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Klassische Musik wird eingespielt. Dazu präsentieren sich in Zeitlupe abgefilmte Szenen in Schwarzweiß. Irgendwie erweckt dies den Eindruck, man betrachte eine Hugo Boss Werbung, die Bilder zumindest wirken durch ihre enorme Ästhetik durchaus einer Werbepause entnommen. Und während die Anfangscredits langsam laufen, gibt einem der erfahrene Werbe- und Musikvideoregisseur Tarsem Singh einen Vorgeschmack auf das, was das Publikum in den folgenden zwei Stunden noch erwarten wird. Ein Fest für die Sinne, ein audiovisueller Schmaus. Und während man sich in Tarsems Welt und ihrer Bildgewalt verliert, vergisst man beinahe, dass die Handlung mitunter schwächelt. Aber nur beinahe.
Im Los Angeles der 1920er Jahre befindet sich die kleine Alexandria (Catinca Untaru) im Kinderflügel eines Krankenhauses. Sie hat sich den Arm gebrochen als sie beim Orangenpflücken gefallen war. Als eines Tages eine persönliche Nachricht an Alexandrias Lieblingsschwester Evelyn (Justine Waddell) verloren geht, macht sie die Bekanntschaft des scheinbar querschnittsgelähmten Roy (Lee Pace). Auch Roy hat seine augenblickliche Lage einem Sturz zu verdanken. Bei den Dreharbeiten zu einem Hollywoodfilm wollte der gelernte Stuntman seine Freundin beeindrucken, doch ging sein Stunt schief. Seine Beine kann Roy nun nicht mehr benutzen und seine Freundin hat mit dem Hauptdarsteller des Filmes (Daniel Caltagirone) angebandelt. Unzufrieden mit seinem Leben will Roy Suizid verüben, doch braucht er hierfür Morphium. Um an ebenjene Tabletten zu kommen, versucht er sich Alexandria gefügig zu machen. Er beginnt ihr eine phantastische Geschichte von sechs Gleichgesinnten zu erzählen. Der mysteriöse Blaue Bandit (Lee Pace) und fünf andere Geächtete streben nach Rache an dem verhassten Gouverneur Odious (Daniel Caltagirone). Immer mehr beginnen sich Alexandria und Roy in ihrer Geschichte zu verlieren.
Für seinen zweiten Kinofilm nach THE CELL hat sich Singh von dem bulgarischen Film YO HO HO inspirieren lassen, der 1981 entstand. Im bulgarischen Original ist es ein gelähmter Schauspieler, der einem kleinen Jungen eine Piratengeschichte erzählt, um diesen für seine persönlichen Pläne einzuspinnen. Das Original findet insofern eine Referenz, als Roy der kleinen Alexandria zuerst ebenfalls eine Piratengeschichte erzählen möchte, ehe diese desinteressiert abwinkt. Wenn man sich fragt, was Singh eigentlich seit dem Erscheinen von THE CELL im Jahr 2000 gemacht hat, so ist die Antwort auf diese Frage: THE FALL. Vier Jahre lang drehte der Inder weltweit in über zwanzig Ländern und man merkt dem Film diese Arbeit und Mühsal in jeder Sekunde an. Seien es endlose Wüstenlandschaften oder eine Insel mit Schmetterlingsförmiger Bucht, Tarsem hat sie für seinen Film gefunden und mit elegischer Schönheit in diesen integriert. Man mag sich zwar durchaus fragen, wieso der Regisseur einen schwimmenden Elefanten mitten im Pazifik in seine Handlung einbaut, grandios anzusehen ist der Dickhäuter aber allemal.
Am beeindruckendsten ist zudem fraglos die Tatsache, dass Singh den Film ohne jegliche computergenerierte Spezialeffekte gedreht hat. Besonders bei der Schmetterlingsbucht oder dem Treppenkomplex erstaunt dies. Leider vermag die Geschichte mit den Bildern nicht immer mitzuhalten. So liebevoll die Beziehung zwischen Roy und Alexandria auch aufgebaut ist, so sehr die Hommage an THE WIZARD FROM OZ zu gefallen weiß, zu gezwungen wirken die Szenen der beiden speziell zum Schluss. Dies kulminiert dann in einem etwas enttäuschenden Finale, in welchem die Geschichte innerhalb der Geschichte – selbst wenn sie nie wirklich stringent war – sträflich vernachlässigt wird und das Ende des eigentlichen Filmes somit zusätzlich aufgesetzt wirkt. Hier zelebriert Singh ganz klar style over substance und somit schließt sich der (kleine) Kreis zu THE CELL. Mit seinem Horrorfilm von 2000 konnte der Inder auch auf der visuellen Ebene überzeugen, was jedoch zu Kosten der Handlung gefallen war. So schenkt der Regisseur seinen beiden Helden kaum Hintergrundinfos und wenig Motivation für das, was sie tun. Wenn Alexandria die Anweisungen des Arztes für ihre Mutter nicht wahrheitsgemäß übersetzt, so denkt man sich, dass sie lediglich die Existenz ihrer Familie schützen möchte. Ein wenig mehr Ausbau der Charaktere und auch der Handlung hätte jedoch nicht geschadet. Aber wie eingangs erwähnt, beginnt man meist seine Gedanken zur Geschichte zurückzustellen, wenn Singh die Szenerie wechselt und das Publikum in eine neue, atemberaubend photographierte Kulisse entführt.
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