|
Wenn alte, grummelige Männer auf die ihrer Meinung nach viel zu hedonistische Jugend schimpfen, dann steht man immer kopfschüttelnd daneben, denkt sich, dass das doch alles gar nicht so schlimm sein kann und die spießigen Alten mal den Ball flach halten sollten, weil sie bestimmt früher nicht anders waren und der unbedachte Spaß am Leben nun einmal Teil der jugendlichen Lebenswirklichkeit ist. Und dann sieht man einen Film wie PROJECT X und stellt fest, dass man selber einer dieser spießigen alten Männer geworden ist - aber nicht, weil man sich inzwischen so weit entfernt hat von der Jugend, sondern weil diese alten Männer in all ihrer Kritik am Zustand einer nur noch um sich und den Spaß kreisenden Jugend vollkommen ins Schwarze getroffen haben.
Und das obwohl - und das ist schon irgendwie verwunderlich - der Film im Kern ultra-reaktionär ist. Nach all den Filmen, die uns vermitteln wollten, dass "Coolness" völlig überbewertet sei, dass man nicht angepasst sein muss um sich selbst zu mögen, dass Loser die heimlichen Gewinner sind, kommt nun mit PROJECT X die Rekonstitution des überwunden geglaubten amerikanischen High-School-Klassendenkens, in dem nur der einen Wert hat, der "cool" und angesagt ist. Und so handelt der Film natürlich von der Gier nach Popularität - ein charakterlicher Malus, der hier als Tugend zelebriert wird: Weil die drei Schüler Thomas, Costa und JB weder sportlich, noch anderweitig talentiert sind und deshalb innerhalb des Kastendenkens irgendwo auf Höhe einer Küchenschabe angesiedelt sind, beschließen sie, die eigentlich im kleinen Kreis geplante Geburtstagsfeier von Thomas in ein Event zu verwandeln, dass so richtig "derbe rockt" und mit dem sie sich "legendär" machen wollen.
Das ist aber nur aber die zweitrangige Motivation für die Jungs (und gleichermaßen für den Film). Eigentlich nämlich geht es um "Pussies", deren Spalten sich nur im enthemmten Umfeld und auch dort nur für die Angesagten öffnen. In PROJECT X ist der hedonistisch-egoistische Exzess der Wegbereiter für den Fick, der aus Jungen Männer macht. Die hier propagierte, ultimative Reduktion der Frau auf ein Stück Fleisch ist eine abstoßend sexistisch-reaktionäre Sicht auf das weibliche Geschlecht, an deren sekundären Merkmalen sich der Film natürlich folgerichtig delektiert. So viele blanke Brüste und Ärsche in Großaufnahmen sieht man sonst nur in den SEXY SPORT CLIPS. Und selbst die wirken gegen die billige Softporno-"Erotik" von Regie-Debütant Nima Nourizadeh subtil und geschmackvoll.
Doch das Suhlen in Tittenbildern, Saufgelagen und dem ultimativen Exzess ist tatsächlich berechtigt, hätte der Film doch ohne dieses Füllmaterial genau keine Geschichte zu erzählen. Jedenfalls keine, die einen gesamten Spielfilm tragen könnte. So müssen dann auch die beiden Drehbuchautoren Matt Drake und Michael Bacall oberflächliche Pseudo-Konflikte in den Film hineinschreiben, die am Ende genau keinen weiteren dramaturgischen Nutzen haben als den Film um zwei, drei Minuten in die Länge ziehen zu können. In anderen Filmen mögen derartig hinein geprügelte Konflikte immerhin noch den Sinn haben die spätere Läuterung des Protagonisten begründen zu können, hier setzt man auf solche dramaturgischen Kniffe einen fetten Haufen.
Ebenso besudelt wird jeglicher zwischenmenschlicher Wert. Wo andere Filme moralinsauer aufstoßen, zelebriert PROJECT X die Dekonstruktion jeglicher Moral. Der Exzess der verwöhnten Vorstadtkinder, die ihren falschen Vorbildern der Klatschseiten nacheifern, bleibt zwar nicht gänzlich ohne Konsequenzen, diese werden jedoch - schließlich soll der Film ja eine Komödie sein - verharmlost, verniedlicht, verdrängt. Die rücksichtlose Ego-Tour dreier Bälger, die mit zu den unsympathischsten Charakteren gehören, die man seit langer Zeit im Kino gesehen hat, ist - so will es zumindest der Film - nichts weiter als eine Bagatelle, die man sich eben mal leisten muss, wenn man das Mädchen und den Ruhm haben will.
Und das macht wütend, denn gerade weil diese Verletzung zwischenmenschlicher Werte nicht moralisch gesühnt wird, sondern stattdessen der gedankenlose Egoismus, die Verachtung gegenüber Frauen und ein generell rücksichtloses Verhalten als Positiv-Beispiel vorgelebt werden, bestärkt der Film sein Publikum darin, sich genauso zu verhalten. Die logische Schlussfolgerung: "Cool", angesagt und erfolgreich ist nur der von jeglicher Ethik und Moral befreite, sich dem Exzess hingebende, animalische und anti-autoritäre Mensch. Das ist sicherlich keine neue Perspektive auf den Menschen und die Gesellschaft, doch während z.B. Filme wie HANGOVER diesen Ausbruch aus dem starren Korsett des menschlichen Miteinanders noch zeitlich und geographisch eng begrenzen, erhebt ihn PROJECT X zur Maxime: Der Asoziale, er ist der König der Welt. Und weil das ein vollkommen falscher Weg ist, war es nie richtiger zum grummeligen alten Mann zu werden als angesichts dieses Films.
|
|
|