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ICARUS (USA/Kanada 2010)

von Hasko Baumann

Original Titel. ICARUS
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. DOLPH LUNDGREN
Drehbuch. RAUL INGLIS
Musik. JAMES JANDRISCH
Kamera. MARC WINDON
Schnitt. JAMIE ALAIN
Darsteller. DOLPH LUNDGREN . STEFANIE VON PFETTEN . SAMANTHA FERRIS . BO SVENSON u.a.

Review Datum. 2010-02-03
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Da ich einmal das Vergnügen hatte, mit Dolph Lundgren zusammenzuarbeiten, kann ich folgendes über ihn sagen: Er ist ein Vollprofi, schlau, schnell, charmant und humorvoll; er ist zu jedem sehr nett, auch das letzte Glied der Kette wird noch mit Handschlag begrüßt. Er hat es natürlich faustdick hinter den Ohren und das Geschick der oberflächlichen Vertraulichkeit sicher von den Amis gut gelernt, aber dennoch wirkt nichts daran aufgesetzt. Was das Wichtigste - und für ihn wohl auch die Motivation dabei - an dieser Verhaltensweise ist: Dolph möchte ganz einfach, daß am Ende der Arbeit das Beste herauskommt, für alle Beteiligten. Auch für ihn selbst. Und die seine ist auch die beste Art, dieses Ziel zu erreichen.

Und genau so sehe ich Dolph Lundgren auch an diesem Punkt seiner Karriere. Zu lange hat man ihn - nach vielversprechendem Start in den frühen 90ern - in unpassenden Vehikeln verheizt und unfähigen Auftragsregisseuren unterworfen. Da war es nur konsequent, daß Dolph sich irgendwann gesagt hat: Dann mache ich es doch lieber gleich selbst. Nur so kann er kontrollieren, daß er sich wohl fühlt, daß die Filme gut aussehen und er auch die Fans zufriedenstellt. Daß eben das Beste herauskommt, für alle Beteiligten. Um so ärgerlicher ist es, daß man ihm insbesondere auf deutschen Foren und Portalen kuhäugig unterstellt, er wolle mit der halben Arschbacke seine Rente sichern. Denn Lundgren hat mit seinen bisherigen vier Regiearbeiten nicht nur bewiesen, daß er es drauf hat, sondern auch durchweg interessante, teils sogar aufregende Genrefilme abgeliefert. Der Mann hat Ambitionen, der hat noch wirkliche Ansprüche an sich und sein Metier.

ICARUS ist dabei keine Ausnahme, ganz im Gegenteil; der Film stellt einen weiteren Höhepunkt in Lundgrens Schaffen dar. Was ihn ursprünglich an diesem Stoff gereizt hat, war die Möglichkeit, einmal wieder den rücksichtslosen Fiesling zu spielen. Das war aber nicht im Sinne der Produzenten, und so zeigt ICARUS - wie so oft - den Killer im Wandel vom Saulus zum Paulus. Und auch wieder nicht. Denn Lundgren spielt den in der Sowjetunion zur Killermaschine ausgebildeten Hitman Edward Genn als zynischen Unsympathen. Er hat eine junge Freundin, die er nicht allzu gut behandelt; er hat eine Ex-Frau, die er ständig enttäuscht, und seine kleine Tochter wird auch mal bei der Geliebten geparkt, wenn mal wieder ein Auftrag ruft. Als Killer agiert er nicht wie das ziselierte Skalpell, das Hollywoodstars gern mal in diesem Rollenfach abrufen, sondern als hammerharte Streitaxt. Dennoch ist Genn nicht vor dem Schicksal gefeit, das allen Film-Profimeuchlern blüht: Er verschont den falschen Mann, wird selbst zum Ziel und muß schließlich für Dunkelmänner vom Geheimdienst die Drecksarbeit verrichten, sonst ist die Familie dran.

Nichts Neues eigentlich, aber irgendwie doch anders und mehr als überzeugend. Was den Zuschauer für Genn einnimmt, ist nicht seine Entscheidung, wieder mit seiner Frau zusammenzukommen und seiner Lebenslüge ein Ende zu setzen. Es ist der Moment, in dem Genn am Telefon die Explosion der Wohnung hört, in der er Geliebte und Tochter wähnt. Lundgren zu sehen, wie er schreiend, panisch gegen die Windschutzscheibe boxend und schließlich zitternd und schluchzend nicht begreifen will, was gerade passiert ist - das ist der Augenblick, in dem ICARUS seine Fallhöhe gefunden hat. Danach kommt Action; zwar keine spektakuläre Action - also Fights und Shootouts statt Explosionen und Autojagden - aber saftige Action, in der Lundgren seinen Hang zu splattrigen Gewaltspitzen dieses Mal nur als schnellen Schock ausspielt und nicht als augenzwinkernde Übertreibung wie in COMMAND PERFORMANCE. Humor ist hier eh nicht gefragt, ICARUS gibt sich als eisenharter Kracher der alten Schule. Als Endgegner fungiert erfreulicherweise dementsprechend der Action-Veteran Bo Svenson, der mehr Autorität und Ruhe, einfach mehr Charisma mitbringt als die hyperaktiven Osteuropäer, die sonst so durch vergleichbare Genrekost zappeln.

Ein knalliger Vorspann, ein stimmiger Soundtrack und diverse schöne, sexy Frauen tun ihr Übriges, um ICARUS so sehenswert zu machen. Wo viel Licht ist, gibt es aber auch Schatten. Es ist zwar mehr als beachtlich, daß Lundgren einen solchen Knaller für schlanke 5 Millionen Dollar produzieren konnte, aber hier und da sieht man das leider auch. Einige establishing shots wackeln sich unschön rein wie aus einem Trasher der Kategorie Z, und auch die eine oder andere Dialogszene ist räumlich gezwungenermaßen aufgelöst im Stile eines schlechten 90er-Pornos. Aber dafür hat Lundgren in den Actionszenen nicht gespart, die er mit seinem mittlerweile erprobten Gespür für fiebriges Tempo inszeniert. Nur die allzu verwackelte Handkamera und vor allem die häßliche Strobe-Zeitlupe sollte er sich langsam mal abgewöhnen. Mit der interessanten, sehr ambivalenten Schlußszene holt er aber alles wieder nach Hause: Sein Blick, der alles sagen kann, alles offen läßt, dieses Gesicht ganz nah und dann genau im richtigen Moment - nämlich ein Quentchen zu früh - auf Schwarz geschnitten: perfekt. Denn nur so bleibt dieser Blick im Kopf haften, und mit ihm auch der Film. Ich habe schon lange nicht mehr den Abspann eines Actioners komplett durchlaufen lassen.

ICARUS ist ein kompromißloser Actionhammer, der Dolph Lundgren auf der Höhe seiner Kunst zeigt. Einer von Dolphs besten Filmen, ein Fest für Freunde des edlen Krawallfilms und ein weiterer Grund, die Karriere des charismatischen Schweden aufmerksam, gespannt und voller Vorfreude zu verfolgen.

ICARUS erscheint am 25.03.2010 auf DVD und Blu-ray bei HMH.











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