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GOTHIC & LOLITA PSYCHO (Japan 2010)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. GOSURORI SHOKEININ
Laufzeit in Minuten. 87

Regie. GO OHARA
Drehbuch. HISAKATSU KUROKI
Musik. nicht bekannt
Kamera. nicht bekannt
Schnitt. nicht bekannt
Darsteller. RINA AKIYAMA . RUITO AOYAGI . ASAMI . MISAKI MOMOSE u.a.

Review Datum. 2011-07-02
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Ich hatte mich bei THE MACHINE GIRL gut, wenn auch - öhöm - unter meinem Niveau, amüsiert, und bei TOKYO GORE POLICE noch um einiges besser, und dann habe ich dem Genre den Rücken gekehrt, mit dem Vorsatz nie wieder zurückzukehren. Mit TOKYO GORE POLICE hatte ich schließlich den CITIZEN KANE des Neuen Japanischen Billig-Splatter-Trash-Films gesehen, mehr war nicht zu holen. Warum breche ich jetzt für GOTHIC & LOLITA PSYCHO meinen Vorsatz? Ich sage es ohne eine Miene zu verziehen: Weil ich mich für Jugendmode interessiere. Sicherlich keine Rolle spielt, dass Hauptdarstellerin Rina Akiyama 2007 bei der Wahl des Besten Hinterns den ersten Platz gemacht hat (bzw. ihr Hintern ihn gemacht hat), was bei jeder Auslassung zum Film mit einer Selbstverständlichkeit erwähnt wird, als wisse die ganze Welt von dieser Wahl und verfolge sie alljährlich mit angehaltenem Atem. Nein, ich bleibe dabei, es geht mir einzig um die Mode.

Akiyama spielt mit vollem Körpereinsatz die junge Rächerin Yuki, die im Gothic-Lolita-Style angetan ist und mit einem spitzen und scharfen schwarzen Schirm die Mörder ihrer Mutter ermordet.

Selbsttest mit Stoppuhr: Nach 36 Minuten war mir die Handlung egal. Die Zeit kann aber bestimmt geschlagen werden, ich habe mein Interesse aus journalistischer Sorgfaltspflicht künstlich lange aufrechthalten. Selbstverständlich spricht der Hauch von einem Plot nicht gegen den Film. Wie andere seiner Art ist er in erster Linie eine Nummernrevue maßloser Splatter-Effekte und wilder Kampfszenen, wobei erstere gewohnt und gewollt billig sind und letztere erstaunlich gelungen. Gut möglich, dass Akiyama keine ausgebildete Regenschirmkämpferin ist, aber die dynamische Inszenierung wahrt gekonnt den Schein.

Dramaturgisch ist das Ganze aufgebaut wie ein Videospiel, bei dem sich die Spielfigur nicht lange mit Kanonenfutter aufhält. Jeder Fight ist ein Bossfight. Wie es sich für solche gehört, haben alle Gegner ihre sehr spezifischen Waffen, Techniken und Fertigkeiten, was die Vorhersehbarkeit der Ereignisse (auf einen Kampf folgt ein weiterer Kampf) nie in stumpfsinnige Wiederholung ausarten lässt. Die Kulissen, in denen diese Keilereien stattfinden, sind häufig nur abstrakte Andeutungen von Räumlichkeiten. So erkennt man an einem typischen Fenster und ein paar Symbolen auf einer dunklen Studiobühne, dass man sich in einer Kirche befindet. Eine Verbeugung vor dem Theater Becketts oder den Filmen von Triers, oder man hatte schon alles Geld für Blutkübel und Mädchengarderobe verpulvert.
Da ist es auch besser angelegt. Obwohl: Sollte jemand wirklich so doof sein GOTHIC & LOLITA PSYCHO wegen der Mode zu schauen, wird der vermutlich enttäuscht sein. Hier ist deutlich mehr Psycho als Gothic oder Lolita angesagt. Selbst das Kostüm der Protagonistin bekommt man bei all der Action kaum einmal in Ruhe zu bewundern. Warum sie sich überhaupt für diesen Stil entschieden hat, ist der Interpretation des Zuschauers überlassen. Vielleicht wird es auch nach Minute 36 erklärt, wer kann das schon so genau wissen? Ansonsten herrscht ein eher konservativer Dresscode, abgesehen von etwas flüchtigem Yakuza-Chic in der Eröffnungsszene, und der herrlichen Lady Elle (Misaki Momose), Yukis wunderbarster Gegnerin, einem Schulmädchen mit Hang zum verspielt-eleganten Gyaru-Style und einer Waffe, die gleichzeitig Maschinenpistole, Dolch und Handy ist.

Sollte sich jemand drauf freuen, einen guten, aktuellen Blick auf den Besten Hintern 2007 zu ergattern, muss auch der seine Erwartungen drosseln und ganz genau hinsehen. Einer der Schurken besitzt das im Kampf recht nutzlose Spezialtalent per Gedankenkraft Röcke lüpfen zu können, was er auch auf Yuki anwendet. Dieser harmlose Jux-Moment ohne Altersbeschränkung wirkt wie ein ironisches Augenzwinkern an Akiyamas Stammpublikum und bleibt die einzige Konzession (sowohl an das Popopublikum wie an die Familienunterhaltung).

GOTHIC & LOLITA PSYCHO ist liebenswerte Splatter-Unterhaltung für alle, die noch nie einen Film dieser Art gesehen haben (aber um Himmels Willen eine Affinität zu brutalem Schund haben), und für alle, die schon alle gesehen haben und nie, nie, nie genug davon bekommen können. Wer irgendwo dazwischen steckt und sich angesichts des Titels eine ausreichende Variation des üblichen Spritz-und-Schmadder-Konzepts erhofft, wird seine Hoffnungen nicht erfüllt finden, aber daran erinnert werden, dass diese Filme im feuchtfröhlichen Detail noch immer so originell sein können, wie sie es im inhaltlichen großen Ganzen nie waren.

DVD und Blu-ray sind ab dem 24.06.2011 von Splendid erhältlich. Wie üblich bei Japan-Splatter-Extravaganzen stark gekürzt.











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