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STATE OF PLAY - STAND DER DINGE (USA/Großbritannien 2009)

von Florian Lieb

Original Titel. STATE OF PLAY
Laufzeit in Minuten. 127

Regie. ANDREW MACDONALD
Drehbuch. MATTHEW MICHAEL CARNAHAN . TONY GILROY . BILLY RAY
Musik. ALEX HEFFES
Kamera. RODRIGO PRIETO
Schnitt. JUSTINE WRIGHT
Darsteller. RUSSELL CROWE . BEN AFFLECK. RACHEL MCADAMS. HELEN MIRREN u.a.

Review Datum. 2009-06-08
Kinostart Deutschland. 2009-06-18

Stichwort: Medienkrise. Was ist nicht gerade los in der Branche. Wegen der Wirtschaftskrise will niemand mehr so richtig einkaufen. Obschon man es gerade jetzt sollte. Darunter leiden auch die Zeitungen, die sich ohnehin von der Digitalisierung bedroht fühlen. Speziell von den Blogs, diesen fiesen kleinen Meinungsvehikeln. Blogger sind dem traditionellen Print-Journalisten ein Dorn im Auge. Aber gerade in den USA sind Blogs momentan hochaktuell. Und Verkaufszahlen sowieso. Im Journalismus zählt nicht mehr so sehr die Wahrheit, sondern vielmehr, wie man seine Zeitung an den Mann bringt. Mit all diesen Entwicklungen sieht sich auch der Reporter Cal McAffrey (Russell Crowe) in seiner Arbeit bei der Washington Globe konfrontiert. Seine Zeitung ist nun eine Tochtergesellschaft der MediaCorp, seine neue Kollegin Della Frye (Rachel McAdams) von ihrer Profession her eigentlich Bloggerin. Es ist die erste Viertelstunde, die besonders JournalistInnen ein Lächeln auf die Lippen zaubern wird, während sie Zeuge der Widerborstigkeit des klassischen Reporters werden.

Denn McAffrey verkörpert bis ins Detail das typische Kinobild des Journalisten. Unordentlichkeit ist sein Zuhause, sowohl im Auto als auch an seinem Arbeitsplatz stappeln sich die Zettel, Notizen und Akten. Des Weiteren hilft einem Journalisten nichts mehr, als Vitamin B. Sei es die Pathologin oder der ermittelnde Kommissar (Harry Lennix) - Cal ist mit jedem per Du. So lässt man ihn gerne auch mal die Grenzen überschreiten, wenn er sich unerlaubterweise Beweismaterials ermächtigt. In dieses Bild des liebenswerten Pummels fügt sich Crowe mit langer Löwenmähne und Bäuchlein auch gefügig ein. Hierbei überzeugt er am meisten, wenn er sich alleine auf Spurensuche machen darf. In Interaktion mit den anderen wichtigen Figuren wirkt Crowe dagegen etwas fehl am Platze. Hier leidet der Film sicherlich darunter, dass bis eine Woche vor Filmstart eigentlich Brad Pitt für die Hauptrolle vorgesehen war. Nachdem dieser absprang, musste mit Edward Norton in der Nebenrolle auch für diesen kurzfristig ein Ersatz gefunden werden. Den Part von Nortons Kongressabgeordneten und Freund von McAffrey, Stephen Collins, übernahm letztlich Ben Affleck.

Im Gegensatz zu Crowe tut sich Affleck sichtlich schwerer, seiner Figur den nötigen Charakter zu verleihen. Da beißt Collins auf die Zähne, als er zu Beginn vom Tod seiner Assistentin und Geliebten Sonia Baker erfährt. Doch den Schmerz und die Verwunderung will man Affleck nicht so recht abkaufen. Genausowenig wie die College-Freundschaft zu Crowe. Allerdings vermag auch Affleck sich in den Szenen, die nicht unmittelbar mit seiner Frau Anne (Robin Wright Penn) oder McAffrey zu tun haben, etwas zu konsolidieren. Im Nachhinein geben die beiden Ersatzschauspieler aber nicht das beste Bild ab. Zum Glück handelt es sich mit STATE OF PLAY um eine Geschichte, die sich nicht zwingend auf ihre Charaktere stützt, sondern auf ihren Inhalt. Dieser dreht sich um jenen vermeintlichen Suizid von Sonia Baker, ihre Affäre mit Collins und eine Verschwörung um das private Verteidigungsunternehmen PointCorp. Dabei setzt der neue Film von Regisseur Andrew Macdonald nur einen aktuell besonders auffälligen Trend fort: die amerikanische Neuinszenierung bereits Jahre alter Stoffe.

