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THE GREY - UNTER WÖLFEN (USA 2012)

von Fabian Olbrich

Original Titel. THE GREY
Laufzeit in Minuten. 117

Regie. JOHN CARNAHAN
Drehbuch. JOHN CARNAHAN . IAN MACKENZIE JEFFERS
Musik. MARC STREITENFELD
Kamera. MASANOBU TAKAYANAGI
Schnitt. ROGER BARTON . JASON HELLMAN
Darsteller. LIAM NEESON . DALLAS ROBERTS . FRANK GRILLO . DERMOT MULRONEY u.a.

Review Datum. 2012-03-15
Kinostart Deutschland. 2012-04-12

Wie jedes Genre folgt auch der Survivalfilm klaren Strukturen. Die Story lässt sich meist knapp skizzieren: Menschen, die sich mehr oder weniger gut kennen, dabei weniger gut verstehen, sitzen gemeinsam in einem Vehikel - wahlweise ein Flugzeug -, das über riesiges, unbesiedeltes Land fliegt und abstürzt. Die Überlebenden sind anschließend gefangen, auch wenn das Gefangensein sich auf das Gestrandetsein im scheinbar endlosen Nirgendwo beschränkt bzw. ausdehnt. Der Überlebenskampf selbst wird durch drei Parameter bestimmt a) Hunger, b) die vor Ort hausenden und Eindringlingen gegenüber eher feindlich eingestellten kreatürlichen Bewohner und c) die Menschen selbst, die einander die größte Bedrohung darstellen.

THE GREY verläuft auch in diesen Bahnen. Ein Unterschied zu den Genrekonventionen liegt hier in der Erzählweise. Doch zunächst die Story: John Ottway (Liam Neeson), studierter Biologe, ist bei einer Ölbohrfirma in Alaska angestellt. Seine Aufgabe ist es, die im Freien arbeitenden Kollegen vor streunenden Wölfen zu schützen, d.h. diese abzuschießen. Das macht ihn somit zu einer Art Wolfsexperten. Von seinen Kollegen zieht er sich zurück. Gleich zu Beginn sehen wir, wie ein Haufen Rough-Necks, mehr oder weniger sich selbst außerhalb der Zivilisation überlassen - nicht anders organisiert ist als ein Rudel wilder Wölfe: streitend, prügelnd bis der Leitwolf dem ein Ende setzt. Ottway blendet diesen wilden Haufen aus und isoliert sich von seinen Kollegen. In Gedanken ist er bei seiner Frau, das Drumherum blendet er aus.

Als der Schichtwechsel herangerückt ist und das Team nach Hause fliegt, geschieht das Unvermeidliche. In einem Sturm stürzt das Flugzeug ab. Nahezu unverletzt haben neben Ottway acht weitere die Katastrophe überlebt. In der Weite Alaskas ist keine Hilfe zu erwarten. Und bald kommen die Wölfe, in deren Territorium sich die Überlebenden befinden...

Nun hat eine rein subjektive Erzählweise in einem Survivalfilm, der von John Carnahan (NARC, SMOKIN' ACES, THE A-TEAM) als Actionfilm inszeniert ist, Vor- und Nachteile.
Die Innenschau erlaubt zunächst, die Konventionen des Genres aufzubrechen und den Helden eher als eine Reflektionsfigur, denn als Hoffnungsträger zu inszenieren. Indem sich Ottway sobald zum Führer der Gruppe aufschwingt gleicht er dem Leitwolf, des sie verfolgenden Rudels: Widerworte werden nicht geduldet. Zugleich tritt Ottway damit jedoch hinter sein eigenes Wohl zurück: als Wolfsexperte ist es nur konsequent, dass er die anderen aus dieser Situation führt, koste es, was es wolle. Er ergibt sich damit dem selbst gewählten Schicksal, seine Kollegen - ob sie es gleich oder erst nach ein bisschen Prügel verstehen - aus der hoffnungslos anmutenden Situation zu befreien.

Der Nachteil der Innenschau besteht nun darin, dass der Film, soll er doch im Actiongenre bleiben, auf ein bestimmtes Figurenrepertoire angewiesen ist. Es braucht den Rebell, der sich gegen den Helden auflehnt; den Pragmatischen, der versteht, mitgeht und sein Bestes tut; den Kranken, der irgendwann aufgegeben werden muss; den Weinerlichen, der an entscheidender Stelle einbricht; um nur einige Varianten zu nennen.
Die Erzählperspektive hält sich nun nicht nur an Ottways momentanes Tun und Handeln, indem auch die Darstellung seiner Kameraden genug Raum finden würde. In Rückblenden werden Bilder seiner Sehnsüchte und Erinnerungen gezeigt: wir sehen ihn mit seiner Frau oder als Kind mit seinem Vater. Carnahan lässt hier ein paar wirklich gute Szenen montieren, bei denen wir den schönen Eindruck des Zwischen-den-Welten-Stehens haben. Doch werden die Nebenfiguren durch die starke Fokussierung auf Ottways Innenleben zu eben jenen altbekannten Stereotypen reduziert. Vor dieser Schablone verblassen die Möglichkeiten der Ineinanderführung der beiden Genres des Survival- und Actionfilms. THE GREY gerät so an manchen Stellen in das Fahrwasser eines gefälligen Dramas.

Häufig entsteht ein zu sentimentales Gefühl, das irgendwann auch auf die anderen Figuren übertragen wird. Wie die Bilder von Wirklichkeit und Vision auseinander treten ist zwar nett anzusehen, wirkt aber mit der Zeit kitschig.
Liam Neeson ist erfahrener Schauspieler genug, als dass er die Figur Ottways nicht zu feinfühlig auftreten lässt. Seine pragmatische Spielweise wirkt aber manchmal doch zu abgeklärt. Und mit der Zeit stellt sich das Gefühl ein, dass man mit Ottway einem Mann zusehen soll, der sich seinem Schicksal ergeben hat und diesem tapfer entgegen geht. Gerade da eine Rettung aus eigener Kraft nicht möglich erscheint und ein Hoffnungsschimmer auf Rettung von außen nicht in Aussicht ist, wird die damit verbundene Aufgabe, seine Kameraden zu retten, zweifelhaft. Zumal die Wölfe großen Appetit zu scheinen haben. So klingt den Film hindurch dann doch die Idee einer höheren Aufgabe, wie sie Gott dem Menschen aufträgt und es dabei so unglaublich schwermacht, diese zu bewältigen. Was dem Film als philosophischer Unterton unterstellt wurde ist dabei ein religiöser, was ihn dennoch nicht minder spannend macht.











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