sind weniger anmaßend, als sie zunächst klingen. Ob philippinischer Dschungel als Kulisse, Budget oder Ausrüstung: die Bedingungen des Drehs glichen dem Krieg der Amerikaner in Vietnam. Und alle wurden schließlich verrückt. All das zeichnet das etwas andere "Making Of" HEARTS OF DARKNESS detailliert nach, welche den Mammut-Dreh begleitete, Überschwemmungen, Drogenexzesse der Darsteller und einen Herzinfarkt von Martin Sheen dokumentierend.
Der Plot spiegelt dabei die Entstehung des Films: Ein desillusionierter Offizier, Cpt. Willard (Martin Sheen) wird mit dem Auftrag betraut, den abtrünnigen Col. Kurtz (Marlon Brando) zur Strecke zu bringen, der hinter der kambodschanischen Grenze eine brutale Schreckensherrschaft mitten im Dschungel errichtet hat. Die Bootsfahrt bis dorthin, die neben Willard nur zwei weitere Soldaten überleben, wird zum Spiegelbild des Kriegs in Vietnam. Der Wahnsinn und das Grauen (the horror… the horror) säumen die Zwischenstopps. Ein Offizier der 1. US-Luftkavallerie lässt in einem von Nordvietnamesen beherrschtes Gebiet um einen Strand säubern, nur um zu surfen. Extra eingeflogene Playboy-Häschen bringen in einer Arena einen ganzen Stützpunkt in Wallung. An der Grenze zu Kambodscha sind keine Befehlshaber mehr zu finden, nur verwirrende Kriegshandlungen und unklare Frontlinien. Und das Lager vom resigniert philosophierenden Col. Kurtz ist ein Ehrfurcht erbietender Tempel und gleichzeitig ein riesiger Friedhof mit Leichen allenthalben.
Coppola tritt dabei mit APOCALYPSE NOW die Nachfolge von Orson Welles an, der sich bereits 1939 an einer Verfilmung der Novelle Heart of Darkness von Joseph Conrad versuchte. Wurden damals nach ein paar Probeaufnahmen horrende Kosten prognostiziert und das Drehvorhaben abgebrochen, zog es Francis Ford Coppola zum Teil mit der Finanzierung aus eigener Tasche und die Verlegung der Handlung vom Kongo in den Vietnamkrieg durch. Glücklicherweise ließ er sich dabei von Dummkopf und Autor John Milius nicht dazu überreden, aus Authentizitätsgründen quasi live "an der Front" in Vietnam zu drehen. Auch dessen fragwürdiger Idealismus und seine grobschlächtige Art sind im Bonusmaterial umfangreich illustriert.
238 Drehtage, 20 Millionen Dollar Budget, ein Regisseur, dem kein gutes Ende einfallen will, der immer wieder an seinem Werk (ver-)zweifelt. Doch dieses Martyrium aus Blut und Tränen führte Coppola zu sich selbst, zu seinem endgültigen Meisterwerk, an welches er bisher nicht mehr anknüpfen konnte. APOCALYPSE NOW ist ein psychedelisch orchestrierter und bebilderter Trip ins Innere seiner Akteure, der sich gegen jede Genre-Einordnung sträubt. Wenn am Ende Brandos und Sheens Gesichter zur Hälfte im Dunkel verschwinden, ringt das Gute mit dem Bösen, die Vernunft mit dem Wahnsinn, die bedrückende Realität mit einer geisterhaft entrückten Parallelwelt mitten im Dschungel. Umso mehr bedauert der überwältigte Zuschauer, dass Coppola seinem "alten" Ende, mit welchem er nach eigenen Auskünften nie wirklich glücklich war (im Abspann explodiert zu psychedelischen Bild-Ton-Kompositionen Kurtz' Lager unter Raketenbeschuss), auch fernab der 50 Minuten längeren Redux-Fassung abschwor. Auch die unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten, die dadurch entstehen, hätten einen schönen Gegensatz dargestellt, einen dialektischen Widerspruch, den Kurtz in seinen ebenso weisen wie wirren Monologen so gern eröffnet.
DVD.
Mit der Full Disclosure Edition setzt Arthaus diesem Meisterwerk der Filmgeschichte ein ebenbürtiges Denkmal unter den DVD-/BluRay-Veröffentlichungen. Neben der aufschlussreichen Dokumentation HEARTS OF DARKNESS über die Dreharbeiten gibt es im äußerst umfangreichen Bonusmaterial u. a. eine Erklärung von Walter Murch zur Filmmusik, eine kurzes, aber prägnantes Feature über die Restaurierung des Filmmaterials und der Farben sowie ein Interview zwischen Milius und Coppola. Bild- und Tonqualität wurden überarbeitet und sind für das Alter des Films äußerst beeindruckend. Löblich: Auch das ursprüngliche Ende ist in den Extras kommentiert von Coppola zu finden. Eine mustergültige DVD-Veröffentlichung!
|
|
|