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THE FIRST PURGE (USA 2018)

von André Becker

Original Titel. THE FIRST PURGE
Laufzeit in Minuten. 97

Regie. GERARD MCMURRAY
Drehbuch. JAMES DEMONACO
Musik. KEVIN LAX
Kamera. ANASTAS N. MICHOS
Schnitt. JIM PAGE
Darsteller. Y'LAN NOEL . LEX SCOTT DAVIS . JOIVAN WADE . MARISA TOMEI u.a.

Review Datum. 2018-07-04
Kinostart Deutschland. 2018-07-05

Vier Teile in lediglich fünf Jahren. Eine beachtliche Nummer, selbst in Zeiten, in denen jeder halbwegs lukrative Film in Windeseile fortgesetzt wird. Es ist aber dennoch erstaunlich mit welcher Hartnäckigkeit das nach wie vor immens umtriebige Blumhouse-Studio die PURGE-Storyline zum Franchise-Modell aufblasen. Der Erfolg gibt den Produzenten recht, ungeachtet der klitzekleinen Nebensächlichkeit, dass die Reihe nach dem soliden ersten Teil mit jedem neuen Output qualitativ gesehen immer mehr in Richtung Genre-Bodensatz schlingerte.

THE FIRST PURGE ist dabei ein klein wenig erträglicher als der schrecklich missratene dritte Teil. Nach dem ersten Drittel ist man sogar fast geneigt den Film im Geiste als reichlich hirnrissigen, aber überwiegend kurzweiligen Genre-Durchschnitt abzuspeichern. Aber halt nur fast, denn dann schmiert die vierte Ausgabe im Purge-Universum gehörig ab.

Erzählt wird die Vorgeschichte der zwölfstündigen Ausnahmeregelung, die vorsieht, dass alle Verbrechen erlaubt und ebenfalls nach Ablauf der Zeitspanne nicht bestraft werden. Und diese Geschichte geht so: Die amerikanische Regierung, die mit dem desaströsen Zustand des Landes heillos überfordert ist, will über ein psychologisches Experiment austesten, welche positiven Wirkungen sich mit einer staatlich autorisierten kollektiven Katharsis erzielen lassen. Denn die Wut, die in uns allen brodelt, die muss raus. Und ein solches Experiment führt man natürlich dort durch, wo man besonders viel soziale Tristesse und daraus erwachsene Delinquenz erwartet: Im sozialen Brennpunkt Staten Island, den die Regierung ihren Bürger als eine Art Kriminalitäts-Biotop verkaufen will.

Ab diesem Punkt präsentiert der Film seinen zentralen Clou, den das Drehbuch aus der Feder von James DeMonaco wohl für besonders gewieft hielt, der letztlich aber reichlich vorhersehbar zwischen den Zeilen wartet. In Wirklichkeit leben in den runtergewirtschafteten Vierteln nämlich vor allem ehrliche Leute, die als die zwölf Stunden anbrechen, eher zögerlich reagieren und nicht wie von der rechtsgerichteten Regierung gehofft in einen Rausch der Gewalt verfallen. Und das obwohl ausgewählten Personen monetäre Anreize geboten werden, wenn diese richtig die Sau rauslassen wollen. Der unerwartete Verlauf passt den Initiatoren (u.a. Marisa Tomei) erwartungsgemäß gar nicht, denn natürlich verfolgen die schmierigen Polit-Fratzen ganz eigenen Pläne, die über ein Survival of the fittest weit hinaus gehen.

Gerard McMurray, ein noch vergleichsweise frisches Gesicht im Regie-Business Hollywoods, versucht dem Geschehen ähnlich wie es schon bei den Vorgängern der Fall war mit sozialkritischen Untertönen einen intellektuellen Anstrich zu verpassen. Wie bei Teil Zwei und Drei gerät dieses Vorhaben allerdings zur Lachnummer da es McMurray in keiner Szene schafft den erzählerischen Kern wirklich nachhaltig für Diskurse zu öffnen. Auch das Vorhaben im Windschatten eines in der Entstehung begriffenen neuen Black Cinema (woran der Erfolg von GET OUT und BLACK PANTHER sicherlich einen entscheidenden Anteil haben) wahrgenommen zu werden bleibt allein schon durch die plumpe Milieubeschreibung komplett aussichtslos. Und die Figur des gewaltgeilen Psycho-Junkies Skeletor gehört definitiv zu den lächerlichsten Bad guys der gesamten Reihe. Das nur mal so am Rande.

Fairerweise muss man McMurray zugestehen, dass er es Anfangs recht gut versteht das Publikum in ein innerfilmisches Setting einzuführen das unter Zuhilfenahme von Interview-Fetzen eine Atmosphäre kaltschweißiger Beklemmung aufbaut. Wenn in diesen zutiefst unbehaglichen Momenten das Gewaltpotential normaler Bürger erfragt wird, blitzt für kurze Augenblicke die Möglichkeit auf, hier tatsächlich einmal ein wenig tiefer unter die Oberfläche zu schauen. Da wo es wirklich wehtut und wo es auch für das Publikum ungemütlicher wird, wenn es auf sich selbst zurückgeworfen wird. Erwartungsgemäß verschwindet dieses Potential aber recht schnell wieder aus dem Blickfeld. Unfreiwillig komisch wird es dann gegen Ende, als das Skript einen Haufen Söldner (aus Russland!) präsentiert, die bei der Purge ein wenig nachhelfen sollen.

Mit der ausführlichen finalen Auseinandersetzung, bei dem gleich in mehreren Stockwerken wie von Sinnen gekämpft, zerstört und mit großer Geste gestorben wird, bietet THE FIRST PURGE zwar noch akzeptables (sofern man die furchtbaren CGI ignoriert) Futter für die Action-Gemeinde, dies täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass auch der vierte Teil außer einer Handvoll brauchbarer Ansätze und Ideen kaum etwas zu bieten hat.











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