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NAOKOS LÄCHELN (Japan 2011)

von Florian Lieb

Original Titel. NORUWEI NO MORI
Laufzeit in Minuten. 133

Regie. TRÀN ANH HÙNG
Drehbuch. TRÀN ANH HÙNG . MURAKAMI HARUKI
Musik. JONNY GREENWOOD
Kamera. LEE PING BIN
Schnitt. MARIO BATTISTEL
Darsteller. MATSUYAMA KEN'ICHI . KIKUCHI RINKO . MIZUHARA KIKO . KIRISHIMA REIKA u.a.

Review Datum. 2011-06-18
Kinostart Deutschland. 2011-06-30

I once had a girl / Or should I say / She once had me.
(The Beatles, "Norwegian Wood (This Bird Has Flown)")

Als unverfilmbar geltende Romane gibt es einige, darunter Patrick Süßkinds DAS PARFUM, aber auch viele Werke des japanischen Schriftstellers Murakami Haruki erhalten dieses Prädikat. Umso aufmerksamer wird man wohl die Adaption seines berühmtesten Romans NORUWEI NO MORI beobachten. Jenen Roman von 1987, der Japans erfolgreichster Bestseller ist und Murakami, sehr zu dessen Missfallen, zum Durchbruch verhalf. "It became a phenomenon. It wasn't a book any more. (...) I was not happy at all", so der Japaner, der später zeitweilig ins Ausland zog. An die Adaption von Murakamis populärer Coming of Age Story wagte sich nun der französische Vietnamese Tràn Anh Hùng.

Der Film erzählt vom 19-jährigen Watanabe (Matsuyama Ken'ichi) und jenem Sommer 1969, in dem er in Tokio auf Naoko (Kikuchi Rinko) traf, die langjährige Freundin seines besten Freundes Kizuki, der sich das Leben genommen hat. Beide beginnen eine Freundschaft, die schließlich zum Geschlechtsverkehr an Naokos 20. Geburtstag führt. Einen weiteren Kontakt gibt es nicht, da sich Naoko plötzlich in ein Sanatorium in den Bergen einweist, da sie mit ihrem Gefühlsleben nicht klarzukommen scheint. Per Briefpost halten beide Kontakt, gelegentlich besucht Watanabe Naoko. Wenige Monate später lernt er dann an seiner Universität die extrovertierte, offene und lebensfrohe Midori (Mizuhara Kiko) kennen.

Durch die gelungene Kameraarbeit, Kostümwahl und einen harmonischen Soundtrack von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood erzeugt NORUWEI NO MORI eine exzellente und stimmige Atmosphäre der späten sechziger Jahre. Die der Geschichte innewohnende Melancholie, die der deutsche Verleihtitel NAOKOS LÄCHELN etwas konterkariert, ist, wie in japanischen Dramen üblich, erfrischend distanziert, ohne deswegen belanglos zu sein. Besonders Watanabe präsentiert sich weitestgehend als Figur, mit der man sich leicht identifizieren kann. Der Tod des besten Freundes lässt ihn zum Studieren nach Tokio fliehen, wo es ihn gemeinsam mit Studienkollege Nagasawa (Tamayama Tetsuji) nach sexuellen Abenteuern gelüstet.

Dennoch vermag es NORUWEI NO MORI nicht, sich wirklich in seine Figuren hinein zu versetzen, was wohl daran liegt, dass manches zwischen Roman und Film auf der Strecke bleibt. So erfährt man zum Beispiel nicht, wieso sich Kizuki umgebracht hat und wie genau Naokos Therapie im Sanatorium über die Monate hinweg abläuft. Zusätzlich wurde offenbar versucht, Elemente der Vorlage hinüber zu retten, ohne dass dies immer vollends glückt. Da rennen im Bildhintergrund zwar gelegentlich einige demonstrierende Kommilitonen herum, die auf die Studentenaufstände der späten Sechziger hinweisen sollen, nur wird dies zum einen nicht wirklich deutlich und ist zum anderen für die Geschichte auch nicht von Belang.

Auch die Motive und das Innenleben der Figuren bleiben einem fremd. Woran genau Naoko leidet, welchen Umfang ihre Krankheit hat (irgendwann hört sie sogar Stimmen) und ob diese genetisch bedingt ist oder ein Resultat von Kizukis Suizid, bleibt unklar. Dass Watanabe ihr später die Treue hält (in gewisser Weise), ist wohl eher einem schlechten Gewissen, denn wahrer Liebe geschuldet. Ohnehin scheint Liebe ein Begriff zu sein, der die Charaktere mit ihren Anfang Zwanzig überfordert. So nimmt man auch die Zuneigung und das Schicksal von Nagasawas Freundin Hatsumi (Hatsune Eriko), die um dessen Affären weiß, eher teilnahmslos hin. Lediglich Midoris Handlungen lassen sich nachvollziehen.

Es erschließt sich somit nicht, wieso es gerade diese Geschichte zum meistverkauften Buch Japans brachte. Tràn erzählt vom Coming of Age seiner Hauptfigur, von der ersten Liebe, dem Sammeln sexueller Erfahrung und deren Folgen. Von Verantwortung und den Grenzen der Loyalität. Die Elemente erkennt man, zu einem stimmigen und bewegenden Ganzen wollen sie sich aber schwerlich vereinen. Audio-visuell ist dem Film dabei kaum ein Vorwurf zu machen, wie sich auch das Darstellerensemble um Mazuyama, Kikuchi und Mizuhara achtbar schlägt. Letztlich wird NORUWEI NO MORI aber dem Titelinspirierenden Song der Beatles nicht ganz gerecht, enden dessen Textzeilen doch auf: "Isn't it good? Norwegian wood".











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