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THE STRANGE COLOUR OF YOUR BODY'S TEARS (Frankreich/Belgien/Luxemburg 2013)

von Matthias Mahr

Original Titel. L 'ÉTRANGE COULEUR DES LARMES DE TON CORPS
Laufzeit in Minuten. 102

Regie. HÉLÈNE CATTET . BRUNO FORZANI
Drehbuch. HÉLÈNE CATTET . BRUNO FORZANI
Musik. nicht bekannt
Kamera. MANU DACOSSE
Schnitt. BERNARD BEETS
Darsteller. KLAUS TANGE . JEAN-MICHEL VOVK . SYLVIA CAMARDA . SAM LOUWYCK u.a.

Review Datum. 2014-07-14
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Der Brüsseler Telekommunikationsfachmann Dan Kristensen kehrt von einer Dienstreise zurück, seine Frau ist verschwunden. Er fragt eine Nachbarin, der wohl was ähnliches mit ihrem Mann passiert ist. Am nächsten Morgen klopft ein Mann an die Tür, der behauptet ein Detektiv zu sein, den Kristensen am Abend zuvor verständigt haben soll. Auch er gibt eine persönliche Anekdote zum Besten, was Kristensen zur genervten Frage verleitet, was zum Teufel das denn mit seinem Fall zu tun habe.

2009 brachte das belgische Paar Hélène Cattet und Bruno Forzani ihr Langfilmdebüt AMER heraus, eine surreale Paraphrase des Giallos, die weitgehend ohne Dialoge auskommt. Zwischen ihrem Beitrag für THE ABCS OF DEATH, der eher an ein Musikvideo erinnert und einer Auftragsarbeit für arte, in der sie Ausschnitte aus Filmen von Dario Argento zu einem kurzen Clip montierten ist THE STRANGE COLOR OF YOUR BODY'S TEARS um einiges gesprächiger und handlungsreicher. Auch wählt das Paar einen ungewohnt modernen Beruf für den Protagonisten und mit Brüssel ein nicht gerade typisches Setting für einen "Giallo". Dennoch bleibt ihre Handschrift unverkennbar, trotz diesmal schon deutlich wahrnehmbarem Hang zur (immer respektvollen, ehrerbietenden) Parodie. Besonders originell wird in einer Verhörszene ein Bildteiler eingesetzt. Auch die Kaleidoskop-Spielchen vermögen weitgehend zu gefallen. Lediglich eine oft wiederholte Einstellung, in der ein Messer über eine weibliche Brustwarze, vermutlich der vermissten Gattin, streicht, beginnt mit der Zeit zu langweilen. Obwohl der Film generell von wiederkehrenden Motiven geprägt ist, ein weißer Raum mit Jugenderinnerungen, eine 7, die zum L wird, Dolchwunden, die an Vaginas erinnern, so werden doch immer neue Variationen zu einem Thema gezeigt, was beim Nippelschaber nicht zu bemerken ist.

Trotzdem nehmen die humorvollen Elemente nicht überhand, stören auch nie die Atmosphäre, die mit oft herausragenden visuellen Einfällen aufgebaut werden. Im äußersten Fall überdecken sie vielleicht einen wichtigen Hinweis: eine Pointe, bei der in zwei Kinovorstellungen das ganze Publikum begeistert loslachte, sitzt unmittelbar vor einer seltsam formulierten Dialogzeile mit doppelter Verneinung. Ob das bewusst so platziert war? In jedem Fall ist das etwas, was dem Film besonders auszeichnet: Die Vereinigung der liebenswertesten Qualitäten von Dario Agento und David Lynch.
Natürlich eifern Cattet und Forzani einmal mehr ihrem großen Vorbild Argento nach, knüpfen was Stilisierung, Dekor und Farbenpracht betrifft, an seine Hochzeit an. Optische Eindrücke, wie eine Teekanne, die wie von Geisterhand zu schweben beginnt, begeistern, obwohl die Ursache dieser "Magie" im gleichen Augenblick offenkundig ist.

Beim Gespräch vor einer Festivalvorführung in Linz meinten Cattet und Forzani, der nicht gerade sinnstiftend wirkende Filmtitel soll lediglich eine Anhäufung unheimlicher Vokabel darstellen. Das klingt schlüssig, dennoch beschleicht einen der Verdacht, es könnte sich auch um ein Anagramm handeln. Ein wiederholt ins Bild gesetztes Verschiebepuzzle verstärkt diesen Eindruck, STRANGE COLOR erinnert aber auch allgemein an die ominösen "Rätselfilme" eines David Lynch, und vermag auch diesen Vergleich zu bestehen. Der Film funktioniert auf rein emotionaler Ebene wunderbar, er verleitet einen allerdings auch, spätestens beim zweiten Mal, ihm konzentriert zu folgen, Details zu entdecken und zu entschlüsseln. Ob alles zu 100% entwirrbar ist, ist auch nach zwei Vorstellungen wohl nicht ermessbar, möglicherweise muss jeder Zuseher auch seine eigene "Wahrheit" finden, Aufmerksamkeit wird aber in jedem Fall belohnt, man wird zum wiederholten Ansehen geradezu angespornt.











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