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Schade, der neue Film von Uwe Boll wurde nur um 30 Sekunden gekürzt. Das ist zumindest das erste, was man nach Erhalt dieser Information denkt. Dr. Uwe Boll, den einige als den schlechtesten Regisseur der Welt bezeichnen. Oder als den deutschen Ed Wood. Oder als den Dieter Bohlen der Filmemacherzunft. Zahlreiche Verfilmungen von Videospielen hinterließen selbst beim hartnäckigsten Genrefan ihre Narben. Der Regisseur, Betriebswirt, Sozial- und Literaturwissenschaftler kauft mittlerweile paketweise die Rechte von Computerspielen, wandelt deren Expositionen in Drehbücher um, kratzt die Produktionskosten in Eigenregie zusammen, mischt ein paar schon länger nicht mehr gesichtete Altstars mit B-Promis, um mit diesen dann in Kanada im Jahresturnus einen neuen Film zu drehen. Dieser wird dann traditionell von ALLEN Kritikern verrissen, deren Kompetenz dann wieder unter großem Medienecho vom Regisseur höchstpersönlich und nicht ohne verbale und auch legendär physische Derbheiten in Frage gestellt wird. Spätestens nach der DVD-Auswertung wundern sich dann die beleidigten Kritiker, dass Boll jedes Mal die Kosten nicht nur wieder einspielt sondern immer noch genug Geld für das nächste Machwerk übrig hat. Ein Weg, die Bollschen Werke zu goutieren, ist den Audiokommentar gleich bei der Erstsichtung einzuschalten. Mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein liefert er Anekdoten zu den Dreharbeiten, dem Sexualleben und Intelligenzquotienten seiner Darsteller, Kritiker oder Hunde, deren Fütterung während der Aufzeichnung des Kommentars von einigen als Höhepunkt des Bollschen Kinoschaffens bezeichnet wurde. Ein Raunen ging selbst durch die Tagespresse als Henry Maske Schauspielunterricht nahm, um in Bolls überüberübernächstem Projekt Max Schmehling zu verkörpern.
Doch ist das Dauergeunke angemessen? Die Probe aufs Exempel kann man jetzt mit FAR CRY machen. Und bei Sichtung des internationalen Ensembles scheint alles beim Alten. Ralf Möller bürgt für Trash erster Güte, ergänzt durch Emmanuelle Vaugier, die immerhin in SAW IV mitgespielt hat. Don Davis kennt man seit TWIN PEAKS als Spezialist für Nebenrollen, Michael Pare hatte seit STRASSEN IN FLAMMEN nicht mehr viele Hauptrollen. Udo Kier begab sich schon öfter auf Kinskische B-Film-Spuren. Einzig Till Schweigers Hauptrolle als Ex Special Forces-Kämpfer Jack Carver verwundert etwas. Trotz minimaler internationaler Wahrnehmung hat er doch gerade mit KEINOHRHASEN einen echten deutschen Hit gelandet und sollte eigentlich besser wissen, was ein echter Boll ist.
Jack Carver ist bei den Special Forces ausgestiegen und verdingt sich als Skipper eines Ausflugskutters, ohne den zahlenden Touristen einen der versprochenen Wale zeigen zu können. Die Journalistin Valerie (Vaugier) chartert sein Boot, um auf eine nahegelegene Insel zu fahren. Dort soll ihr Onkel Max (Moeller) Informationen zu militärischen Experimenten übergeben, die Dr. Krieger (Kier) verbotenerweise dort durchführt. Kaum auf der Insel wird sie entführt und Jacks Boot gesprengt. Und Max wurde vom Doktor in einen willenlosen Kampf-Frankenstein umgewandelt. Aber Jack gibt natürlich nicht auf, zumal er mehr als professionelles Interesse an der hübschen Valerie entwickelt.
Soweit, so trashig. Was macht nun Boll aus dieser Standardsituation?
Til Schweiger ist als Ex Marine mittelmäßig glaubwürdig. Seine körperliche Präsenz tut den harten Rollen besser, je älter er wird. Seine näselnde Stimme leider überhaupt nicht. So witzelt sich Schweiger etwas mühsam durch die lustig gemeinten Passagen, während er sonst lieber hätte schweigen sollen. Emanuelle Vaugier ist als Journalistenmaus ausstrahlungslos und nicht einmal besonders hübsch. Ralf Moeller muss als manipuliertes Monster gar nicht viel machen. Er sieht sowieso wie Frankenstein aus. Ein bisschen weiße Schminke besorgt den Rest. Komplett überflüssig und somit super zum Rest passend ist Chris Coppola als dicker funny Sidekick. Er liefert Essen auf die Insel (!!!) und wird durch einen mehr als mutig zu bezeichnenden Handlungsbruch zu Jacks treuem Gefährten. Ab der Hälfte des Films kalauert er sich durch die Handlung. Boll schwebte wohl ein Charakter zwischen John Candy, Woody Allen und Luis de Funes vor. Das Ergebnis muss man gesehen haben! Als würden die Achtziger nie vorbeigehen. Mehrere Nebenrollen zeichnen sich entweder durch Hypomimie oder Overacting aus. Großartig ist Udo Kier, der als hochnäsiger Mad Scientist durch Bolls implodierende Handlung schreitet, als wäre es ein Film von Christoph Schlingensief. Ständig pinselt er mit Ölfarbe auf einer Leinwand rum und zeigt auch sonst wenig Verständnis für die Tücken des Alltags, mit denen sich das militärische Fußvolk befasst. Mit der Würde eines Klaus Kinski zeigt Kier, dass er der einzige aktive, internationale Star ist, der diesen Namen auch verdient. Thomas Kretschmann mag erfolgreich sein. Udo Kier ist groß!
