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THE NEON DEMON (USA/Frankreich/Dänemark 2016)

von André Becker

Original Titel. THE NEON DEMON
Laufzeit in Minuten. 117

Regie. NICOLAS WINDING REFN
Drehbuch. NICOLAS WINDING REFN . MARY LAWS
Musik. CLIFF MARTINEZ
Kamera. NATASHA BRAIER
Schnitt. MATTHEW NEWMAN
Darsteller. ELLE FANNING . JENA MALONE . ABBEY LEE . KEANU REEVES u.a.

Review Datum. 2016-06-15
Kinostart Deutschland. 2016-06-23

Seit dem Kritikerliebling DRIVE gilt der Däne Nicolas Winding Refn als absolute Regiehoffnung. Zugegeben, seine knallharte, in einzelnen Szenen brillante, Großstadtballade wurde vollkommen zu Recht abgefeiert und wird jetzt schon als moderner Klassiker gehandelt. Sein Nachfolgefilm ONLY GOD FORGIVES wurde dagegen weniger wohlwollend aufgenommen. Zu sperrig erzählt, zu unverfroren brutal in seinen drastischen Bildern versehrter Körper und viel zu vollgepackt mit aufdringlicher Symbolik tönte es aus der einen oder anderen Ecke. Style-over-Substance in Reinkultur, so der häufig artikulierte Vorwurf. Und dennoch: Der Hype um den Regisseur scheint ungebrochen. Sein neuestes Werk THE NEON DEMON, eine vielerorts als Horrorfilm angekündigte Reise ins Herz der Finsternis der Modelwelt, wurde von Fans und Feuilleton jedenfalls heiß herbeigesehnt.

Als Handlungsort hat Winding Refn erneut die Stadt der Engel auserkoren. Los Angeles, eine unwirkliche Scheinwelt, die wie keine andere Stadt für Schönheit, Glamour und Jugendwahn steht. Eine Stadt deren dunkle Seite aber auch stets in der flirrenden Sonne Kaliforniens durchschimmert. Von dieser anderen, düsteren Realität bekommt die Hauptprotagonistin Jesse (Elle Fanning) indes zunächst wenig mit. Das engelsgleiche Mädchen ist zwar erst seit kurzem in der Stadt, hat jedoch bei einer Modelagentur schon mächtig Eindruck hinterlassen. Wäre da nicht ihr schmieriger Vermieter (Keanu Reeves), könnte ihr Leben perfekt sein. Als sie die Karriereleiter unaufhörlich nach oben klettert muss sie allerdings erkennen, dass der Konkurrenz jedes Mittel recht ist um sie aus dem Weg zu räumen und liebgewonnene Freundinnen nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.

Nicolas Winding Refn macht ein weiteres Mal deutlich, dass er ein Regisseur mit einer künstlerischen Vision ist. Wie seine letzten beiden Werke unternimmt auch THE NEON DEMON einen Frontalangriff auf unsere Sinne. Auf der ästhetischen Ebene ist seine fast märchenhaft angelegte Geschichte um den Aufstieg und Fall eines blutjungen Models ein Hochgenuss. Für Winding-Refn-Jünger gibt es insofern jede Menge Schauwerte. Allein die Titelsequenz ist atemberaubend und bietet eine adäquate Einstimmung auf das, was in den kommenden knapp zwei Stunden noch folgt. Diesbezüglich drängt sich natürlich die Frage auf, was der Film darüber hinaus bietet. Tatsächlich ist die Antwort hier schwieriger in Worte zu fassen, denn Winding Refns neuestes Werk hat mit so einigen Problemen zu kämpfen.

Nach dem überaus starken Einstieg (zu dem ebenfalls eine wunderbar befremdliche Performance in einem Club gehört) nistet sich nämlich ein hartnäckiges Gefühl der Übersättigung ein, ohne dass der Film dafür auf der inhaltlichen Ebene einen angemessenen Ausgleich schafft. Dass hat auch damit zu tun, dass die Kamera mitunter deutlich zu lange die Schönheit der Bildsprache auskostet und somit der Rhythmus der Erzählung ins Stocken gerät. Dies betrifft vor allem den Mittelteil, wo THE NEON DEMON einfach nicht vorankommen will und die Handlung dröge dahinplätschert. Nicht wirklich förderlich sind zudem die hohlen Phrasen, die das Drehbuch rauskramt und in die Dialogzeilen packt. Bei dermaßen abgedroschenen Statements wie Beauty isn't everything. It's the only thing kann man jedenfalls nur den Kopf schütteln oder wahlweise mit Karacho auf den Tisch brettern.

Komischerweise passieren derartige Patzer nicht in der ersten Hälfte. Einzelne Szenen sind hier gar erstaunlich bissig und in ihrer ätzenden Menschenfeindlichkeit eine passende Entsprechung der eisigen Kälte und Leere des Business. Das Winding Refn die Dramaturgie nicht (mehr) richtig im Griff hat wird besonders im überhasteten Finale deutlich, wo er dem Publikum gleich mehrere grenzwertige Schockbilder unvermittelt vor das Visier knallt. Diese sind zwar nicht komplett sinnbefreit und kündigen sich vereinzelt schon vorher an, nichtsdestotrotz tut die Hinwendung zum Exzess der Produktion nur bedingt gut.

In der Gesamtbetrachtung bleibt der Film somit ein zwiespältiges Vergnügen. Ein starker Anfang bei dem einfach alles passt, ein zäher Mittelteil und dann das krasse Finale, das zu stark auf pure Provokation gepolt daherkommt. Die Buhrufe, die THE NEON DEMON nach der Premiere in Cannes angeblich einheimste sind zwar nicht berechtigt, dass der Regisseur hier das eine oder andere Mal weit von seiner Höchstform entfernt inszeniert, ist jedoch auch nicht komplett von der Hand zu weisen.











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