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Ich müsste mich eigentlich bei Alexandre Aja entschuldigen: Dafür, dass ich sein PIRANHA 3D mit dem Begriff "Torture Porn" in Verbindung gebracht habe. Denn für das, was in den ersten 30 Minuten (danach habe ich - wie nicht wenige andere Besucher der Pressevorführung - das Kino verlassen) von SAW 3D - VOLLENDUNG zu sehen ist, fehlen ein wenig die Worte, um es von PIRANHA 3D abzugrenzen.
Zurecht werden viele einwenden, dass 30 Minuten nicht ausreichen, um sich ein wirkliches Bild vom Film zu machen, geschweige denn, eine Kritik zu verfassen. Allerdings sagt es auch etwas über einen Film aus, wenn man als erklärter Horror- und Gore-Freund keine weitere Minute über sich ergehen lassen will. Dabei sind die Gewaltdarstellungen in SAW 3D - VOLLENDUNG für heutige Horrorfilme nichtmal ungewöhnlich. Doch es wird nicht versucht, ja nicht einmal behauptet, dass diese irgendeinen Zweck in der Handlung erfüllen sollen.
Die liest sich wie folgt: Bobby Dagen (Sen Patrick Flannery) hat Ruhm als Überlebender des Jigsaw-Killers (Tobin Bell) erlangt und ist so zum Selbsthilfe-Guru aufgestiegen. Eine Gruppe anderer Überlebender sucht Hilfe bei ihm und setzt so ohne ihr wissen weitere Morde in Gang. Jill Tuck (Betsy Russell), Jigsaws Exfrau, wendet sich an die Polizei mit Informationen über Jigsaws Komplizen, der nun dessen Werk fortsetzt.
Soviel zur Theorie. In der Praxis wechselnd sich kurze, schlecht geschriebene und unmotiviert dahergesprochene Dialoge mit blutigen Fallen- und Folterszenen ab. Die Opfer dieser Szenen sind uns bis dahin völlig unbekannt - und genau hier liegt das Problem von SAW 3D - VOLLENDUNG: So sehr extreme Gewaltdarstellungen schon immer Teil der Serie waren, nahmen zumindest die frühen Teile sich auch Zeit, eine Atmosphäre zu schaffen und den Zuschauer eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen zu lassen. So viele Mängel die Reihe immer hatte, so oft die Versuche, die brutalen Fallen in eine spannende Handlung einzubetten scheiterten und vor allem so sehr die Gewalt Grund für den Erfolg der Reihe war: Der Versuch, auch eine Geschichte zu erzählen, einen echten Film zu drehen, war immer da. In SAW 3D - VOLLENDUNG sieht das anders aus: Die Gewalt ist hier nicht nur Selbstzweck, sondern der Kern des Films. Jeder halbherzige Versuch, den Film mit seinen Vorgängern zu verknüpfen, jeder Dialog dient nicht etwa dazu, eine, sei es auch dünne, Handlung weiterzuentwickeln, sondern erfüllt letztlich nur den Zweck, die unmittelbar folgende Folterszene zu entschuldigen. Die unbekannten Opfer sind uns egal und sollen das auch sein, damit wir uns noch unbeschwerter an der Gewalt erfreuen können. Selten passte der eingangs erwähnte Torture Porn-Begriff besser als hier: Wie im Porno wird auch hier in den Dialogen nur versucht, so schnell wie möglich zum Punkt zu kommen - nur dass im Porno die Frau gevögelt, in SAW 3D - VOLLENDUNG zerrissen wird.
Es ist ein Rätsel, dass die nette, aber auch schnell abgenutzte Grundidee mittlerweile sieben Filme nach sich zog, dass jeder neue Film des Franchise großen Erfolg hatte. Auch SAW 3D - VOLLENDUNG konnte zumindest beim US-Publikum punkten - wahrscheinlich gepusht durch die 3D-Technik. Die bekommt endlich den Film den sie verdient: So, wie 3D nicht selten kreative visuelle Gestaltung durch "wir bewerfen den Zuschauer" ersetzt, ersetzt SAW 3D - VOLLENDUNG echten Horror, das Erzeugen von Suspense und überraschende Schock-Momente durch billigste Ekel-Effekte, durch die Befriedigung des offensichtlich noch bei vielen Kinogängern vorhandenen voyeuristischen Bedürfnis, Menschen beim Sterben zuzuschauen.
Was das über den Stand des Horrorgenres aussagt, mag jeder für sich entscheiden. Ebenso, ob eine solche Kritik hilfreich ist: Vielleicht wird SAW 3D - VOLLENDUNG mit zunehmender Laufzeit atmosphärischer, erzählt eine Geschichte, bietet echte Charaktere, kurz: Wird ein echter Film. Dass es das aber wert ist, den anfänglichen Stumpfsinn, die selbstgefällige Gewalt anzusehen, ist zu bezweifeln.
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