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Geschlagene zwanzig Jahre ist es her, daß Sylvester Stallone zuletzt das legendäre Stirnband anlegte und als John Rambo den Mudschaheddin in Afghanistan im Kampf gegen die russischen Invasoren zur Seite stand. Ein überholtes Szenario, daß dem durchschnittlichen Amerikaner heutzutage eher Sodbrennen verursacht.
Und nun also Burma. Ausgerechnet den Genozid der Militärjunta an der Minderheit der christlichen Karen hat sich Stallone als Hintergrund für Rambos Rückkehr erkoren - mit der behaupteten Absicht, die Welt mittels extremer Gewaltdarstellung auf das extreme Leid in der Region aufmerksam zu machen. JOHN RAMBO beginnt allen Ernstes mit üblen Bildern geschundener Menschen und Leichen, gefilmt von den "Free Burma Rangers", einer "humanitären Untergrundarmee" die die Karen im Widerstand gegen den Terror des Militärs unterstützt (eine ähnliche Raffinesse der Authentifizierung legte kürzlich auch Herr Dr. Uwe Boll in seinem SEED an den Tag). Nach diesem zweifelhaften Einstieg folgt eine Sequenz, in der eine Gruppe von Soldaten ein paar unschuldige Bauern durch ein vermintes Reisfeld treibt; noch bevor der Titel auf der Leinwand erscheint, wurde bereits der erste Mensch in seine Einzelteile zerfetzt.
Nach erfolgter Etablierung des Tons geht es an die schnell erzählte Geschichte: Eine Gruppe von Missionaren bittet John Rambo, der zurückgezogen in Thailand lebt, sie flußaufwärts in ein Dorf im Landesinneren Burmas zu bringen. Der lehnt anfangs ab, läßt sich dann aber schließlich doch vom ansteckenden Idealismus der blonden Sarah (Julie Benz) umstimmen. Nach einer ersten Begegnung mit burmesischen Piraten, die den naiven Christen einen nachhaltigen Eindruck von der bevorstehenden Gefahr vermittelt, setzt Rambo die Gruppe an ihrem Bestimmungsort ab und kehrt nach Thailand zurück. Kurz nach Ankunft der Missionare verübt das Militär ein in der Geschichte des Mainstreamkinos beispielloses Massaker im Dorf und verschleppt die Gruppe. Rambo erhält Besuch von einem Priester, der ihn über das Schicksal der Missionare unterrichtet und ihn bittet, mit einer Gruppe Söldner in den burmesischen Dschungel zurückzukehren...
Gerade im ersten Drittel spielt JOHN RAMBO seine Stärken aus: "It's thinking like that that keeps the world the way it is," appelliert anfangs einer der Missionare an Rambos Idealismus. "Fuck the world," läßt Stallone seinen verbitterten Antihelden raunen. Diese Szene, sein immer wieder beschwörend-dringlich zu Missionarin Sarah gerauntes "Go home" und der schwelende Machismo, der in einer Szene zwischen Rambo und einem der Söldner (Graham McTavish) beinahe die Luft brennen läßt, gehören zweifelsohne zu den stärksten Momenten des Films.
Danach verliert Stallone allerdings leider langsam aber sicher die Zügel aus der Hand. Bis zum kitschig-naiven Schluß entbrennt ein unerbittliches, groteskes Gemetzel, bei dem während des Showdowns buchstäblich ganze Lastwagenladungen gesichtsloser burmesischer Soldaten als Kanonenfutter aufgefahren werden. Stallone folgt bei allem vorgeblichen Aufklärungsdrang nur plump und stur der Vergeltungslogik des amerikanischen Actionkinos: Je bestialischer der Antagonist, desto legitimer mindestens adäquat unmenschliches Verhalten von seiten des Protagonisten in seinem Bemühen, das jeweilig "Böse" um jeden Preis aufzuhalten. Und so macht John Rambo alles Mögliche, aber definitiv keine Gefangenen: Er schlitzt, enthauptet und reißt gar in einer Szene einem potentiellen Vergewaltiger mit bloßen Händen den Kehlkopf heraus. Projektile aus Scharfschützengewehren lassen Köpfe explodieren, Gliedmaßen und ganze Leiber werden unentwegt von Minen, Granaten und stationären MGs auf so ziemlich jede erdenkliche Art und Weise zerfetzt. Das Ausmaß der Gewaltdarstellung kann nur absurd genannt werden; es ist allerdings auch derart ermüdend repetitiv und selbstzweckhaft, daß die gezeigten Grausamkeiten bereits nach kurzer Zeit kaum mehr einen Bruchteil der anfänglichen Wirkung erreichen.
Stallones Absicht mag eine ehrbare sein, seine Mittel sind fragwürdig. Sein narratives Unvermögen, eine emotionale Dynamik aufzubauen, offenbart sich auf äußerst unangenehme Weise in mindestens einer Szene, in der er deutlich übers Ziel hinausschießt: Das eingangs erwähnte Massaker in einem Dorf der Karen zeigt neben den in JOHN RAMBO omnipräsenten Verstümmelungen menschlicher Körper auch die Erschießungen mehrer Kinder; einem Jungen wird in Großaufnahme ein Bajonett in den Leib getrieben, während ein Soldat seinen Stiefel auf das Gesicht des Jungen preßt. Spätestens in diesen Szenen wird deutlich, daß Stallone in seinem erklärten Bestreben, den "brutalsten Actionfilm aller Zeiten zu drehen", schlicht das Gespür für Verhältnismäßigkeit abhanden gekommen ist. Daß er es dennoch geschafft hat, diese Szenen vor der MPAA mit einem Verweis auf ihren "schonungslosen Realismus" durchzubringen, ohne ein NC-17 zu kassieren, ist sicherlich bemerkenswert; ob allerdings die FSK willens sein wird, dieser arg simplen Argumentation zu folgen und JOHN RAMBO ohne Schnittauflagen in die deutschen Lichtspielhäuser entläßt, erscheint fraglich.
Erfüllt das Unterhaltungskino in der Regel das Bedürfnis des Zuschauers nach Katharsis in vollem Bewußtsein, so zeigen sich Stallone und sein Co-Autor dieser simplen Manipulation durch das unzureichende Aufbauen eines konkreten Charakters als Feindbild unfähig. Der obligatorische "sadistische General", dem die vergewaltigenden und mordenden Bestien scheinbar unterstehen, die ihre Schneise durch JOHN RAMBO ziehen, taucht immer nur derart sporadisch am Rande auf, daß ein "emotional payback" unmöglich gegeben sein kann, wenn Rambo ihm schließlich sein Messer in die Eingeweide rammt. Daß Stallone dann schließlich versucht, zumindest seinem Protagonisten eine persönliche Erlösung zuzuschanzen und eine narrative Klammer ans Ende zu setzen, wo nie eine offenstand, indem er John Rambo tatsächlich den Weg zur väterlichen Farm herabschreiten läßt, zeugt ebenfalls nicht unbedingt von seinen Fähigkeiten als Filmemacher und Erzähler.
Und so ist JOHN RAMBO ist bei aller behaupteten Ambition vor allem eins: Ein unfaßbar brutaler, selbstzweckhafter Actionreißer, der hierzulande wohl kaum in ungeschnittener Form das Licht der Kinosäale erblicken dürfte und den Zuschauer am Ende dieses beispiellos bizarren Blutgemetzels unweigerlich ähnlich abgestumpft wie seinen Helden zurückläßt.
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