Jim Jarmusch ist der wahre Grund für diese Review. Wenn einer der letzten großen amerikanischen Filmemacher mit echten Auteur-Qualitäten einen Zombiefilm dreht ist das Interesse natürlich riesig. Das Zombie-Genre war in letzter Zeit bekanntermaßen nicht gerade eine überschäumende Quelle neuer Ideen. In Filmen und Serien dominierte vor allem eins: gähnende Langeweile. Jarmusch wird es schon richten. Dieser Gedanke drängt sich im Vorfeld geradezu auf.
Jarmusch siedelt seinen Zombiefilm in einer verpennten Kleinstadt an. Dort, wo im Diner die kauzigen Bewohner ihren Kaffee schlürfen. Dort, wo die dünnbesetzte Polizei (Bill Murray, Adam Driver, Chloë Sevigny) sich mit Nichtigkeiten wie Hühnerdiebstahl herumschlagen muss. Dort, wo in der örtlichen Tankstelle ein nerdiger Filmkenner nicht nur Sprit, sondern auch Film- und Musikkultur feilbietet. Ein Sammelsurium sympathisch-schräger Figuren (u.a. noch Tilda Swinton als kampferprobte Bestattungsunternehmerin), die plötzlich mit waschechten Untoten (Iggy Pop als Kaffeejunkie!) konfrontiert werden. Die steigen nämlich aus ihren Gräbern als eine Umweltkatastrophe die Erdatmosphäre gehörig durcheinanderwirbelt.
THE DEAD DON'T DIE ist, abgesehen von der ungewöhnlichen Genre-Positionierung, ein recht typischer Jarmusch-Film. Der Cast besteht aus zahlreichen Stammschauspielern des Filmemachers (neben Murray und Driver noch Rosie Perez und Tom Waits), die Stimmung ist gewohnt melancholisch und der fein austarierte Humor bleibt, wie so oft bei Jarmusch, angenehm unaufdringlich. Die Handschrift des Regisseurs ist insofern deutlich sichtbar. Auch wenn nicht ganz so offenkundig wie in Werken vom Schlage ONLY LOVERS ALIVE.
Die enorme Verweisdichte des Films dürfte vor allem bei Kennern des Genres für Glückseligkeit sorgen. Jarmusch arbeitet zudem mit erstaunlich vielen Meta-Ebenen, die zum einen direkt auf das Darstellerensemble anspielen (natürlich erfolgt bei Adam Driver eine Anspielung auf seine Star-Wars-Vergangenheit) und zum anderen den Film selbst miteinbeziehen. Die jeweiligen Gags sind meist charmant eingefädelt und kommen schön trocken daher. Nur ab und an zeigen sich Abnutzungserscheinungen, da der Regisseur einzelne Themen wiederholt aufgreift und die eigene Cleverness teils zu sehr abfeiert.
Trotz der locker-flockigen Grundstimmung teilt Jarmusch auch ordentlich aus. Wie einst Romero nutzt er seine Zombies als wandelnde Konsumkritik. Als Metapher eines entfesselten Warenfetischismus murmeln die Untoten die Namen ihrer Sprachassistenten oder ihrer Lieblingsparfümsorten. Jarmusch thematisiert im Rahmen des satirischen Überbaus des Films zudem die Versäumnisse der globalen Umweltpolitik, bei der wirtschaftliche Interessen stets vorrangig behandelt werden. Mit fatalen Folgen. In THE DEAD DON'T DIE führt das betont abseitig klingende Fracking an den Polen zum Ausbruch der weltweiten Zombieapokalypse.
Der Eröffnungsfilm des diesjährigen Cannes-Festivals erzählt daneben ebenfalls von unterschiedlichen amerikanischen Lebenswelten, deren Aufeinandertreffen einem Culture Clash gleichkommt. Besonders deutlich wird dies durch die Einführung einer Clique von Hipstern (u.a. Selena Gomez), die von den Kleinstadtbewohnern mit einer Mischung aus Argwohn und latenter Bewunderung behandelt werden. Das auf diese Gruppe projizierte Anderssein stellt der Regisseur fast schon auf eine Stufe mit den Untoten. So oder so: Fremdkörper sind beide Gruppen in der Kleinstadt.
Bis zum großen Showdown mit jeder Menge Zombie-Kills bietet THE DEAD DON'T DIE noch zahlreiche große Einzelszenen (etwa alle Sequenzen mit Steve Buscemi), die Jarmusch in Höchstform bieten und am Ende ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Dies gilt auch für die Charaktere, die eher nebenherlaufen (eine Gruppe Jugendlicher in einer Art Strafanstalt), die den Filmverlauf aber nichtsdestotrotz mittragen. Jarmusch wird es schon richten. Ja, so könnte man es durchaus sagen.
|