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SELF/LESS - DER FREMDE IN MIR (USA 2015)

von Lutz Granert

Original Titel. SELF/LESS
Laufzeit in Minuten. 117

Regie. TARSEM SINGH
Drehbuch. DAVID PASTOR . ÀLEX PASTOR
Musik. DUDU AUDU ARAM . ANTONIO PINTO
Kamera. BRENDAN GALVIN
Schnitt. ROBERT DUFFY
Darsteller. BEN KINGSLEY . RYAN REYNOLDS . MATTHEW GOODE . NATALIE MARTINEZ u.a.

Review Datum. 2015-08-20
Kinostart Deutschland. 2015-08-20

Handwerk und Kunst gehen Hand in Hand - das zeigt sich sehr gut am Beispiel vom indischen Regisseur Tarsem Singh und seiner japanischen Produktions- und Kostümdesignerin Eiko Ishioka. THE CELL (2000) machte erst das an die Optik der Gemälde von Hieronymus Bosch angelegte Setdesign zu einem kraftvollen Meisterwerk der Farben- und Formensprache. THE FALL (2006) wäre nur eine hübsche, aber visuell wenig einfallsreiche Verbeugung vor dem "unsichtbaren" Heldentum der Stuntmen im frühen Kino, wenn nicht Ishiokas Kostüme und Ausstattung eine düstere Märchengeschichte mit einer brillanten Farbdramaturgie ergänzen würden. Selbst das seelenlose Effektspektakel KRIEG DER GÖTTER (2011) überzeugte zuletzt durch ihre Arbeit mit einer pompösen Ausstattung.

2012 ist Ishioka leider verstorben - und in dem Science-Fiction-Thriller SELF/LESS - DER FREMDE IN MIR konnte Tarsem Singh deutlich spürbar nicht mehr auf ihre Dienste zurückgreifen. Eine luxuriöse Wohnung mit komplett vergoldetem Interieur ist in wenigen Szenen zu Beginn jenes Element der ansonsten eher unspektakulären Ausstattung, das als visuelle Unterstützung der Narration noch am ehesten ihre Handschrift trägt. In ihr, einem buchstäblich goldenen Käfig für einen totgeweihten Körper, wohnt der krebskranke Bauunternehmer Damian (Ben Kingsley), der sein Erbe in Gefahr sieht. Er begibt sich in die Dienste einer dubiosen Firma unter der Leitung von Albright (Matthew Goode), die ihm ewiges Leben verspricht - in einem neuen Körper. Der Versuch gelingt, Damians alter Körper stirbt, doch sein Bewusstsein lebt unter der neuen Identität des sportlichen Ex-Marine Edward (Ryan Reynolds) weiter. Als er jedoch von Visionen aus Edwards Vergangenheit geplagt wird, kommt er dem Geheimnis um die Vorgeschichte von Edward auf die Sour - und wird fortan von den Schergen Albrights gejagt...

SELF/LESS - DER FREMDE IN MIR ist ein unterkühlter Science-Fiction-Thriller, der zu viel will und dem deshalb zu wenig wirklich gelingt. Nach einer flotten, schnell geschnittenen ersten halben Stunde und einigen gelungenen Montagen kommt Damian hinter die Machenschaften der Firma. Doch was Ausgangspunkt für eine atemlose Flucht sein könnte, wird vom Tempo nach einer kurzen Schießerei wieder ausgebremst. Schließlich muss sich Damian mit Edwards Frau und Tochter arrangieren, die nicht verstehen können, dass da nur die körperliche Hülle ihres Mannes und Vaters vor ihnen stehen.

In solchen Momenten werden die Unzulänglichkeiten des schwachen Drehbuchs von David und Àlex Pastor offensichtlich: Dialoge um Fragen von Ethik, Moral und was das Menschsein ausmacht, sind durch ihre Häufigkeit und Oberflächlichkeit ermüdend, Actionszenen wie eine halsbrecherische Verfolgungsjagd finden nur sporadisch Eingang in dem seltsam gehemmt und gleichzeitig unnötig in die Länge gezogenen Film, bei dem nach dem ersten Drittel leider auch keine echte Spannung mehr aufkommen will. Und auch, wer nach der beeindruckenden Formen- und Farbensprache Singhs früherer Filme sucht, wird diese zwischen all den unterkühlten Bildern von aseptischen Laborkomplexen und Luxusvillen nicht finden. Einzig das Thema des Transhumanismus erinnert noch an die psychologischen Themen seiner früheren Filme, die als Visualisierung einer ganzen fremden Gedankenwelt funktionierten.

Während ein altersmilder Ben Kingsley (zuletzt als indischer Fahrlehrer mit LEARNING T DRIVE - FAHRSTUNDEN FÜRS LEBEN im Kino) sich nach dem ersten Filmdrittel gänzlich aus dem Film verabschiedet, trägt Ryan Reynolds (THE VOICES, 2014) den Film mit einer starken Physis solide, die immer mal wieder in kurzen Kampfsequenzen zum Einsatz kommt. Matthew Goode gibt einen sinistren, beinahe gespenstisch anmutenden Antagonisten, der sein wissenschaftliches Handwerk am eigenen Leib erfolgreich erprobt hat. Aber solides Handwerk ist eben nicht große Kunst - schon gar nicht im Kino. Das spürt man ganz deutlich auch bei diesem lahmen und seelenlosen Genre-Hybriden, welcher ähnlich den menschlichen Avataren wie am Fließband gefertigt wirkt.

Wir - Das Manifest - und die 2-monatlich erscheinende Zeitschrift Multimania sind seit Januar 2015 Kooperationspartner. Regelmäßig werden bei uns Texte aus dem Heft zu finden sein, wir sind in jeder Ausgabe mit einer Kolumne im Heft vertreten.











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