Vor sechs Jahren begeisterte die von Paul Abbots geschriebene und von David Yates inszenierte sechsteilige Miniserie MORD AUF SEITE EINS die Kritiker. Die im Genre erfahrenen Matthew Michael Carnahan, Billy Ray und Tony Gilroy mussten nun für die Kinoadaption das britische Original von fünf auf etwa zwei Stunden Laufzeit kürzen. Das fertige Resultat ist im Grunde nur als großartig zu bezeichnen. Denn es gelang den Dreien nicht nur, dieselbe Geschichte in komprimierter Form zu erzählen, sondern Yates' Film auch von all den unnötigen Nebenhandlungen zu befreien, die die Miniserie so unglaublich dröge hatten daherkommen lassen. Besonders dankbar ist man den Machern für die Entfernung der Affäre zwischen Cal und Anne. Diese wird am Rande erwähnt und in die Vergangenheit platziert, was ungemein viel Zeit spart, bedenkt man wieviel Raum die Beziehung ursprünglich eingenommen hat. Auch die Einbindung des essentiellen Zeugen Dominic Foy (Jason Bateman) wird auf das nötige Mindestmaß reduziert.

Durch die Straffung der Laufzeit gewinnt STATE OF PLAY auch ungemein an Stringenz, da durch das angezogene Tempo kaum Aufmerksamkeit verloren geht. Somit ist Macdonalds Film als Remake auf ganzer Ebene gelungen und übertrumpft sogar seinen Vorgänger - auch dank der Einbindung der Medienkrise. Zwar wirkt Yates' Film hier bisweilen etwas glaubwürdiger - im Remake ermitteln Cal und Co. in beeindruckenden von zwei Tagen und die Polizei spielt in der zweiten Hälfte komischerweise gar keine Rolle mehr - aber dies verzeiht man STATE OF PLAY hinsichtlich seiner spannenderen Verpackung. Lediglich in seiner Auflösung versagt das Remake - das insbesondere hier ausgiebig das Original zitiert - ebenso wie sein Vorbild. Selbst wenn man Carnahan, Gilroy und Ray zu Gute halten muss, dass der finale Twist nicht wie bei Abbot schon in den Anfangsminuten absehbar ist. Auf inhaltlicher Ebene ist Macdonalds zweiter Thriller nach DER LETZTE KÖNIG VON SCHOTTLAND somit mehr als überzeugend und packend verkauft.

Von der Inszenierung her bewegt sich Macdonald oft auf einem semidokumentarischen Level, wenn die Kamera sich so positioniert, als würde es sich bei Rodrigo Prieto um ein weiteres Mitglied der Reporter-Crew handeln. So vermittelt der Film in vielen Einstellungen das Gefühl, dass man sich in unmittelbarer Nähe der Figuren befindet. In dieser Hinsicht weiß der schottische Regisseur sich also im Vergleich zu seinem Vorgänger nochmals zu steigern. Vom Schauspielensemble weiß besonders McAdams als Delly Frye zu gefallen. Speziell in der Krankenhausszene, wenn Della Zeugin eines Mordes wird, zeigt die Amerikanerin ihr Talent. Scheinbar sind es die lebensbedrohlichen Szenen des Films, welche das Ensemble zu Hochleistungen anstacheln. Denn wie Crowes Stimme durch plötzliche Angst einbricht, als er sich unerwartet einem Killer gegenübersieht, verdient mindestens ebensoviel Lob. Der Straffung der Geschichte fällt dann die ebenso überzeugende Dame Helen Mirren als Chefredakteurin des Washington Globe zum Opfer. Immerhin sorgt Mirren - die hier den Part von Bill Nighy im Original übernimmt - dafür, dass sie ihren wenigen Szenen ("Fuck you very much!") ihre persönliche Note verleihen kann.

Somit ist STATE OF PLAY zu den starken Thrillern des Jahres zu zählen. Durch seine Komprimierung wirkt er zwar noch etwas konstruierter als die doppelt so lange britische Fernsehversion, ist dadurch allerdings nicht weniger spannend. Zudem schlägt er eine schöne Brücke zwischen dem investigativen Reporter (Cal) und der neuzeitlichen Bloggerin (Della), die hier in Partnerarbeit zu funktionieren und sich zu ergänzen wissen. Die Botschaft des Filmes ist also, nicht jeder Feind muss zwingend ein Fein sein/bleiben - genausowenig wie nicht jeder Freund auch nach Jahren noch ein Freund bleibt/ist. So kommt es zu einem gelungenen Fazit - filmübergreifend - wenn Della zu Cal in einer entscheidenden Phase der Recherche sagt, dass eine so gewichtige Story der Leserschaft mit Druckertinte an den Fingern serviert werden muss. Oder in diesem Fall, über den Umweg Zelluloid.











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