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HITMAN - JEDER STIRBT ALLEINE (Frankreich/USA 2007)

von Claudia Siefen

Original Titel. HITMAN
Laufzeit in Minuten. 110

Regie. XAVIER GENS
Drehbuch. SKIP WOODS
Musik. GEOFF ZANELLI
Kamera. LAURENT BARÈS
Schnitt. CARLO RIZZO . ANTOINE VAREILLE
Darsteller. TIMOTHY OLYPHANT . DOUGRAY SCOTT . OLGA KURYLENKO . ROBERT KNEPPER u.a.

Review Datum. 2007-11-23
Kinostart Deutschland. 2007-12-13

"The place where I was raised they didn't give us names - they gave us numbers", und der auf seinen Hinterkopf tätowierte Bar-Code lautet Nummer 47.

Wer die Computerspiele zu HITMAN nicht kennt (so wie ich) kann sich dennoch guten Gewissens diesen Film anschauen, sofern man denn einfach einen netten, unterhaltsamen Actionfilm sehen will, ohne hinterher viel nachdenken zu wollen. Die Geschichte ist kompakt und in ihrem Plot herrlich altmodisch: ein von Kindesbeinen an in einer sektenähnlichen Kommune zum bedingungslosen Töten erzogener junger Mann (Timothy Olyphant) erhält den Auftrag, den russischen Präsidenten (Ulrich Thomsen) zu erschießen. Der Auftrag wird augenscheinlich hochtechnisiert und routiniert von Nummer 47 erfüllt, bis per Computer die Nachricht eintrifft, dass der Präsident noch lebt und der Auftragskiller wird zum Gejagten. Seine Auftraggeber melden sich vortan nicht mehr und den zu blinder Loyalität Erzogene erfasst das erste Misstrauen: warum hintergeht man ihn und warum trachten nun eigene Gruppenmitglieder (alle mit rasierter Glatze und Barcode gekennzeichnet) nach seinem Leben? Seine körperliche und geistige Fitness ist überwältigend, und jeder über Jahrzehnte erlernte Handgriff bekommt den Anschein eines "Handwerkes" und unsere Nummer 47 scheint der absolut Beste seines Faches zu sein. Dank der ihm bekannten Denkmechanismen schaltet er seine Kollegen aus, entgeht dadurch aber nicht der ständigen Gefahr, ermordet zu werden. Was treibt ihn an? Verletzter Stolz? Die enttäuschende Erfahrung, von seiner "Familie" derart im Stich gelassen zu werden? Zumindest bleibt er weiterhin wohlüberlegt, und welche Gefühle sich nun auch immer bei ihm regen: sie hindern ihn nicht daran, seine Suche nach den Drahtziehern fortzusetzen. Eine angebliche Zeugin (Olga Kurylenko) soll er noch liquidieren, aber da sind die ersten Zweifel schon längst Früchte tragend gesät: einen "unnötigen" Mord will er nicht ausüben und das Opfer hat so hübsche lange Beine mitsamt dunkelbraunem Haarschopf und dazugehörigem Schmollmündchen. Das alles als Rückblende erzählt sichert zum Schluss einen überraschenden Wendepunkt, den ich aber selbstverständlich nicht verraten werde.

Wie ich zu Beginn schon sagte: herrlich altmodisch. Damit sind nicht etwa veraltete oder das Auge enttäuschende, weil "nicht täuschende", Spezialeffekte (Philippe Hubin von der französischen "Duboi", die auch für die Effekte von DELIKATESSEN, MARIE ANTOINETTE oder DER DA VINCI CODE verantwortlich waren) gemeint, sondern ganz im Gegenteil: es gibt Aktionszenen, Licht- und Farbkompositionen, die alles ganz logisch und natürlich erscheinen lassen. Dass der ganze Film ein herrlicher Ausbund an optischen Effekten ist, das realisiert man erst, wenn man im Abspann die riesige Armada an Beteiligten zu lesen bekommt. Und ich empfinde das als schön und spannend anzuschauen, wenn man nicht die ganze Zeit mit der Nase draufgestoßen wird, das alles Gesehene absolut der Fantasie entspringt. Die Optik hält sich strikt an den eigenen möglichen Erfahrungsschatz an Gesehenem. Der Fluss der Bewegungen innerhalb von Verfolgungsszenen ist gut geschnitten (Carlo Rizzo, ein Jugendfreund des französischen Regiseurs Xavier Gens) ist wunderbar unangestrengt und besonders die Farben der Innenaufnahmen werden einem in ihrer "Realität" und dennoch vollständigen Unmöglichkeit erst beim späteren Nachhauseweg wieder bewusst. Vor allem, wenn man diesen so wie ich nach der Pressevorführung am helllichten Tag antritt.

