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SLEEP DEALER (USA/Mexiko 2008)

von Björn Eichstädt

Original Titel. SLEEP DEALER
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. ALEX RIVERA
Drehbuch. ALEX RIVERA . DAVID RIKER
Musik. TOMANDANDY
Kamera. LISA RINZLER
Schnitt. ALEX RIVERA
Darsteller. LUIS FERNANDO PEÑA . LEONOR VARELA . JACOB VARGAS . TENOCH HUERTA u.a.

Review Datum. 2008-05-13
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Seit die Börsen beben, Investmentbanker zuhauf ihr Versagen im Spiel mit der Spekulation eingestehen und in China die Menschenrechte erneut auf ganz eigene Art und Weise interpretiert werden, sind kritische Betrachtungen des weltweiten Neoliberalismus wieder en vogue. Denn was der allgegenwärtige globale Konzernkapitalismus und die angeschlossenen aus unserer Welt zuweilen macht, das ist oft wenig begrüßenswert, führt zu einer weiteren Spaltung zwischen Arm und Reich und zum Ende des Öffentlichen in einer Welt, die oftmals nur noch den Konsum um jeden Preis kennt. Die Kunst schaut häufig weg, denn auch sie ist inzwischen nicht selten Teil des Spiels um Rendite und Rachennichtvollbekommenkönnen geworden. Dabei gehört die kritische Betrachtung des Status Quo und das zugehörige Weiterdenken eigentlich zu ihren ureigenen Aufgaben.

Doch kaum hat man sich innerlich beschwert, passiert etwas Überraschendes. Denn manchmal kommt aus den Tiefen der Filmwelt dann doch ein kleines, mutiges Wunder, von dem man als Zuschauer ahnt, dass es sich nachhaltig in die Analen der Filmgeschichte einschreiben, dass es die Sicht auf manches ändern und das Publikum weltweit in Verzückung stürzen wird. Und das, obwohl (oder gerade weil) dieses kleine Wunder keinen Mainstream-Ansatz wählt, sich nicht beim Rezipienten anbiedert oder sonstige, vermeintlich einfache Wege beschreitet. SLEEP DEALER ist solch ein rarer Fall, dessen Bedeutung vielleicht erst in ein paar Jahren erkannt werden wird, wenn sich all das, was dieser Film ins Zentrum seiner fiktionalen Sci-Fi-Handlung stellt, in alltägliche Realität verwandelt haben wird - soweit es nicht schon längst passiert ist.

Da ist zunächst der Twentysomething Memo. In seinem kleinen mexikanischen Heimatort Santa Ana del Rio hat der technologische Fortschritt bisher kaum Einzug gehalten. Die globale Ökonomie der Großkonzerne schlägt jedoch schon gnadenlos zu: In Gestalt eines riesigen Staudamms, der das landwirtschaftlich geprägte Dorf von seiner Lebensader abschneidet. Nichts mehr zu holen also für den jungen Mann, der von Technik begeistert ist und eigentlich nur weg will aus der verschlafenen Einöde. Und als er schließlich bei einem Hacking-Versuch über die selbstgebastelte Satellitenantenne von der Aqua-Terror-Abwehrtruppe geortet und darauf hin sein Elternhaus von einer amerikanischen Drohne in Schutt und Asche gelegt wird, gibt es sowieso keinen Grund mehr zum Verweilen. Also in die Stadt, wo ein jeder, der arbeiten möchte, integrierte Schnittstellen benötigt, mit denen er sich direkt ans Internet anschließen kann – Cronenbergs EXISTENZ schaut mal kurz um die Ecke! Als Telearbeiter baut Memo fortan via Virtual-Reality-Brille Hochhäuser in Kalifornien oder fliegt Angriffe in Kriegen irgendwo auf der Welt. Doch mehrere schicksalhafte Begegnungen - mit einer Journalistin und dem amerikanischen Soldaten, der das Elternhaus in Mexiko in die Luft jagte - ändern den Lauf der Dinge und bei den Beteiligten das Bewusstsein für die Verhältnisse.

Debütant Alex Rivera hat mit SLEEP DEALER eine unglaublich komplexe und spannende Dystopie geschaffen, die aktuelle technologische Entwicklungen und Anwendungen – wie das Internet, Ebay, Nintendo Wii, Cybersex, YouTube, Blogs – ebenso integriert und extrapoliert, wie die politischen Verhältnisse zwischen den USA, seinem Nachbarn Mexiko und anderen Schwellenländern. Außerdem kennt der 34-jährige Rivera seine Filmgeschichte genau, holt sich dies beim Body-Horror von Cronenberg und Tsukamoto und das beim TERMINATOR, in INDEPENDENCE DAY oder bei den TRANSFORMERS. Heraus kommt am Ende ein Film, der zum Nachdenken anregt. Nicht umsonst erhielt SLEEP DEALER bei der Berlinale den Amnesty-International-Filmpreis. Klingt nach Spaßbremse, ist es aber nicht. Denn hier liegt sicherlich die Stärke des Films: Er verbindet Sozialkritik mit Action und einer gehörigen Portion Sex-Appeal. Wunderbar!











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