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SURVIVAL OF THE DEAD (USA 2009)

von Björn Lahrmann

Original Titel. SURVIVAL OF THE DEAD
Laufzeit in Minuten. 95

Regie. GEORGE A. ROMERO
Drehbuch. GEORGE A. ROMERO
Musik. ROBERT CARLI
Kamera. ADAM SWICA
Schnitt. MICHAEL DOHERTY
Darsteller. ALAN VAN SPRANG . KATHLEEN MUNROE . KENNETH WELSH . ROBERT FITZPATRICK u.a.

Review Datum. 2010-04-11
Kinostart Deutschland. 2010-05-06

Letztlich ist alles eine Glaubensfrage. Auf dem kleinen Eiland Plum vor der Küste Delawares befehden sich seit Unzeiten die Clans der Molloy und O'Flynn. Den Streitthemen sind Grenzen nicht gesetzt, den Positionen nur insoweit, wie sie der anderen Seite als exaktes Gegenteil entsprechen. Die Toten, die seit Kurzem aus der Erde kriechen, sind bloß jüngster Anlass zum erbitterten Zank: Seamus Molloy (Richard Fitzpatrick) ist Pro-Zombie, betreibt Integrationspolitik, indem er die armen Seelen ankettet und zu mehr oder minder gutem Nutzen ihrer alten Tätigkeiten frönen lässt: Postbotenzombie, Holzhackerzombie, Küchenzombie. Patrick O'Flynn (Kenneth Welsh) dagegen ist Anti-Zombie, zieht mit einem schwer bewaffneten Euthanasiekommando durchs Dorf und jagt denen, die zu erlösen die lieben Verwandten nicht übers Herz bringen, eine Gnadenkugel durch den Kopf. O'Flynn wird von Molloys wütendem Mob von der Insel gejagt, rekrutiert auf dem Festland eine Bande abtrünniger Soldaten als Verstärkung und kehrt zurück, dem Erzrivalen ein letztes Gefecht zu liefern.

George Romero ist der Frank Plasberg des Horrorkinos. In seiner Arena treffen dickköpfig die Weltanschauungen aufeinander, bis der Klügere nach- oder den Löffel aus der Hand gibt. Tot aber fair. Das filmische Korrelat solcher Dispute ist das Duell, Romeros DEAD-Reihe damit im Grunde: minimalistische Western. SURVIVAL OF THE DEAD – sechster Titel des Gesamtzyklus, zweiter seit Serien-Relaunch – treibt diese Tendenz auf die Spitze. Strukturell präsentiert er sich als lose verknüpfte Abfolge von RIO BRAVO-Situationen, in denen die ideologischen Fronten konsequent in Raum- und Figurenanordnungen übersetzt werden. Plum Island bildet dafür das ideale Setting, ein kaum erschlossenes Natur-Areal, wo knurrige Cowboys noch in Dustermänteln durch die herbstlichen Marschen galoppieren. Mit einiger Variationsbreite zelebriert Romero hier den fortwährenden Clash verfeindeter Grüppchen, das Verschanzen in Panzerwagen und Schweinekoben, den gebrüllten Austausch von Argumenten, deren beste immer noch in Blei gegossen sind.

Wie zweitrangig die Untoten in diesem Szenario längst geworden sind, lässt sich in Grundzügen bis DAWN zurück verfolgen: Schon dort hielten die Zombies vorwiegend als kinderleicht zu narrendes Spielmaterial her, während die tatsächliche Bedrohung von der menschlichen Zwangsgemeinschaft ausging. Spätestens mit SURVIVAL haben die Untoten ihren Schrecken restlos eingebüßt. Mit dandyhafter Mühelosigkeit und beträchtlicher Kreativität wird den hirnlosen Tölpeln reihenweise der Garaus gemacht, eine lästige Plage, schlimmer kaum als eine erhöhte Bienenpopulation. Im Handumdrehen finden sich die Verseuchten ins asoziale Gefüge der Welt integriert, hingenommen als aktuelle Gegebenheit unter vielen: Im Fernsehen laufen schon erste Zombie-Quizshows, im Wald machen sich campierende Rednecks einen Spaß daraus, die sinnlos vor sich hin maulenden Köpfe aufzupflocken. Für die apokalyptische Gemengelage scheinen die Untoten ein Symptom, nicht aber Hauptursache zu sein. Das Einreißen sozialer Strukturen kriegen die Lebenden immer noch sehr gut alleine hin.

Mit allerlei serieninternen Echos – den lernfähigen Zombies aus DAY, den Soldatenfiguren aus DIARY – erheben die DEAD-Filme nach wie vor den Anspruch eines großen Entwurfs, und der Gründermythos des Western, der SURVIVAL blutig durchzieht, unterstreicht erneut dieses Bestreben. Woran es Romero unterdessen leider mangelt, sind zündende Einfälle, die sein Weltmodell noch substanziell erweitern könnten. Reitende Zombies, schwimmende Zombies, brennende Zombies: nicht viel mehr als putzige, hinlänglich bekannte Gimmicks. Kleine Oldschool-Freuden bietet der Film dennoch allemal. Unnachahmlich bleiben Romeros skurrile Tonlagenwechsel zwischen Satire und Weltschmerz, Dystopie und hemmungsloser Alberei; und trotz oftmals billigem CGI-Geschmadder erfreuen die zahllosen Zombietötungen mit vergnüglichem Looney-Tunes-Slapstick.
Im Rahmen von Romeros Gesamtprojekt mag SURVIVAL OF THE DEAD die bislang unerheblichste Etüde darstellen; dennoch schimmert seine strikte Weigerung, sich in Zentrumsnähe zu Hollywood – seinen Konventionen, seinem Kapital, seinen Stars – niederzulassen, jederzeit auf angenehme Weise durch. (In Western-Termini gesprochen, ähnelt sein Arbeitsethos damit weniger Hawks als Budd Boetticher.) Ein verlässlicher, störrisch unzeitgemäßer Genre-Sonderling, auf dem das Gewicht des eigenen Erbes unglücklich lastet. Wäre das Prädikat "souveräner Maverick" kein Widerspruch in sich: Romero hätte es nach wie vor verdient.











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