Xavier Gens zeichnete sich bisher durch seine französischen TV-Produktionen aus, einige Kurzfilme hat er gedreht und ansonsten äußerst zielorientiert als Assistenz in der Regie und der Produktion gearbeitet, etwa bei einigen Jean-Claude van Damme Produktionen. Dies erklärt vielleicht sein leichtes Augenzwinkern, das während des Filmes Beruhigenderweise zu spüren ist. Und ebenso: über allem schwebt Luc Besson, besonders mit seinem LEON - DER PROFI, sei es, was die Musik angeht (nimmt sich hier in den wummernden verlangsamten Bässen an Eric Serra ein Beispiel: Geoff Zanelli) oder gar im Zitieren von einzelnen Szenen: die Spezialeinheit stürmt ein Hotel; die Kamera folgt langsam den Schritte einer Person den Flur entlang; das angespannte Verfolgen eines Aufzuges anhand der Etagenanzeige; der Killer bleibt unsichtbar bis er sich aus dem nichts kommend von der Decke schwingt und tötet um dann wieder wie ein Gummiband innerhalb weniger Sekunden an der Decke zu verschwinden).

Vin Diesel war zunächst als Hauptdarsteller geplant, und mit diesem Wissen stellt man schon kurze Vergleiche an, aber Olyphant gibt dem Charakter so zart eine Andeutung von Ironie zu der ein Diesel wahrscheinlich schauspielerisch nicht fähig gewesen wäre. So hat er sich hier aufs Produzieren verlegt und das war gut so. Und Besson schwebt immer noch: man bekommt die ersten Blicke auf das letztendlich doch verschonte Opfer, die russische Geliebte des Präsidenten, und hat das bekannte Abziehbild aller Besson- Frauenfiguren: sehr langbeinig (das Model Olga Kurylenko), zerwuscheltes Haar und rundlicher Schmollmund. Im Film sieht sie übrigens weitaus attraktiver aus, als auf den im weltweiten Netz verbreiteten Fotos! Sie ist also halbnackend, bewegt sich fahrig und trotzig und irritiert nur hier und da auf etwas unangenehme Weise dadurch, dass sich innerhalb einer Szene ihr Make-up verändert: hat sie beim Kopfherunterbeugen eben noch dunkelrote Lippen, so gibt es einen Schnitt und sie hebt den Kopf und trägt rosa Lippgloss. Oder ihr Drachentatoo auf der Wange springt ein wenig vor sich hin; leider darf Kurylenko nichts anderes tun, als gut auszusehen und sich retten und herumkommandieren zu lassen, aber wenn man dies ohne feministisches Nachdenken anschaut ist es eben eine nette Jungs-Allmacht-Phantasie Marke "Ich rette mein Mädchen und sie lässt sich von mir retten ohne lange Nachzudenken, toll" Wie schon vorher gesagt, man darf nicht zu viel Hineininterpretieren, kann sich aber von den schönen Bildern mitreißen lassen und sich an der ausgezeichneten Kamera erfreuen (Laurent Barès, ebenfalls ein Kumpel des Regisseurs aus TV-Spot-Tagen).

Das Ganze ist von der erzählten Geschichte her so beruhigend Alltagsfern und träumerisch wie SPIDERMAN, mit seinen überzogenen Rollenklischees so absurd (saufende, Waffen schwenkende Russen und passive dekorative Frauen), dass bitte hinterher niemand erzählen soll, irgendwelche Menschen könnten sich etwa animiert fühlen, Gleiches zu tun. Niemand zwingt einen, diesen Film anzusehen und er liefert bestimmt keinen Aufruf, oder etwa Inspiration, Morde zu begehen. Zum Denken liefert er aber auch nichts: reines "Brot und Spiele"-Kino, das Ganze anspruchsvoll in Szene gesetzt und das ist schließlich auf diesem Niveau auch mal ganz nett. Und wer träumt nicht mal selbst hier und da, seine Liebste oder seinen Liebsten vor allen möglichen und unmöglichen Gefahren zu retten?!











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