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HANCOCK (USA 2008)

von Edda Baumann-von Broen

Original Titel. HANCOCK
Laufzeit in Minuten. 92

Regie. PETER BERG
Drehbuch. VINCENT NGO . VINCE GILLIGAN
Musik. JOHN POWELL
Kamera. TOBIAS A. SCHLIESSLER
Schnitt. COLBY PARKER JR. . PAUL RUBELL
Darsteller. WILL SMITH . CHARLIZE THERON . JASON BATEMAN . MARTIN KLEBBA u.a.

Review Datum. 2008-06-20
Kinostart Deutschland. 2008-07-03

HANCOCK ist ein Phänomen. Dieser Film ist eine Kömodie, ein Liebesfilm, ein Action-Kracher, ein fast dreckiger Knastfilm, ein Superhero-Flick, oder nichts von alledem, wenn man von ständigen Genre-Wechseln nichts hält. Man könnte über postmoderne Versatzstücke und die kurze Konzentrationsspanne der Zielgruppe philosophieren, aber die Wahrheit ist wohl, dass das Projekt durch so viele Hände gegangen ist, dass man am Ende den objektiven Blick für die Sache verloren hat. Was HANCOCK schon fast wieder spannend macht, denn genau betrachtet ist der Film komplett irre.

Selten kann man so deutlich sehen, wie viele Regisseure, Drehbuchautoren, Test Screenings und Produzenten an einem Stoff gezerrt haben wie bei HANCOCK, der bis letztes Jahr noch pornoverdächtig TONIGHT, HE COMES heißen sollte. Ridley Scott, Michael Mann und andere waren nacheinander attached, mal sollte der Film eher ein Stalker-Drama werden, dann drehte Will Smith erstmal I AM LEGEND und am Ende einigte man sich auf Regisseur Peter Berg, der ja auch schon bei Filmen wie VERY BAD THINGS oder THE KINGDOM Regie geführt hat, für US-Serien wie WONDERLAND und CHICAGO HOPE geschrieben und dort auch vier Jahre mitgespielt hat. Michael Mann blieb zusammen mit Will Smith als Produzent an Bord, zusammen mit Akiva Goldsman, der schon die Drehbücher zu I AM LEGEND und I, ROBOT geschrieben hatte und James Lassiter, dem Businesspartner von Will Smith. Der hat sich also eine Posse zusammengetrommelt, die er nicht nur gut kennt, sondern die auch schreiben, Regie führen, Musik machen und schauspielern können. Und jeder hat hier überall ein bisschen mitgemischt.

Das einzige, was den Film irgendwie zusammenhält ist Will Smith als widerwilliger, abgewrackter Superhero John Hancock, der so viel Schaden anrichtet, dass die Angelenos ihn am liebsten loswerden würden, und zwar sofort. Ein Superheld, der weder vernünftig landen kann, ohne die ganze Straße aufzureißen, noch nüchtern durch die Lüfte fliegt und ständig Leute anpöbelt, passt einfach nicht ins La La Land. Will Smith spielt Hancock, der ein schwerwiegendes Burn-Out Syndrom am Arbeitsplatz hat, genau so lange als Arschloch, dass es seiner Karriere nicht schaden wird, lässt aber genüsslich mal das Ghetto raus. Eine solide Autoverfolgungsjagd mit hohem Materialaufwand führt den Film als schönen, sinnlosen Action-Kracher ein.

Aber halt, schnell weg damit – jetzt kommt die Dramedy. Hancock rettet eher aus Versehen dem gutherzigen PR-Berater Ray (Jason Bateman), der eigentlich die Welt retten will und daher natürlich den völlig falschen Job hat, das Leben. Der will nun als Dank Hancocks Image retten. Eine schöne Idee, dass auch ein moderner Superheld sich gängigen Marketing-Strategien unterordnen muss und in ein Outfit gesteckt wird, das ihm einen dauerhaften Platz bei den Village People gesichert hätte. Aber das will der Film gar nicht erzählen. Nein.
Hancock ist ganz einsam und sehnt sich eigentlich nach Liebe und Anerkennung. Dafür muss er erstmal in den Knast gehen, so die zweifelhafte Idee des PR-Beraters, und vor allen Dingen auch drin bleiben, um zu zeigen, dass er ein geläuterter Superheld ist. Irgendwie macht ihm die Präsenz von Rays Frau Mary (Charlize Theron) die Sache schmackhaft und er lässt sich auf den lächerlichen Plan ein.

Roll the music von John Lee Hookers Blues zu Ice Ts "Colors" und schon haben wir wieder ein neues Versatzstück - den Gefängnisfilm. Im Knast gibt es schöne Szenen, unter anderem eine, die man nie mit Will Smith in einem Film vermutet hätte und die dem Film vermutlich fast die Chancen auf ein PG-13 versaut hätte. Hancock muss zu AA-Meetings, sich rasieren, ein paar vernünftige Umgangsformen lernen und seine Dämonen mit Strichzeichnungen an der Zellenwand konfrontieren.

Der Plan geht auf, die Kriminalitätsrate in LA steigt um 30% und Hancock wird wieder gebraucht. Da er inzwischen anscheinend Naomi Campbells Anti-Aggressionstraining absolviert hat, kann er höflich einen Banküberfall eines Psychopathen vereiteln, ihm souverän die Hand abhacken und auch plötzlich auch alle Frauen haben.

Aber ach, er will doch nur eine (Achtung – Love Story!), aber die kann er ja nicht haben. Nicht, weil sie die Frau seines neues Freundes ist, nein, die beiden waren schon die letzten 3000 Jahre verheiratet und es ist nie gut gegangen. Weil Rays Mary nämlich auch ein Geheimnis hat. Total abstrus, aber Will Smith und Charlize Theron als verlorene Superhelden-Seelen sind zusammen sehr heiß. Es wird noch ein bisschen gerangelt, wer der Stärkere von beiden ist, was in Downtown L.A. zu diversen Naturkatastrophen führt, aber dann ist auch schon der böse Bankräuber minus seiner linken Hand zur Stelle, um den von der Liebe geschwächten Hancock ins Jenseits zu befördern. Dass ausgerechnet Milchbubi Ray ihm noch die rechte Hand abschlägt, gehört zum schwarzen Humor, der sich zwischendurch immer wieder unvermittelt wie aus dem Film im Kinosaal nebenan einschleicht, um dann ganz schnell wieder Platz zu machen für ein zuckriges Happy End.

Natürlich wird der Film trotzdem laufen. Der Box-Office-Superhero Will Smith wird es schon richten. Um seinetwillen kann man sich den Film angucken, ansonsten Finger weg von HANCOCK. Dieser Film ist eine ganz üble Mogelpackung. Man muss sich wirklich fragen, ob die Beteiligten noch alle Tassen im Schrank hatten, als sie die $150 Millionen für den Film rausgekübelt haben. Zur geistigen Umnachtung eine schöne Anekdote, die eigentlich alles erzählt: Die Title-Doctors Seth Lockhart und Jamil Barnie hatten versucht, Sony davon zu überzeugen, den Titel zu ändern, z.B. in "Less Than Hero", was für das Studio aber nicht einsichtig war. War aber auch nicht schlimm, denn bei Will Smith ist sowieso egal, was draufsteht. Der ist nämlich, so Lockhart "the one star in the world who is title-proof." Wer will sich da noch mit dem Inhalt des Films aufhalten?











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