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DER UNSICHTBARE teilt sich mit dem gleichnamigen, wegweisenden Film von 1933 (der wiederum auf einem Roman von H.G Wells basiert) zwar die Grundidee und den Titel, ein wirkliches Remake ist der Film allerdings nicht. Wenn überhaupt ähnelt die Produktion der nach wie vor immens erfolgreichen Blumhouse-Studios eher HOLLOW MAN - UNSICHTBARE GEFAHR aus dem Jahr 2000. Bedauerlicherweise erreicht der von Leigh Whannell inszenierte Psychothriller in keiner Sekunde das Entertainment-Niveau von Paul Verhoevens wenig tiefsinniger, aber hochgradig unterhaltsamer Effektorgie.
Whannell legt den Fokus (anders als Verhoeven) fast komplett auf seine weibliche Hauptfigur. Eine prinzipiell gar nicht mal so unkluge Entscheidung, besonders wenn der Cast von einer hervorragenden Darstellerin wie Elisabeth Moss (TOP OF THE LAKE) angeführt wird. Moss spielt Cecilia Kass, eine Mittdreißigerin, die von ihrem Partner psychisch und physisch missbraucht wird. Bereits in den Anfangsminuten fällt sie dabei die Entscheidung die Beziehung zu beenden und ihren Ehemann, den schwerreichen Wissenschaftler/Geschäftsmann Adrian (blass: Oliver Jackson-Cohen) in einer heimlich geplanten Fluchtaktion zu verlassen.
Whannell, der mit seinem letzten Output UPGRADE, insbesondere Genre-Fans (und aufgrund mauer Einspielergebnisse weniger das produzierte Studio) glücklich machte, unterstreicht mit dieser ersten Spannungssequenz abermals sein Talent für den Umgang mit Schnitt, Ton und Bildaufbau. Ein perfekt choreographiertes Lehrstück in Sachen Suspense, dass dummerweise Erwartungen weckt, die DER UNSICHTBARE im weiteren Verlauf der (viel zu langen) Laufzeit nur noch selten adäquat bedient.
Aber zurück zur Handlung: Cecilia gelingt die Flucht (das ist übrigens kein Spoiler) und kommt vorübergehend bei einem Freund und seiner Tochter unter. Die Angst von Adrian aufgespürt zu werden, bleibt dennoch und treibt sie zusehends in die Isolation. Ihre Freunde und ihre Schwester tun zwar alles um die Frau wieder an ein normales Leben zu gewöhnen, für Cecilia ist jedoch bereits der Gang zum Briefkasten eine kaum zu bewältigende Mammutaufgabe. Als die Nachricht eintrifft, dass Adrian Selbstmord begangen hat und ihr zudem eine stattliche Summe vererbt hat, scheint sich ihr Zustand schrittweise zu verbessern. Ihr neugefundenes Glück ist aber nicht von Dauer, denn nach einigen unmissverständlichen Ereignissen ist Cecilia überzeugt, dass Adrian seinen Selbstmord nur vorgetäuscht hat. Und als genialer Wissenschaftler einen Weg gefunden hat, seinen Körper unsichtbar werden zu lassen.
DER UNSICHTBARE wählt im Zusammenhang mit seinem Antagonisten einen eher ungewöhnlichen Weg. Adrian wird nur in sehr wenigen Szenen in seiner nicht-unsichtbarer Gestalt gezeigt. Die von ihm ausgehende Bedrohung erschließt sich somit zunächst ausschließlich über die Berichte Cecilias und ihren psychischen Zustand. Moss spielt die gebrochene Person ausgesprochen nuanciert und vermittelt glaubhaft die verheerenden Folgeschäden einer toxischen Beziehung. Die vorübergehende Nicht-Anwesenheit von Adrian passt dabei einerseits zur grundlegenden Thematik des Films. Er ist nicht mehr als Person greifbar, seine Taten wirkend dennoch weiter zersetzend auf die Psyche seines Opfers. Anderseits bleibt die von ihm ausgehende Bedrohung bis zur Hälfte des Films seltsam abstrakt, da die fast vollständig ausbleibende Charakterisierung des Täters ihn ebenso als Figur unsichtbar werden lässt.
Wenn es dann soweit ist und Adrian endgültig als Unsichtbarer agiert und dies für alle Beteiligten überdeutlich offenbart wird, arbeitet der Film seltsam zurückhaltend. Die eingesetzten Effekte sind zwar routiniert umgesetzt, spektakulär oder einfallsreich (was man z.B. Verhoevens Film selbst zwanzig Jahre später noch attestieren kann) sind diese nie. Fast wirkt es als würde Whannell extra mit angezogener Handbremse inszenieren um dadurch das Kontextthema nicht aus dem Blick zu verlieren. Für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt in Paarbeziehungen und den entsprechenden Begleiterscheinungen (Identitätsverlust etc.) ist der DER UNSICHTBARE dann allerdings doch zu oberflächlich geraten.
Kurzum: Der Psychothriller überzeugt weder auf der einen noch auf der anderen Ebene. Gute Ansätze sind zweifelsfrei vorhanden und das Whannells Inszenierung fast schon altmodisch daherkommt und sich eher auf die Tugenden des klassischen Suspense-Kinos verlässt, ist ebenfalls vom Prinzip her nicht die schlechteste Idee. Insgesamt erwacht der Film aber viel zu selten wirklich zum Leben. Höhepunkte sind, abgesehen von der Eingangssequenz und einer überhastet durchgezogenen Actionszene in einer psychiatrischen Einrichtung, Mangelware, die nur umso deutlicher machen, wie langgezogen der Film seine Geschichte eigentlich erzählt. Mit seinem Ansatz die weibliche Protagonistin irgendwann aus ihrer reinen Opferrolle zu befreien und ihr ebenfalls auf weiteren Ebenen eine nachvollziehbare Entwicklung zuzugestehen, bewegt sich der Film zwar weit über dem sonstigem Thriller-Niveau Hollywoods, inwiefern Abhängigkeitsverhältnisse und Machtstrukturen gesellschaftlich verankert sind, wird jedoch überwiegend ausgeblendet und bleibt als blinder Fleck bloßes Hintergrundrauschen. So bleibt DER UNSICHTBARE unterm Strich seltsam im Mittelmaß kleben. Ein paar gute Ansätze machen eben noch keinen guten, geschweige denn, aufsehenerregenden Film.
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