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KAPITELWAHL

TOP OF THE LAKE (Australien/Neuseeland/Großbritannien 2013)

von Florian Lieb

Original Titel. TOP OF THE LAKE
Laufzeit in Minuten. 360

Regie. JANE CAMPION . GARTH DAVIS
Drehbuch. JANE CAMPION . GERARD LEE
Musik. MARK BRADSHAW
Kamera. ADAM ARKAPAW
Schnitt. ALEXANDRE DE FRANCESCHI . SCOTT GRAY
Darsteller. ELISABETH MOSS . PETER MULLAN . DAVID WENHAM . HOLLY HUNTER u.a.

Review Datum. 2014-08-26
Erscheinungsdatum. 2013-11-15
Vertrieb. POLYBAND/WVG MEDIEN

Bildformat. 1.77:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 2.0)
Untertitel. ENGLISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
In über 100 Jahren Geschichte von Film und inzwischen auch Fernsehen ist es immer schwerer, wirklich originell und originär zu sein. Alles schon mal dagewesen, Aha-Effekte sind eher Mangelware. Ausnahmen bestätigen die Regel, so wie im Fall einer jüngeren Detektiv-Serie, die unerklärliche Ereignisse rund um den Missbrauch von Mädchen aufzuklären versucht. Stellenweise düster, über weite Strecken hervorragend fotografiert und grundsätzlich exzellent gespielt ist HBO's TRUE DETECTIVE ein Highlight der gegenwärtigen Fernsehgeschichte. Dumm, dass sich dieses Review auf TOP OF THE LAKE bezieht, produziert von der BBC unter Federführung von Jane Campion. Deren Show wäre wohl gerne all das, was TRUE DETECTIVE ist (und bezeichnet sich auch so): originell und bahnbrechend. Stattdessen ist die Show jedoch durchschaubar wie Plexiglas.

Dabei eint beide Serien auf den ersten Blick einiges, von der Thematik bis zur technischen Umsetzung. Jane Campion und SWEETIE-Kollege Gerard Lee erzählen die Geschichte von der 12-jährigen Tui, die in einem abgelegenen neuseeländischen Örtchen schwanger aufgegriffen wird. Aus Australien reist Ermittlerin Robin Griffin (Elisabeth Moss) an, um herauszufinden, wer das Mädchen vergewaltigt hat. Der Verdacht fällt auf ihren Vater, den lokalen Drogenboss Matt Mitcham (Peter Mullan). Der wiederum ist per Du mit dem Polizeichef Al Parker (David Wenham), der wie die übrigen Polizeikollegen Robin die Arbeit alles andere als leicht macht. Als dann Tui auch noch in den Wäldern verschwindet und in Mitchams Sohn Johnno (Thomas S. Wright) Robins Ex-Freund auf der Bildfläche erscheint, wird das Leben der Ermittlerin, deren Mutter obendrein nebenher an Krebs stirbt, reichlich turbulent.

Minderjährige Schwangere, Vergewaltigung, Krebs und Drogendealer - harter Tobak, erst Recht für träumerische neuseeländische Flecken, die auf den Namen "Paradise" hören. Dass sich dort eine Gruppe hoffnungsloser, misshandelter Frauen jenseits der Menopause um die esoterische Schrulle GJ (Holly Hunter) versammelt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die Clique um GJ hat für zwei Millionen Dollar jenen Flecken Erde erstanden, den Matt Mitcham gerne für sich beanspruchen würde. Weil hier seine Mutter begraben sei. Was in den ersten beiden Folgen als Subplot angerissen wird, verflüchtigt sich jedoch alsbald in den Äther. Und steht damit nicht alleine da. Nicht viel will in TOP OF THE LAKE wirklich zusammenpassen. Wüsste man es nicht besser, man könnte meinen, die sechsstündige Serie wurde von zehn Stunden runtergekürzt. Wäre dem so, müsste man dankbar darum sein.

