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LOFT (Japan 2005)

von Björn Eichstädt

Original Titel. SHI NO OTOME
Laufzeit in Minuten. 115

Regie. KIYOSHI KUROSAWA
Drehbuch. KIYOSHI KUROSAWA
Musik. GARY ASHIYA
Kamera. AKIKO ASHIZAWA
Schnitt. MASAHIRO ONAGA
Darsteller. NORIKO EGUCHI . MIKI NAKATANI . REN OSUGI . ETSUSHI TOYOKAWA u.a.

Review Datum. 2006-04-25
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Es ist nicht lange her, da hätte man auf den nächsten Film von Kiyoshi Kurosawa nicht mehr all zu viel gegeben. Nach begnadeten Meisterwerken wie KAIRO, CHARISMA oder BRIGHT FUTURE, die die Isolationsapokalypse der japanischen Gesellschaft als zentrales Thema behandelten, schien er sich mit DOPPELGÄNGER eher dem konventionellen Horrorfilm zuzuwenden und damit gnadenlos zu scheitern. Denn wer der David Lynch des japanischen Gruselschinkens ist, der sollte die Finger eher von konventionellen Stoffen lassen; allein der Erwartungshaltung wegen, aber auch aufgrund seiner Kernkompetenzen. Doch mit LOFT läuft der Großmeister des japanischen Gegenwartskinos wieder zu alter Form auf, auch wenn sich sein inhaltlicher Fokus vom Urbanen aufs Land verschoben hat.

Zunächst ist LOFT ein Film, der daherkommt, wie düstere Nebelschwaden. Wo bei Lynch die Räume im schwarzen Nichts verschwinden, kriecht bei Kiyoshi Kurosawas neuestem Opus das Böse durch menschliche Schattenrisse. Die Geschichte erschließt sich zunächst vordergründig, wenn auch nur scheinbar: Eine Schriftstellerin zieht zur Überwindung einer Schaffenskrise in ein Haus auf dem Land, die scheinbare Isolation wird durch einen Archäologen durchbrochen, der im Haus gegenüber eine Moorleiche in näheren Augenschein nimmt. Beide werden schließlich von einem Geist heimgesucht. Ein Kapitalverbrechen, das vor kurzem in der Einöde verübt wurde, wartet auf Aufklärung. Zunächst scheint ein Verleger der Mörder zu sein, doch jede weitere Einstellung bringt neue Optionen auf die Täterschaft zutage. Verwirrung ist der Fluchtpunkt für Zuschauer und Plot.

Doch irgendwann ist da wieder der alte Kurosawa, der nicht den Plot sondern das Symbol zum zentralen Thema seiner Filme macht: Die Beklemmung der Metropole wird zum Horror des ländlichen Raumes. Ein schlüssiger Schachzug in Kurosawas Universum, denn wir sind nirgends vor uns selber sicher - nicht einmal inmitten der Natur. Was die Protagonisten in ihrer Vergangenheit unverarbeitet vergraben haben, taucht irgendwann aus dem sumpfigen Morast wieder auf. Der Wahnsinn ist eine Art damit umzugehen, die reflektierende Art eine andere. Und so beschreibt LOFT auf der Metaebene vor allem die Wege eines Mannes und einer Frau. Zu sich selbst und zu einander. Was in ihren Köpfen vorgeht erinnert teilweise an die surrealistischen Bilder aus Maya Derens MESHES OF THE AFTERNOON oder auch, auf der weiblichen Seite, an Roman Polanskis Meisterstück REPULSION oder auch den schizopsychologischen Spukhausfilm A TALE OF TWO SISTERS.

So ist man beim Abspann der Überzeugung, eigentlich keinen Horrorfilm gesehen zu haben. Vielmehr geht es um abstraktere Themen wie Schuld, Erinnerung, das Gefängnis der Seele, Wiedergutmachung und Verarbeitung. Auch der Konflikt zwischen Mann und Frau, die Unterdrückung des Femininen durch das Maskuline schwingen im Subtext mit. Und schließlich steht ganz groß die Frage nach der Möglichkeit von Glück, den Grundlagen des Weitermachens im Zentrum von LOFT. Wer lieben will, so die Aussage am Ende, der muss sich reinwaschen von Schuld, befreien von Verdrängung und Lüge. Ein Happy End wäre möglich. Doch in der letzten Sekunde scheitert der Mann an seiner Unfähigkeit zu schonungsloser Offenheit. Wie so oft im Leben. So bleibt der Rezipient mit einem flauen Gefühl im Magen zurück; und dem Bewusstsein, dass Kiyoshi Kurosawa zu alter Meisterschaft zurückgefunden hat.











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