Bei der Action macht Boll seine Sache gar nicht schlecht. Man sieht zwar jeder Szene das geringe Budget an. Statt auf allzu viele computergenerierte Effekte setzt Boll auf den Schnitt. Menschen springen von erschreckend hohen Gerüsten, um dann nach einem harten Schnitt elegant auf dem Boden abzurollen. Gleiches gilt für Verfolgungsjagden. Das hat seinen ganz eigenen Charme, wie man seit EL MARIACHI weiß, dessen Dynamik eigentlich nur vom Cutter erzeugt wurde. Viele Schnitte funktionieren auch gar nicht. So kommt es zu leichten Herzrhythmusstörungen beim Zuschauer, die durch unsanft herausgeschnittene Gewaltszenen noch verstärkt werden. Ein paar CGIs gibt es schon. Bewegungen der Kampfmutanten wurden digital manipuliert. Der Effekt ist teilweise recht beeindruckend. Dann wurde wieder ein explodierender Militärjeep von mehreren Seiten gefilmt, so dass man ihn in einigen Szenen des Films unterbringen konnte. Auch groß sind die Anschlussfehler, an denen entsprechende Nerds eine wahre Freude haben werden. Das herbeifahrende Boot, auf das sich Jack rettet, muss nach einem waghalsigen Sprung (und nach oben erwähnter Schnitttechnik) erst mühsam losgebunden werden.
Die Musik ist laut, erfrischend unsubtil und keine Sekunde des Films kann ohne sie auskommen.
Die Synchronisation macht den Film erst zu dem, was er ist. Auf Hintergrundatmosphäre wurde weitgehend zugunsten nur der wichtigsten Explosionsgeräusche verzichtet. Wer sich an SOMMER DER LIEBE oder andere Filme von Wenzel Storch erinnert, hat eine ungefähre Vorstellung, wie das klingen kann. Till Schweiger und Udo Kier synchronisieren sich selbst und machen ihre Sache nicht schlecht. Die Sprecher der Amerikaner scheinen aus Bolls Freundeskreis rekrutiert zu sein. Die Stimmen passen so wenig zu Schauspielern und Mundbewegungen, dass man sich an die Voice overs der südamerikanischen Telenovelas erinnert glaubt. Ganz toll auch hier die Stimme von Chris Coppola, die wie der ganze Charakter mit seinem Eightiesbezug fast surreal anmutet.
Bei den Dialogen fällt Boll nicht viel mehr ein als "Los los los", "Feuern" oder "noch nicht feuern." Zumindest wenn es ernst wird. Da es gar nicht so oft ernst wird, hatten die beiden Drehbuchautoren die Möglichkeit, Sätze aus der Mottenkiste der des witzigen Kinos zu ziehen, die ihren verdienten Tod schon vor Jahrzehnten starben. Ein Raunen ging durchs Publikum als Jack beim Ankuscheln von Valerie gefragt wird, ob das seine Kanone sei. Mit ähnlich überraschenden Wortwechseln wird der Zuschauer im Verlauf der 94 Minuten bombardiert. Und tatsächlich: keine Pointe zündet. Meist werden Pointen ohnehin nur vorbereitet, um den Zuschauer dann an der ausgestreckten Hand verhungern zu lassen.
FAR CRY ist purer Trash, daran besteht kein Zweifel. FAR CRY ist aber auch in keiner Minute langweilig. Viel zu fassungslos ist man über die aus anderen Filmen geklauten Unverschämtheiten, mit denen hier gearbeitet wird. Die deutsche Synchro macht alles noch unglaublicher. Bolls Talent reicht nicht über das eines B-Filmregisseurs hinaus. Bolls Filme sind auch nicht mehr als die Summe ihrer Teile. Aber immerhin handelt es sich um echte B-Filme. Boll mag sich des Trashfaktors seines Oevres bewusst sein, ändern kann er daran nichts. Und das unterscheidet ihn von Regisseuren, die mit den B-Film-Konventionen liebäugeln, dabei aber doch etwas Besseres sein wollen und prätentiös scheitern. Das fängt bei der ROCKY HORROR PICTURE SHOW an und endet bei den kläglichen Reaktivierungsversuchen des GRINDHOUSE. Das heutige Mainstreamkino ist beherrscht von Filmen, deren Macher (oder Helfer) ihr technisches Handwerk beherrschen aber zu wenig Mut haben, sich künstlerische Herausforderungen zu stellen. Es hat etwas sehr unschuldiges, wenn es ein Regisseur jährlich neu auf die deutschen Leinwände schafft, der weder von Technik noch Kunst eine Ahnung hat. Unsere alten VHS-Bänder sind voll mit Filmen solcher Leute, also gebt ihm eine Chance.
Und mit Audiokommentar wäre FAR CRY bestimmt noch besser gewesen.
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