Denn die Serie hat an vielen ihrer Figuren und an ihrer eigentlichen Prämisse die meiste Zeit wenig Interesse. Stattdessen fokussiert sie sich in ihrer Mitte nahezu ausschließlich darauf, altbackene Liebesgeschichte zu sein, die mal um mal das "lieben sie sich, lieben sie sich nicht"-Spielchen mit Robins und Johnnos Figuren durchexerziert. Dass ein zwölfjähriges, schwangeres Mädchen vermisst wird, gerät da teils derart in den Hintergrund, dass man irgendwann durch eine eingeworfene Bemerkung einer Figur mit Erstaunen feststellt, dass seit ihrem Verschwinden zwei Monate vergangen sein sollen. Wenn ein vermisstes Mädchen schon der Serie selbst egal ist, kann es beim Publikum nicht anders bestellt sein. Das Desinteresse von Campion und Lee hört hier aber nicht auf. Es ergreift auch Robins angeblich ihre Mutter misshandelnden Stiefvater in spe sowie die gesamte Clique um GJ und Co.

Die in Container hausenden Damen existieren einfach in TOP OF THE LAKE, ohne für dessen Verlauf wirklich eine Rolle zu spielen. Allenfalls als location spot nutzt die Serie sie, dabei - und das ist an sich der Witz - ist GJ und ihre Sektenartige Clique weitaus interessanter als alle vergewaltigten Zwölfjährigen jenseits des Paradieses. Irgendwann findet die Serie allerdings doch wieder zurück zu Tuis Fall, dessen Aufklärung man als Zuschauer aber nicht nur aus mangelndem Interesse nicht bedürfte, sondern auch, weil alles, was die Serie selbst als "Twist" erachten würde, für den bereits mittelmäßig erfahrenen Zuschauer aus einer Meile Entfernung zu erahnen ist. Das persönliche Geheimnis von Robin? Liest man ihr bereits in Folge 1 vom Gesicht ab. Das persönliche Geheimnis von Matt Mitcham? War schon mindestens zwei Folgen vorher klar. Der für die finalen fünf Minuten aufgehobene Bösewicht? Der Zuschauer hätte für seine Überführung höchstens halb so lange gebraucht.

Bahnbrechend ist hier wenig und originell noch weniger. Vielmehr sind die Figuren eindimensionale Klischees, denen die Luft zum Atmen fehlt. Was, um zum Eingang dieser Kritik zurückzukommen, nichts Dramatisches ist. Auch TRUE DETECTIVE reißt mit seiner Figurenzeichnung keine neuen Löcher in die Mauern des story tellings - immerhin fühlen sich dessen Charaktere jedoch echt an und was ihnen widerfährt beziehungsweise wem sie begegnen ist von Bedeutung. Da helfen TOP OF THE LAKE keine schönen Aufnahmen von Neuseeland und auch nicht das überzeugende Spiel von Mullan, Hunter und Co., wenn man von einer leidlich begabten und in diesem Fall absolut fehlbesetzten Elisabeth Moss an die Hand genommen wird. So baut die Serie nach dem soliden Einstieg - der vielversprechend begann und dann immer weniger hiervon einlöste - mehr und mehr ab. Letztlich kann man - und auch die Show selbst - dankbar sein, dass nach Folge 6 Schluss war. Wie gut, denkt man sich dann, dass es noch TRUE DETECTIVE gibt.

DVD.
Bild und Ton sind zufriedenstellend, die deutsche Synchronisation auch, wobei in dieser natürlich die Akzente verloren gehen. Als Extras warten in Kurzform zwei Mini-Interviews mit Moss und Hunter sowie ein Blick hinter die Kulissen und ein 50-minütiges Feature über den - scheinbar zähen - Entwicklungsprozess des Drehbuchs sowie die Umsetzung mit den Darstellern. Nur bedingt spannend, passt damit aber gut zur Serie selbst.








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