Facebook Twitter

das manifest¬  kontakt¬  impressum¬  verweise¬  übersicht¬ 
[   MEINUNGSMACHER  |   GEDRUCKTES IST TOT  |   KAPITELWAHL  |   UNENDLICHE TIEFEN
   MENSCHEN  |   GESPRÄCHE  |   FEGEFEUER DER EITELKEITEN  |   MIT BESTEN EMPFEHLUNGEN   ]
MEINUNGSMACHER

POSTAL (USA/Kanada/Deutschland 2007)

von Hasko Baumann

Original Titel. POSTAL
Laufzeit in Minuten. 100

Regie. UWE BOLL
Drehbuch. UWE BOLL . BRYAN C. KNIGHT
Musik. JESSICA DE ROOIJ
Kamera. MATTHIAS NEUMANN
Schnitt. JULIAN CLARKE
Darsteller. ZACK WARD . DAVE FOLEY . CHRIS COPPOLA . MICHAEL BENYAER u.a.

Review Datum. 2007-10-16
Kinostart Deutschland. 2007-10-18

"Jetzt ist mir alles scheißegal." Uwe Bolls Nehmerqualitäten sind zwar nicht unbedingt vorbildlich - mit Kritik vermag der vielgescholtene Mann fürs ganz Grobe nicht entspannt umzugehen - aber eins muß man ihm lassen: Er ist immer noch da. Und er macht, was er will. Und mit POSTAL will er jedem, aber wirklich ausnahmslos jedem ans Bein pinkeln. Es beschleicht mich der Verdacht, dieser Rundumschlag gegen alles politisch Korrekte ist Bolls Versuch, seine Rezensenten von seinen inszenatorischen Unzulänglichkeiten abzulenken. Denn die weltweite Filmkritik - und mittlerweile vor allem der Boulevard - wird ja nicht müde, ihm das Etikett "schlechtester Regisseur der Welt" anzuheften.

Uwe Boll ist aber nicht der schlechteste Regisseur der Welt, und POSTAL ist auch nicht der schlechteste Film der Welt. Boll beginnt seine vermeintliche Satire mit einem ebenso vermeintlich unerhörten Tritt in die geschundenen Weichteile Amerikas: Der mittlerweile sattsam bekannte - und auch recht charmante - Sketch zum 11. September, in dem die Taliban im Cockpit des Jumbos um die Anzahl der ihnen versprochenen Jungfrauen im Paradies streiten, soll schon mal klarmachen, daß der Film sich nicht lumpen läßt. Danach will uns Boll allen Ernstes eine Geschichte erzählen: Der Loser Dude (Zach Ward), düpiert beim Bewerbungsgespräch, gedemütigt von seiner superfetten sexgeilen Frau und im Allgemeinen vom Leben links liegen gelassen, ist seine Hauptfigur. Mit dem Sektenguru Uncle Dave (Dave Foley) will er ans große Geld - ein Vergnügungspark soll seiner wertvollen Stofftiere beraubt werden, an die aber auch die Taliban ranwollen. Der Vergnügungspark hat Deutschland zum Thema und macht damit Raum für jede Menge Naziwitze, der Sanitätsdienst heißt etwa "Mengele". Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist klar, daß Boll den Tabubruch will. Er bekommt ihn aber nicht: Seine Scherze über Behinderte, Kinder, tote Kinder, Taliban, Juden, Nazis, Fette, Dünne, Zwerge, Tiere und sich selbst (ein schwerhändiger Versuch, mit einem Gastauftritt Selbstironie zu beweisen, geht in die Hose) wirken wie ein trotziges, kindliches Umhergetrete. Die Gagfrequenz ist hoch genug, um POSTAL erstaunlich unterhaltsam vorüberziehen zu lassen, aber man staunt eher, als daß man lacht. Wenn ein Mädchen von ihrem Auftrag, das Wachpersonal des Vergnügungsparks abzulenken, mit braunen Flecken um den Mund zurückkeht und jammert "He made poo-poo in my mouth", sehnt man den feinsinnigen Humor der Troma-Filme herbei.

Respekt gebührt allerdings einem Großteil des Darstellerensembles: Dave Foley zieht schon bei seinem ersten Auftritt blank und hält die schlappe Nudel in die Kamera. Der schmerzfreie Ralf Moeller und besonders Chris Spencer wissen als ausgesprochen komisches Polizistenduo zu gefallen und haben ein paar Lacher auf ihrer Seite. Die Sensation aber ist der frettchengesichtige Zach Ward. Daß diese Rolle durchaus eine Schauspielerkarriere beenden kann, hat er entweder ignoriert oder aber in eine todesmutige "Jetzt erst recht"-Attitüde umgewandelt. So beherzt hat man schon lange niemand mehr von einem Gülletopf in den nächsten hechten sehen.

Bolls Regie ist bei weitem nicht so schlecht, wie man allerorten glauben machen will. Ein zünftiges Budget erlaubt ihm breitwandige Kinobilder und eine ordentliche Ausstattung. Seine Action ist nicht weltbewegend, aber auch nicht lahm; nur sein Timing in Sachen Humor läßt schwer zu wünschen übrig, und die gemeinhin ordentlich-mainstreamige Optik beraubt den Film der nötigen Wildheit, die seine Troma-Vorbilder auszeichnet. So bleibt POSTAL ein - in Teilen sogar sympathisch - gescheiterter Ulk und ist nirgendwo das Fanal, das Boll in ihm sieht. Falls er das alles überhaupt ernst meint. Ich werde das Gefühl nicht los, daß Boll einfach nur seine Filme machen will und sich zu diesem Zweck das Image des kritikresistenten Cholerikers, Hobbyboxers und Halbverrückten angeeignet hat. Aber hey, wir leben in einem Land, in dem Günter Rohrbach allen Ernstes im "Spiegel" die deutsche Filmkritik geißelt, weil sie Tom Tykwers DAS PARFUM als das öde, uninspirierte Ausstattungskino erkannt hat, das es ist. Man soll nicht mehr sagen dürfen, daß deutsche Dramen mit deutschen Themen, die für Oscars nominiert werden und sie teilweise sogar gewinnen, nur beflissene Rumpelkammern mit flüsternden Schauspielern sind und hauptsächlich von "Gala"-Lesern für gut befunden werden können? Ach. Na, dann sag ich lieber nochmal, daß Uwe Boll nicht der schlechteste Regisseur der Welt ist und ich mir jederzeit lieber einen gescheiterten Ulk aus seiner Hand ansehe als ein neuerliches Kammerspiel vom Donnerbalken.











Facebook | Twitter :: Datenschutzerklärung | Impressum :: version 1.20 »»» © 2004-2024 a.s.